28. Schöner Morgen.
                     Drei 
Dialoge Lukians gelesen, immer wieder betroffen, wie wienerisch sie im Ton sind. Besonders 3, diese
                        Philinna ist vollständig derselbe Schlag wie die im 
Abschiedssouper. In 3 ist auch schön das Anklingen der Not, wenn die Mutter sagt: denk nur, was wir
                        für einen Winter verbracht hätten, wenn uns nicht Aphrodite diesen geschickt hätte.
 
                     Ich gehe jetzt ins Moor, nehme Englisch mit, will Nachmittag zuerst 
Cenci lesen, dann über den 
Dialog u. mein 
Stück nachdenken, vielleicht schreib ich doch ein Scenarium zusammen.
 
                     Cenci zweiten Akt vollendet. Es umwölkt sich. Eben da ich zu radeln versuchen will, fängts
                        zu regnen an.
 
                     Vor dem Haus ist ein kleiner Brunnen, der in einen Trog mit den schönsten Forellen
                        fließt. Herr 
Georg Fuchs, der junge Wirt, ein fester Bursche, der mit seinen Leuten nicht sanft ist,  .  .  .  aufrecht, stolz sich in den nackten Knieen wiegend, 
bairischer belastro – Herr 
Fuchs greift mit der Hand eine nach der anderen heraus, klopft sie mit dem flachen Messer
                        leicht zwei oder drei Mal auf den Kopf, schlitzt ihnen den Bauch auf und legt sie
                        dann nebeneinander auf das feuchte Brett. Da stehen immer Leute herum u. sehen zu,
                        nicht blos Kinder mit ihrer unschuldigen Neugier, die nur wissen will, was da geschieht
                        u. wie es ist, sondern auch junge Mädchen, alte Frauen, lüsterne Juden, in der Tat
                        ist es Lüsternheit, was auf den matten, nur manchmal nervös aufzuckenden Mienen erscheint .  .  .  .  .  Vielleicht fange ich so den Aufsatz über »
Chronik von Dirnau« an. Vielleicht mische ich auch diese mit der 
Cenci u. der 
Elektra zusammen. Vielleicht so, daß ich einen Nachmittag schildere, das laue Nachgefühl
                        des Moorbads, den Blick vom Balkon über diese unendlich frohe vergnügte Gegend, das
                        farbige Treiben der Curgäste, der leichteren 
Ungarn und 
Polen sowie der schwereren und breiteren 
Bajuvaren, und dann ausdrücke, wie wenig doch das furchtbare Bild, das sich u. uns die Dichter
                        vom Leben machen, mit unserer gemächlichen Welt zu stimmen scheint, und mit den Forellen
                        und der Grausamkeit, die da plötzlich über sonst so friedliche Gesichter schießt,
                        schließe, daß doch die tragischen Dichter recht haben.
 
                     Das unendliche Behagen abends, wenn die Sonne sinkt; die Berge beginnen leicht zu
                        erröthen, dann langsam zu verblauen; Dunst aus Schornsteinen, Nebel von der Saalach
                        breitet sich grau über die Wälder; Lichter flammen auf; und nun erklingt leise das
                        Glöckchen von der uralten Kirche, erst tief u. langsam, dann, wenn dies ausgeklungen
                        ist, rasch und hell nachscheppernd. Die katholische Kirche hat ein ungemeines Gefühl
                        dafür, wie durch vom Körper aus die Seele, das Gemüt zu leiten und bestimmen ist. Der Ton des Abendläutens,
                        die Zeit, die Dauer, all dies ist so glücklich gewält, daß es sich, auch für einen Heiden,
                        der niemals vom Katholischen noch gehört hätte, in eine Stimmung der inneren Sammlg
                        umsetzen müßte, die unserer Andacht sehr nahe käme.
                     Immer wichtiger wird mir für den »
Meister« der 
japanische Doctor. Will jener unser ganzes Leben »aus der Vernunft« bestimmen, so verachtet
                        dieser alles, was nicht Instinct ist. »Alles Große läßt sich nicht beweisen«, sagt
                        er einmal. »Groß ist nur, Werte für uns hat nur, Macht über uns hat nur, was sich
                        nicht beweisen läßt, und mit solcher Sicherheit in uns gelegt ist, daß es nicht bewiesen
                        zu werden braucht, u. wir folgen ihm doch.«