28.
                     Pötzl hat gestern im Abzug meines Feuilletons »
Die Kindermörderin« den Satz:
»Das könnte schließlich auch ich für den ›
Reigen‹ geschrieben haben, an Excellenz von 
Körber.«
gestrichen. Ich habe ihn wieder restituiert. Er steht auch heute unverkürzt im Blatte.
                        Ich richte nun an 
Wilhelm Singer folgendes Schreiben: 
 
                     Sehr verehrter Herr und Freund!
                     Ich habe heute an Herrn 
Pötzl ein Schreiben gerichtet, das ich zu Ihrer Kenntnis bringen möchte.
 
                     Es lautet: »
Sie haben mir gestern in meinem Referat über ›
die Kindermörderin‹ einen Satz gestrichen. Ich habe diesen wieder eingesetzt, weil ich Ihnen ein Recht
                        dazu nicht einräumen kann. Um Conflikte zu vermeiden, will ich darüber ein für alle
                        Male folgendes bemerken:
 
                     »Ich schreibe im 
N. W. T. 1.) Feuilletons (was Sie mir ohnedies schon so ziemlich abgewöhnt haben.) 
 
                     2) Kritische Referate.
                     Was jene betrifft, so haben 
Sie, als Redacteur des Feuilletons das Recht, sie anzunehmen oder abzulehnen (aber auch
                        nicht, sie zu verstümmeln und dadurch ihren Sinn zu verändern, wogegen ich, wenn es einmal in einer mir wichtigen Sache geschieht, mich öffentlich
                        verwahren werde.) Was diese betrifft, so unterstehen sie keiner anderen Censur, als
                        der des 
Chefs, da ich als Leiter des Theaterteils mit Ihnen gar nichts zu tun habe. Passt es Ihnen
                        nicht, dass meine Referate zuweilen, was aus rein äusseren technischen Gründen geschieht,
                        unter dem Striche erscheinen, so haben Sie das nur zu sagen, worauf ich sie einfach
                        in den Theaterteil geben werde, den der 
Chef mir zur Redaction übergeben hat, für welche ich nur dem 
Chef allein verantwortlich bin. Ich bitte dies bitte dies für die Zukunft zu bemerken,
                        da ich sonst, aus principiellen Gründen, um die kritische Freiheit zu wahren, mich
                        nicht blos an den Chef, sondern auch an den 
Journalistenbund wenden werde.
 
                     Sie richten das Feuilleton des 
N. W. T. gegen die gesammte geistige Entwicklung unserer Zeit. Ich weiss wenige Dinge, die
                        mir gleichgiltiger wären. Ich störe Ihre dunklen Kreise nicht. Ich lasse mir aber
                        meine Rechte nicht verkürzen. Wollen Sie den Kampf mit mir, so bin ich dazu mit Vergnügen
                        bereit. Bestens H. B.« 
 
                     Lassen Sie mich Ihnen, verehrter Herr und Freund, bei dieser Gelegenheit sagen, mit
                        welchem hohen Genusse ich jetzt Ihr Referat für den 
Congress studiert habe und wie sehr ich mich auf die Debatte freue! In herzlicher Verehrung bleibe ich
 
                     Ihr dankbar ergebener
                     
                     –
                     Wildes prachtvollen »
Der Sozialismus und die Seele des Menschen«, der unsere Grundanschauungen wie in einem mächtigen Credo der ganzen Generation
                        vollkommen und einfach klassisch ausdrückt.
 
                     Nach 
Rodaun. Zum 
Jägerhaus spazieren gegangen.
 
                     Gespräch über Kinder, wobei ich erkläre, weshalb ich kein Kind will: ein wirklicher
                        Vater sein heißt auf sein eigenes Leben um eines künftigen anderen willen durchaus
                        verzichten; ich habe zu viel Gefühl für mein Leben, um das zu können; und doch auch
                        wieder zu viel Gefühl für das Reale (für also dafür, was ein Vater ist), um nicht,
                        wenn nicht ich unbekümmert für mich weiter lebe, immer Reue und ein schlechtes Gewissen zu haben.
                     Über das jüdische Verhältnis von Mann und Frau im Gegensatz zum arischen: dort macht
                        der Mann sie zur Mitwisserin seiner Sorgen, Wünsche, Pläne und es freut sie, ihn klein
                        zu sehen; hier reizt es ihn, sie vor allen Ungewißheiten und Sorgen zu bewahren, zu
                        schützen; es ist sein Stolz, so stark zu sein, daß sie, an seiner Brust verwahrt,
                        eigentlich gar niemals erfahren soll, wie das Leben wirklich ist und die Menschen wirklich sind.
                        Daher hat die Jüdin was Mütterliches, die Deutsche was Kindliches im Verhältnis zum
                        Mann, der sich dort als Vertrauender, hier als Ritter fühlt.
                     Gerty erzält von der Confusion wegen der Waffenübung, da die Erledigung des Gesuchs von
                        
Hugo durch das Commando an den »Lieutenant 
Hofmann« in 
Aussee telegrafiert wurde, wo die Post nicht vermuten konnte, daß dies der Herr von 
Hofmannsthal sei. (Sein bürgerlicher Name ist also Dr. 
Hugo Hofmann von Hofmannsthal).
 
                     Lese abends noch Akt I und II des »
Geretteten Venedig«.