mein lieber Hugo, aus Ihrem Brief muss ich entnehmen, dass unsre Karten von der Reise gar nicht zu Ihnen
gelangt sind. Ich habe Ihnen aus
Venedig (auch
Hans war auf dieser Karte unterschrieben) und aus
Lugano eine (sogar versificirte) Nachricht gesandt. In
Lugano haben wir im
H. d. parc gewohnt, und die liebenswürdige verheiratete
Tochter der Madame
Bèha zeigte uns die »Stätte«, wo Sie zu schreiben pflegten. Was war es nur, das Sie damals arbeiteten? Vom Wetter
waren wir nicht sehr begünstigt; auf dem
Generoso Nebel, Gewitter; in
Varese ein Platzregen, dass wir nicht
bis zum
Grd Hotel gelangten u lieber gleich zurückfuhren. Die andern Seen fielen sozusagen ins Wasser,
was sie doch gar nicht mehr notwendig haben. Vor
Lugano:
Venedig (
Hans zeigte uns einige palazzi, die wir sonst gewiss nicht gesehen hätten), Segelfahrt
nach
Torcello (wenn Sie es nicht kennen, versäumen Sie’s nicht bei nächster
Venezianer Gelegenheit) –
Padua,
Vicenza,
Verona,
Mailand.
Luini, an dem ich (rein körperlich gemeint) vor Jahren vorbeigegangen war, ging mir wundervoll
auf. –
Von »geordneter« Arbeit wäre nichts mitzutheilen. Zumeist beschäftigte mich das sonderbare, oft begonnene, einige Mal beendete, jedes Mal hingeworfene
Junggesellen-Egoistenstück; Sie wissen, dass es zuletzt als Misgeburt zur Welt kam, siamesisch gezwillingt.
Nun scheint der operative Eingriff, der mit Vorsicht unternommen werden mußte, gelungen
– d. h. beide Geschöpfe leben, das eine schwächlich, das andre mit höherer Vitalkraft
begnadet, aber ob sie endgiltig gedeihen werden, ist noch nicht zu sagen. Das eine Kind wird
eben aufgepäppelt.
– Am
Roman geschah nichts weiteres; über eine lustspielartige, moderne Komödie wurde meditirt.
Im ganzen mehr Kunst- und Gedankenspiel als Schaffensintensität. – Mit großem Vergnügen
las ich die
mousquetaires v.
Dumas auf der Reise. Welche Leichtigkeit, welcher Reichtum! Einiger Leichtsinn verzeiht
sich von selbst; und die paar falschen Münzen wirken als machte sich ein Kind
damit einen Spass sie statt echten, die doch da sind, auszustreuen. –
–
Bahr hat mir von Ihren letzten
Plänen erzählt,
Richard, der gestern mit
Paula u
Mirjam bei mir war, desgleichen. Ich wünschte bald zu hören wie weit Sie gediehen sind.
Die
deutschen Schall u Raucher sah ich
vorgestern,
Erdgeist, das Talent, das große
Wedekindesche blitzt meines Erachtens nur selten auf. Vielleicht ernsthaft nur in der Figur des
Dr.
Schön (der einzigen, die wirklich vollendet gespielt wurde
(Reicher).) Das unerträgliche aber an dem Stück ist mir, dass der Humor darin der sich so satanisch
geberdet, nicht viel teuflischer ist als ein weitgereister Commis
als Mephisto auf einem Maskenball, – der mit dämonischen Weibern Champagner zu trinken vermeint
– während es sich um Köchinnen und
Kleinoscheg handelt.– Im ganzen lieb ich Dichter nicht, die ihren Nachlass bei Lebzeiten herausgeben.–
Wie steht es mit Ihren ferneren Sommerplänen? Ich denke etwa um den 10. August nach
Südtirol zu gehen. Mendel,
Campiglio.
Richard will mit – radeln.
Lassen Sie baldigst von sich hören. Wir grüßen Sie und
Gerty herzlichst.