24. 12. 1909
                        
                           
Verehrter Herr Reinhardt!
                        
                      
                     Es scheint mir notwendig, daß die Beziehungen zwischen zwei Menschen auf einem gewissen
                        Niveau, wie zwischen Ihnen und mir, die einander persönlich nicht ohne Sympathie gegenüberstehen,
                        und zwischen denen immer wieder Mißverständnisse auftreten, zu endgültiger Klarheit
                        gebracht werden. Hiezu bietet das letzte Telegramm, das mir 
Kahane in Ihrem Auftrag geschickt hat, einen mehr als passenden Anlaß.
 
                     In diesem Telegramm heißt es, daß ich durch meine Hartnäckigkeit, mit der ich Ihnen
                        das moderne Stück verweigere, deutlich dokumentiere, mir läge nicht sowohl an dauernder
                        künstlerischer Verbindung mit Ihrem 
Theater, als lediglich an der Darstellung dieses außergewöhnlichen Stückes (des »
Medardus«), für das nach meinem eigenen Ausspruche kaum eine zweite Bühne so sehr in Betracht
                        käme.
 
                     Ich meinerseits finde vor allem, daß die Direktion eines Theaters von Rang sich bei
                        der Annahme eines Stückes ausschließlich von der Erwägung dürfte leiten lassen, ob
                        das angebotene Stück sich für die Aufführung an eben diesem Theater eignete oder nicht,
                        nicht aber, ob der Autor durch das Angebot seines Stückes zugleich den Entschluß kundgäbe,
                        eine dauernde künstlerische Verbindung mit diesem Theater einzugehen; Daß junge Autoren
                        bei Annahme ihres ersten Stückes von Seite eines bestimmten Theaters von diesem manchmal
                        verpflichtet werden, ihm auch ihr nächstes oder alle ihre künftigen Stücke vorzulegen,
                        ist mir wohl bekannt. Diese Bedingung widerstrebte mir seit jeher so sehr, daß ich
                        schon im Jahre 1893 bei Gelegenheit der Annahme meines ersten Stückes durch das 
Deutsche Volkstheater auf sie einzugehen mich nicht veranlaßt fühlte.
 
                     Liegt nun gar der Fall so, daß ein Autor seit vielen Jahren mit dem Direktor eines
                        bestimmten Theaters künstlerisch, und menschlich in herzlicher Beziehung steht, so
                        wird er sich bei größter Hochschätzung, die er einer anderen Bühne in gleichen Stadt
                        entgegenbringt, im allgemeinen nur dann zur Überlassung eines Stückes an jene andere
                        Bühne genötigt fühlen, wenn die erstere aus irgendwelchen Gründen für diesmal auszuschalten
                        wäre. Also selbst, wenn der »
Medardus« als ein Stück, das sich vorzugsweise für Ihr 
Deutsches Theater eignet, zugleich das erste und einzige wäre, das ich Ihnen jemals angeboten hätte,
                        hätten Sie absolut keinen Grund, dies als verletzend zu empfinden; um wieviel weniger
                        angebracht muß mir nun aber Ton und Inhalt Ihres Telegramms erscheinen, als die Tatsachen
                        lehren, daß wir schon zu öfteren Malen nicht nur in künstlerischer Verbindung gestanden
                        sind, sondern daß Sie ebenso oft oder noch öfter die Gelegenheit solcher Verbindung
                        mit dem Aufwand größeren oder geringeren Taktes haben vorübergehen lassen.
 
                     Dem Umstand, daß Sie den »
Grünen Kakadu« und »
Abschiedssouper« im 
Kleinen Theater, die »
Liebelei« in den 
Kammerspielen aufgeführt haben, soll hier keine Bedeutung beigelegt werden, da sie vorher von anderen
                        
Berliner Bühnen gebracht worden waren. Auch die Uraufführung des »
Tapferen Cassian« will nicht viel besagen. Ebensowenig will ich auf dem »
Haus Delorme« verweilen, das Ihnen von der Zensur verboten wurde. Die einaktige Komödie »
Zum großen Wurstl« lag Ihnen vor, Sie wollten eine Gelegenheit zur Aufführung abwarten, die indessen
                        nicht erschienen ist. 
1Den »
Schleier der Beatrice« haben Sie zu einer Zeit erbeten, da Ihnen als Direktor des 
Kleinen Theaters mit noch nicht ausreichendem Material die Aufführung keineswegs noch hätte gelingen
                        können. Ich überließ das Stück 
Brahm zu einer Zeit, da Sie das 
Deutsche Theater noch nicht leiteten, später 
ließ ich durch 
Bahr bei Ihnen anfragen, ob Sie den »
Schleier« nicht am 
Deutschen bringen wollten. Sie haben geglaubt davon absehen zu müssen.
 
                     Aber in allen diesen Fällen handelte es sich teils um in 
Berlin schon gespielte, teils um kleinere Werke, und ich will lieber gleich zu einem Fall
                        übergehen, dem größere Beweiskraft innewohnt als den bisherigen. Im Jahre 1905 waren zwei Stücke von mir vollendet: »
Zwischenspiel« und »
Ruf des Lebens«. Ich ließ Sie auch in persönlichem Gespräche, wenn ich nicht irre mit 
Hollaender, wissen, daß ich beabsichtigte, eines von diesen Stücken Ihnen, und das andere 
Brahm zu überlassen. Längere Zeit schwankte ich hinsichtlich des richtigsten Verteilungsmodus.
                        Endlich, insbesondere mit Hinblick auf die damals bei Ihnen engagierte 
Sorma, die eine wundervolle 
Cäcilie gewesen wäre, entschloß ich mich, Ihnen das »
Zwischenspiel« zu übersenden. Ein Telegramm vom 31. August bestätigte den Empfang des Manuskriptes
                        und bat mich zugleich dringendst, die prinzipielle Entscheidung aufzuschieben. Für
                        mich, der das andere Stück indessen 
Brahm übergeben hatte, sowie Ihnen das »
Zwischenspiel«, bestand natürlich keinerlei Anlaß, ihm das Stück wieder wegzunehmen, um Ihnen,
                        der das ihm eingereichte Stück noch nicht einmal gelesen hatte, die Wahl zwischen
                        beiden Stücken freizustellen. Ich ersuchte also um Erledigung der »
Zwischenspiel«-Angelegenheit. Trotz wiederholter Urgenzen erfolgte die Erledigung nicht. Mir blieb
                        endlich nichts übrig als wenigstens die Rücksendung des Manuskriptes von Ihnen zu
                        verlangen, die mit der üblichen Verspätung erfolgte, worauf ich das Stück natürlich
                        auch dem 
Lessingtheater übergab. Schon kurze Zeit nachher wurde mir aus 
Berlin das Gerücht zugetragen, nicht etwa, daß ich Ihnen das »
Zwischenspiel« eingereicht, daß Sie sich nicht entschieden, daß ich endlich das Manuskript zurückverlangt,
                        sondern, daß Sie die Komödie refusiert hätten. Wo dieses Gerücht seinen Ursprung nahm
                        zu untersuchen ist überflüssig.
 
                     Seit dem Jahre 1905 war ich mit einer größeren dramatischen Arbeit nicht mehr in die Öffentlichkeit getreten.
                        Nach der 
Wiener Aufführung der »
Komtesse Mizzi« bewarben sich außer 
Brahm zwei andere 
Berliner Theater um das Aufführungsrecht, ich überließ sie zu angemessenen Bedingungen an
                        
Brahm. Es lagen überdies vor: der »
Schleier der Pierette«, Pantomime mit Musik von 
Dohnanyi, der »
Tapfere Cassian«, Singspiel mit Musik von 
Oskar Straus. Diese beiden kleinen Werke waren Ihnen zugedacht, wie Sie wissen. Über den burlesken
                        Versuch 
Kahanes mich, oder meine Unverläßlichkeit dafür verantwortlich zu machen, daß Ihnen zu mindesten
                        das Erstaufführungsrecht der beiden Sachen entging, ist umso weniger ein Wort zu verlieren,
                        als eine gemeinschaftliche Aufführung der beiden kleinen Werke gerade in den 
Kammerspielen durchaus in meinem Interesse gelegen wäre, daß ich eine solche Zusammenstellung stets
                        auch für das künstlerisch Richtigste hielt, eine Meinung, die ich sowohl den beiden
                        Komponisten als 
Sliwinsky und 
Herzmansky gegenüber vertrat, – und als ferner feststeht, daß zu der entscheidenden Zeit weder
                        
Dohnanyi noch 
Oskar Straus es erreichen konnten, von Ihnen empfangen zu werden. (Daß, wie ich von dritter Seite
                        höre, Sie sich in den letzten Wochen wieder um die Erwerbung der 
Pantomime bemüht haben, gehört nicht hierher.)
 
                     Nach alldem kann es wohl nur einer sehr zweckbewußten Vergeßlichkeit in den Sinn kommen,
                        mich als einen Autor hinzustellen, dem es an Neigung fehle, mit Ihnen in eine künstlerische
                        Verbindung einzutreten. Aber sehen wir einmal, inwieweit der Fall »
Medardus« allein geeignet sein könnte Inhalt und Ton Ihres letzten Telegrammes zu rechtfertigen.
 
                     Am 30. Juli telegraphierten Sie mir, daß Sie durch 
Trebitsch erfahren hätten, ich habe ein 
neues Werk vollendet und erbitten Einsendung oder ein zusagendes Wort. Ende August fahre ich nach 
München, lese Ihnen und zweien Ihrer Dramaturgen den »
Medardus« vor. Sie erklären sich im Prinzip bereit, das Stück zu spielen, wenn wir uns über
                        die bei der beträchtlichen Länge des Werkes notwendigen Striche einigen sollten. Von
                        irgend einer anderen Bedingung, insbesondere der Überlassung eines zweiten Werkes,
                        war nicht die Rede. Am Abend unseres letzten Zusammenseins in 
München erwähne ich Ihnen gegenüber, daß ich auch ein modernes 
Stück vollendet habe und frage scherzend, ob Sie 
Brahm nicht den 
Bassermann leihen könnten, der mir für die Hauptrolle sehr wichtig wäre. Sie fragen, ob die
                        anderen Rollen bei Ihnen nicht auch zu besetzen wären. Ohne dies zu verneinen erwähne
                        ich doch, daß ich ungern mit einem modernen Stück von 
Brahm schon aus Rücksicht auf mein persönliches Verhältnis zu ihm wegginge. Ich frage Sie
                        weiter, ob es Ihre Absicht sei und ob Sie wirklich Lust hätten den »
Medardus« aufzuführen. Sie bejahen es aufs Lebhafteste, erwähnen wohl, daß Sie in der heurigen
                        Saison kaum Platz für dieses Stück hätten, erörtern wie schon an früheren Abenden
                        gewisse Besetzungsfragen und wiederholen ausdrücklich, daß es nur auf die Einigung
                        über die Striche ankäme, um die Sache perfekt zu machen. Wir einigen uns an diesem
                        Abend, daß ich diese Strichvorschläge nicht schon in acht Tagen, wie am Vorlesungsabend
                        selbst bestimmt worden, sondern in vierzehn Tagen in Händen haben sollte. »Diesmal
                        werden wir hoffentlich kein Pech miteinander haben«, sagte ich beim Abschied mit Anspielung
                        auf eine Äußerung, die Sie meiner 
Schwägerin gegenüber über unser bisheriges künstlerisches Verhältnis gemacht haben sollen.
 
                     Am 12. September nach Ablauf der 14 Tage telegraphiert mir 
Kahane, er habe im Rummel der 
Münchner Arbeit (man denke!) an meinem 
Stück gelesen, habe sich Strichvorschläge notiert, bittet, da auch die anderen das Stück
                        lesen wollen, um Fristverlängerung von acht Tagen und zur Beschleunigung um noch einen
                        Bürstenabzug.
 
                     Die Frist wird gewährt, der zweite Abzug gesendet. Am 24. erhalte ich Ihr Telegramm,
                        das die prinzipielle Geneigtheit ausspricht, den »
Medardus« in nächster Saison zu spielen, unter der Voraussetzung, daß wir uns über die Striche
                        einigen. Wir stehen also genau dort, wo wir am Abend nach der Vorlesung gestanden
                        waren. Sie senden mir keine Strichvorschläge, hingegen erbitten Sie sich das moderne
                        
Stück zur Lektüre, das Sie eventuell schon in dieser Saison mit 
Bassermann spielen könnten.
 
                     Ich erkläre Ihnen am 25., daß ich Ihrer Frage über das moderne Stück nach Erhalt eines
                        Vertrages über »
Medardus« unverzüglich nähertreten werde und erbitte möglichst rasche Einsendung der Strichvorschläge.
                        Am 9. Oktober muß ich Sie wieder darum ersuchen, am 16. kommen beide Abzüge, der eine
                        unverändert, der andere mit Ihren Strichvorschlägen und vorher noch das telegraphische
                        Ansuchen um Einsendung des modernen Stücks. Ich schicke Ihnen in Erwiderung ein Exemplar
                        des »
Medardus« mit meinen für das 
Burgtheater gemachten Strichen und stelle neuerdings fest, daß ich einer Frage über das moderne
                        
Stück vor Erledigung der »
Medardus«-Angelegenheit nicht näherzutreten gedenke. Sie wiederholen hierauf Ihr Telegramm
                        vom 24. September und halten es für zweifellos, daß wir uns in Hinsicht auf die Striche
                        vollkommen verstehen und einigen werden.
 
                     Die Striche liegen Ihnen vor, ich verlange nichts als immer wieder endgültige Entscheidung
                        über den »
Medardus«. Sie erklären sich am 20. bereit über beide 
Stücke sofort nach Einsicht in das moderne 
Stück Vertrag zu machen. Ich lehne am 22. die Verquickung beider Angelegenheiten nochmals
                        auf das Entschiedenste ab und ersuche Sie am 30. Oktober, nach einem neuerlichen Versuch
                        Ihrerseits mich zu einem Doppelvertrag zu veranlassen, mir entweder den Vertrag über
                        »
Medardus« oder das Manuskript zu schicken. Ich teile Ihnen am 10. November neue Streichungs-Vorschläge
                        mit, am 30. November wiederhole ich mein Ersuchen um Einsendung des Manuskriptes oder
                        des Vertrags, am 7. Dezember kommt Ihr Telegramm: Ihr Entschluß meine dramatische
                        
Historie zu spielen sei unverändert, wenn ich Ihnen im Vertrag Vorrecht auf mein modernes
                        
Werk einräume; darauf verlange ich mein Manuskript zurück und die Beleidigten sind Sie.
                        In 
München dachten Sie noch gar nicht daran oder sprachen es wenigstens nicht aus, daß Sie die
                        Annahme des »
Medardus« von der Überlassung eines zweiten Stückes (wenn auch nur zur Lektüre) abhängig machen
                        wollten und unsere Verhandlungen enden damit, daß Sie auf die Aufführung des »
Medardus«, die zuerst ausschließlich von unserer Übereinstimmung hinsichtlich der Striche
                        abhängig schien, nach Erzielung dieser Übereinstimmung verzichten, weil ich Ihnen
                        nicht vertragsmäßig ein Vorrecht über ein zweites Stück einräume. Die Sache ist nur
                        ein klein wenig zu verdrießlich, um nicht ausschließlich komisch zu sein. Nur der
                        Ordnung wegen und um auch an diesem Fall Ihren charakteristischen Verhandlungsstil
                        aufzuzeigen, habe ich dies alles rekapituliert. Was mir übrig bleibt, um nach keinerlei
                        Richtung auch nur die geringste Unklarheit bestehen zu lassen, sind einige Worte über
                        die Absichten, die ich mit meinem modernen 
Stück gehabt habe. In meinem Brief vom 25. September d. J. – es erscheint mir notwendig,
                        dies noch :einmal zu wiederholen – habe ich ausdrücklich erklärt, Sie würden mich
                        ohne Verzug bereit finden Ihrer Anfrage wegen des modernen Stückes, das ganz vollendet
                        wäre, mit dem ich bisher nichts unternommen und mit dem ich bis 15. Oktober nichts
                        unternehmen würde, näher zu treten, sobald Sie mit einen bindenden Vertrag über den
                        »
Medardus« gesandt hätten. Sie haben natürlich diesen 15. Oktober verstreichen lassen und ich
                        war somit jeder Verpflichtung enthoben, auch nur Ihrer Frage näherzutreten. Trotzdem
                        war ich auch noch lange nach dem 15. Oktober, selbstverständlich aber nur nach Erhalt
                        eines Vertrages über den »
Medardus«, wie ausdrücklich in jenem Brief vom 25. September zu lesen stand, bereit, nicht
                        etwa Ihnen das moderne 
Stück zur Lektüre zu senden, was mir nach meinen »
Zwischenspiel«-Erfahrungen unklug erschienen wäre, sondern nach 
Berlin zu fahren und Ihnen dieses moderne 
Stück vorzulesen. Sie wollen etwa versuchen das zu bezweifeln. Ich will kein ethisches
                        Moment herbeiziehen, um Ihnen das zu verbieten, sondern appelliere einfach an Ihren
                        gesunden Menschenverstand. Überlegen Sie doch nur: was hätte mich veranlassen sollen,
                        ein fertiges Stück, für das mir außer Ihrem 
Theater immerhin noch einige andere zur Verfügung standen, im Pulte zurückzubehalten, wenn
                        es nicht meine Absicht gewesen wäre – selbstverständlich immer nach Erledigung der
                        »
Medardus«-Angelegenheit – mit Ihnen darüber zu verhandeln? Ja sogar bis in die letzte Zeit
                        habe ich neben verschiedenen anderen Eigenschaften, auf die es in diesem Falle ankam,
                        auch Ihre Voraussicht so sehr überschätzt, daß ich noch vor wenigen Wochen auf dem
                        
Semmering Brahm gegenüber äußerte, ich gedächte das moderne 
Stück für den Fall, daß zwischen mir und dem 
Deutschen Theater der »
Medardus«-Vertrag zustande käme, insbesondere mit Rücksicht auf die 
Bassermann-Rolle, das moderne 
Stück im Feber bei Gelegenheit meiner Anwesenheit in 
Berlin anläßlich der »
Anatol«-Premiere, Ihnen vorzulesen. Denn wohl, auch dies sei hier ausgesprochen, hätte ich
                        über dieses moderne 
Stück bei eventueller Annahme des 
Stücks durch Sie einen Vertrag geschlossen, aber er hätte erst rechtsgiltig werden dürfen
                        nach Aufführung des »
Medardus« am 
Deutschen Theater. War es schon auffallend genug, daß Ihnen bereits Ende August eine Aufführung des
                        »
Medardus« in der beginnenden Saison kaum möglich schien, daß Sie das ganze Jahr schon besetzt
                        haben wollten, obwohl Sie ja Stücke akzeptiert haben zur Aufführung in dieser Saison,
                        die Ihnen erst nach dem »
Medardus« übergeben wurden, so ließ Ihr ganzes Verhalten in unserer Angelegenheit immer mehr
                        die Annahme berechtigt erscheinen, daß Ihnen der »
Medardus« nicht so sehr durch sich selbst, denn als ein Mittel zur Erlangung eines modernen
                        
Bassermann-Stückes wertvoll wäre. Dies aber, mein lieber Herr Reinhardt, habe ich nicht nötig.
                        Dazu ist mir der »
Medardus« zu schade und ich selbst. Ja, Sie werden es sogar ohne weiteres begreiflich finden,
                        daß mir durch diese neueste Erfahrung mit den Gepflogenheiten Ihres Büros auf lange
                        Zeit die Lust genommen ist, mit Ihnen in künstlerische oder geschäftliche Verbindung
                        zu treten. Es muß schon wahr sein, Sie haben Pech mit mir. Aber es sollte Ihnen doch
                        zu denken geben, lieber Herr Reinhardt, daß gerade Sie immer mit mir Pech haben.
 
                     Ich weiß nicht, ob Sie irgend einmal in einer ruhigen Stunde das Bedürfnis haben werden
                        nicht etwa mir zu erwidern, denn auf Tatsachen gibt es keine Erwiderung, aber sich
                        auszusprechen. Jedenfalls bleibt es Ihnen überlassen und hat mit meiner fortdauernden
                        Schätzung Ihrer Talent nichts zu tun. Doch sei hier gleich zur Vermeidung fernerer
                        Mißverständnisse mit Entschiedenheit vermerkt, daß ich Brief von anderer Seite als
                        von Ihnen, dem mir einzig verantwortlichen Direktor des 
Deutschen Theaters und der 
Kammerspiele in Berlin, als empfangen zu betrachten keineswegs in der Lage wäre.
 
                     Leben Sie wohl, lieber Herr 
Reinhardt, es tut mir leid.