ich tue wohl am besten, Ihnen den schon geraume Zeit unbeantwortet bei mir liegenden
Brief der
Akademischen Bühne zu übermitteln und Ihnen die Entscheidung zu überlassen. Ich weiß nicht, ob es irgendeinen
Vorteil bedeutet, die Premiere des
Anatol der
Akademischen Bühne vorzubehalten. Sie kennen die Verhältnisse besser und sagen mir ein Wort, was ich
den Leuten zu antworten hätte.
Die fünf verschiedenen Weiber in den
fünf Szenen erwünsche ich mir nicht von wegen Steigerung der Illusion, sondern nach meiner von
Ihnen besser im Gedächtnis behaltenen als anerkannten Theorie, zur Erhöhung des Theaterspaßes,
der im letzten und höchsten Sinne auf eine Entfesselung der Ideenassoziation hinausläuft.
Von jeder der fünf weiblichen Figuren soll, wenn irgend möglich, eine neue Kette (der
Assoziationen) auslaufen, dagegen soll möglichst vermieden sein, daß vielleicht von
Szene 4 oder 5 die Assoziationskette statt ins Freie und Neue nach Szene 1 oder 2
oder 3 zurückliefe. Auf der Beachtung solcher scheinbarer Kleinigkeiten beruht ein
nicht geringer Teil aller Theaterwirkung, was ich Ihnen gern in einem längeren und
lichtvollen mündlichen Vortrag allem Lächeln zum Trotz auseinandersetzen zu können
mir einbilde. Eine andere Theaterwirkung ließe sich erreichen, wenn man alle fünf
Weibsen von einer Komödiantin darstellen ließe. Die Freude an der Verwandlungskunst
dieser einen würde in diesem Fall das Vergnügen am Wechsel der Gestalten zu ersetzen
oder, wenn diese eine ein Genie wäre, zu überbieten vermögen. Aber ich glaube, es
wird Ihnen leichter sein, zu
Triesch,
Wüst,
Orloff,
Herterich eine fünfte zu finden, als aus einer dieser vier, selbst aus dem enormen Talent der
Triesch, ein Genie zu machen.
Reicher–
Max gewiß das Beste. Ich dachte sonderbarerweise gar nicht an diese Möglichkeit. Es freut
mich sehr, daß Sie sich mit der
Anatol-Idee so herzlich befreundet haben. Das Ganze läßt sich gewiß gerade in der Aufeinanderfolge
hübsch inszenieren und Szene für Szene fein aufeinander abstimmen.
»
Gefährtin« natürlich mit besonderem Vergnügen einverstanden.
Sauer wäre außerordentlich. Und sie? Die
Triesch, nicht wahr? Der andere –
Stieler? Auch die drei Perzent lassen keinen Einwand zu, und das »
Hannele« ist (und wäre mir auch mit neun Perzent) eine Gefährtin, die ich beträchtlich höher
schätze als die so benannte. Sehr lustig stelle ich mir ja den Abend nicht vor, aber
für Lustigkeit haben Sie heuer ja genügend gesorgt (womit Sie wiederum mein
sinistres Schweigen über »
Das Konzert« als gebrochen erachten mögen).
Sie werden diesem Brief vielleicht gar nicht anlesen, daß ich gestern von einer Doppelbergtour
oder Bergdoppeltour auf Schneeberg und Hohe Wand mit einem ordentlichen Hexenschuß zurückgekehrt bin. Hiemit hab ich den
menschenfeindlichen Alpenkönigen mein Opfer dargebracht, und in etwa 8 Tagen fahren wir alle nach
Wien zurück. Ich aber begebe mich bald darauf nach
München, wo ich
Reinhardt (der mich in einem zärtlichen Telegramm darum gebeten hat) mein
Ausstattungsstück mit Gesang und Tanz auf einem Vulkan vorzulesen gedenke. (Die Notiz, die Sie nicht
gelesen haben und die schon durch zahlreiche Blätter gegangen ist, besagte, daß »
Der junge Herr Medardus« an der
Burg mit
Hartmann und der
Witt, am
Lessingtheater mit
Monnard und der
Triesch in den Hauptrollen am gleichen Tag aufgeführt werden soll.) Meine Änderungen am »
Jungen Medardus« hab ich (vorläufig) abgeschlossen, und die Fahnen sind mir von der Druckerei versprochen
– bisher hab ich noch keine Zeile erhalten. Seien Sie herzlichst gegrüßt, auch von
meiner
Frau, der es sehr gut geht, gerade so wie
Heini.