an Ihrem guten und lieben Brief stört mich nur die Nachricht, wie viel Arbeit Sie
sich jetzt zumuthen wollen. Deshalb wünsche ich für Sie sosehr den äußeren Erfolg,
den Sie als Künstler vor sich selbst und vor uns gewiss nicht nothwendig haben, damit
sich die Perspectiven, in denen Sie selbst und Ihr
Vater Ihr äußeres Leben, Ziele, Pflichten
, und Stil der Lebensführung, anschauen, endlich ändern. Vorläufig ist es ja sehr gut,
dass Sie nachts schaffen und so reich und lebhaft aufnehmen können, wie Ihre
Hebbeleindrücke dies zeigen. Gewiss ist
Hebbel ein sehr großer, tiefer und reicher Geist, mit den innerlichsten und eindringendsten Anschauungen vom Wesen der Naturdinge und des Menschen, aufwühlend und anregend wie
keiner sonst, sodass sich einem die geheimsten, sonst erstarrten inneren Tiefen regen
und das eigentlich Dämonische in uns, das naturverwandte, dumpf und berauschend mittönt.
Eine Überschrift bei
Goethe irgendwo: »
Urworte, orphisch« suggeriert mir immer den Duft der Poesie
Hebbels.
Papa ist befriedigend wohl und grüßt Sie,
Bahr und
Salten.
Ich habe mich vor einer gewissen inneren Öde und Abspannung in die
Tragödie gerettet; eine 5 actige
Renaissancetragödie, dramatisierte Novelle, äußerlich im Stil von
Romeo u. Julie, für die wirkliche brutale Bühne gearbeitet, mit großem, schlankem Aufbau und grellen Farbenflecken, Freskotechnik; ich hoffe vorläufig
noch genug lebendige Psychologie in mir zu haben, um das große Gerippe mit lebendigem
Fleisch zu umkleiden; ich arbeite ohne Scenarium, mit einzelnen, suggestiven Notizen;
geschrieben habe ich bis jetzt ein paar Scenen aus dem 2
ten und eine aus dem 5
ten Act; das ist zwar nicht viel aber ich sehe alles andere recht deutlich und arbeite
leicht. Was mich lockt und worauf ich eigentlich innerlich hinarbeite, ist die eigenthümlich
dunkelglühende, dionysische Lust im Erfinden und Ausführen tragischer Menschen in
tragischen Situationen; diese Lust, deren symbolisches Aequivalent etwa das Anhören feierlicher, prunkvoll-trauriger Musik ist oder das Anschauen mancher Bilder der
Renaissance, mit dunkelgoldnen Panzern und blassen schönen Profilen auf sehr finsterem
Grund. Es wäre sehr schön, wenn Octobernachmittage würden, mit diesen zwei Lesepremièren.
Wie weit ist die Familie?
Richard schreibt mir, ungern und nur weil er von
Papas Krankheit gehört hat; er ist verstimmt, arbeitet aber doch an einer seiner Novellen.
Wann ist Ihre Waffenübung? was ist es mit der Verlagsanstalt für
Anatol? lassen Sie sich doch ja nicht durch ganz gleichgiltige Misserfolge vom Weitersuchen
abschrecken. Bitte, schreiben Sie mir bald, Briefe bekommen ist hier das lustigste.