liebe, gestern war Frau 
Stößler bei uns, – hat den 
Kindern deine Nikolo Bonbons gebracht (
Heini war nicht zu Haus, hatte eine Schauspielerversammlung, die Existenz der 
Wanderbühne schien etwas bedroht zu sein), – sie wird dir indess selbst berichtet haben, wie
                        sie 
Lili gefunden hat (die gerade ihre französische Stunde hatte.) Sie hat mir einen höchst sympathischen Eindruck gemacht; im äußern erinnerte sie mich ein bischen an
                        
Alma. Von dieser hör ich übrigen durch die 
Hofrätin, die eben aus 
Paris zurückgekommen ist, daß sie eine Kieferoperation überstanden hat und daß 
Werfel von 
Prag aus zu ihr nach 
Weimar (oder 
Berlin) gereist ist; jetzt soll es ihr wieder gut gehn, du wirst wohl directe Nachrichten
                        haben. –
 
                     Seit ein paar Tagen sind 
Heinrich Manns hier, wohnen bei 
Menczels, sie waren Sonntag bei mir, gestern war ich nach dem Nachtm bei 
Saltens mit ihnen zusammen, wo 
Mimi odaliskenhaft auf dem Divan lag. Sie hat bereits ein wenig mit 
Heller und mit 
Wildgans krakehlt und wirkt auf den freundlichen Beurtheiler etwa als eine rituelle 
Christiane. (Während ich diesen Satz niederschrieb, hat sie mir telefonirt wegen Generalprobe
                        und Première und dem darauffolgenden Nachtmahl bei 
Menczels.) Der Theaterstrike ist beendet (vorläufig); die Premiere der 
Leb. Std. für Mittwoch den 7. festgesetzt. Besetzg: 
Heinrich, 
Remigio Rademacher Gilbert spielt 
Onno; – 
Forest den 
Weihgast und 
Hausdorfer; – ein sehr anfängerhafter aber begabter Herr 
Jordan den 
Leonardo; 
Novotny den 
Jackwerth, 
Lackner den 
Clemens; – die 
Wagner Paola; – die 
SteinsieckMargarethe. 
Schulbauer Regie. – 
 
                     – Zufälligerweise hab auch ich kürzlich den 
Roman comique von 
France wiedergelesen (im Original), und gleichfalls mit einer ganz gelinden Enttäuschung
                        – vielleicht nur in dem Sinn, daß er mir in der Erinnerung fülliger, reicher, romanhafter
                        verblieben war und mir nun als eine episodisch vorzüglich ausgestattete Novelle (hohen
                        Rangs) erschien. In den letzten Tagen las ich, innerlich bewegt, das 
Buch von Bode über GoethesSohn. – Mit 
Hauptmann gehst du glaub ich zu streng ins Gericht. Allerlei bochiges zugegeben, – wie viel
                        deutsches im schönsten Sinn! Ich las eben den 
Peter Brauer – kein Drama, gewiß nicht; eine Anekdote; – aber quellend von Saft; – und jede Gestalt
                        wahrhaft lebendig, – keine, auch die geringste nicht »Figur« geblieben. Das was die
                        Gestalten dann treiben,bleibt einem ja zuweilen gleichgiltig, – aber wie sie dastehen, ist Freude genug.
                        – Von meinen »Arbeiten« möchte ich erst reden, wenn sich ein würdiger objectiver Anlaß
                        und ein tiefes subjectives Bedürfnis einstellt. So weit bin ich heute noch nicht.
 
                     Daß ich 
Bahr heuer in 
Salzburg nicht sehen konnte hat mir leid gethan; ich kann mir wohl denken, wie viel dir der
                        Umgang mit ihm gibt; er ist ein fascinirender Mensch soweit er »Gegenwart« im weitesten
                        Sinn bedeutet; hätt er zu all seinen Gaben noch die »Sachlichkeit«, so wär er einer
                        der größten Schriftsteller (nicht Dichter), die 
Deutschland je besessen hat; – nur wär er eben mit »Sachlichkeit« überhaupt ein ganz andrer –
                        und wahrscheinlich doch kein so merkwürdiges Individuum, als er’s nun durch das ist,
                        was wir vielleicht fälschlich als seine Fehler empfinden. (Der 
Meister, den ich jetzt mit 
Klöpfer gesehn, hat diesmal stärker auf mich gewirkt als seiner Zeit mit 
Rittner.) – Von der 
Mildenburg, wie überhaupt von 
München wirst du mir wohl schreiben. – 
 
                     Die 
Hajek Feier im 
Spital war sehr gelungen; am Samstag gabs noch ein Bankett im 
Hotel de France, wo noch viel mehr und auch vielfach humoristisch geredet und getoastet wurde; in
                        
Hajeks Antwort war mir ein bischen zu viel Stolz auf die zerissenen Sohlen von einst. Aber
                        im ganzen hat er sich vortrefflich gehalten und seinen Ruhm – wenn auch nicht gerade
                        wie eine Schuhschnalle – doch mit aller Würde getragen. –
 
                     Ein kleines Nikolo hab ich dir an die 
D. B. geschickt.
 
                     – Heute Abend bin ich mit 
Raphael Schermann zusammen, bei seinem Biographen 
Max Hayek (den ich s. Z. bei der 
Pattak kennen gelernt habe. –)
 
                     Garda Kaufm. hat mir gestern telefonisch allerlei komisches vom 
Reigenprozeß erzählt; sie war in 
Berlin und hat einen Vcrhandlungstag mitgemacht. Das 
Weite Land war (mit 
Korff) ein großer Erfolg; 
Rotters haben mir gleich um drei weitre Stücke telegrafirt (
Liebelei, 
Zwischenspiel, 
Eins. Weg.) – 
 
                     Daß dir Frau 
Lichtenst. nicht gleich oder noch nicht geantwortet, darfst du in keiner Weise wichtig nehmen; – als Correspondentin ist sie nicht
                        sehr verläßlich; – ich habe heuer den ganzen Sommer hindurch (sowohl vor als nach
                        
Aussee) nicht eine Zeile von ihr bekommen. –
 
                     leb wohl und sei herzlichst gegrüßt.
Arthur