liebe, zuerst will ich dir deine mediz. Fragen beantworten – zu größerer Sicherheit hab ich
                        eben den 
Mediz.Rath telef. gefragt: also rohes Obst lieber nicht mit den Tropfen zugleich; – höchstens
                        ein Pfirsich oder weiche Birne; Compot natürlich soviel’s beliebt. Aussetzen der Tropfen
                        
nicht notwendig. – Was du mir von der 
Mildenburg erzählst, war mir sehr interessant, und ich bin schon sehr gespannt, was sie zu deinem Gesang äußern wird. Ob sie auch
                        in deinem Concert war? – 
 
                     Gestern war ich nach langer Zeit wieder einmal bei 
Popper. Er hat 
Verlegeraerger und leidet unter der Epoche mehr als je. Das bolschewistische Säuglingspack kommt
                        noch immer schaarenweise und er ist nach wie vor entsetzt über das Maß von Bildungsmangel,
                        Unlogik und Bösheit in diesen jugendlichen Schädeln. Doch entschließt er sich nicht
                        zu oeffentlicher Abwehr; – er traut sich die schriftstellerische Leistung
sfähigkeit nicht mehr zu; – seit ¾ Jahren fühlt er, der Zweiachtzigjährige, sich alt werden.–
                        –
 
                     Zu Himbeerwasser und Bäckerei fanden sich Nachmittag 
Fritz u 
Trude Z. ein, – 
Hofrätin ist in 
Turin jedenfalls schon eingetroffen. Um 6 erschien 
Fried; er und 
Salten nachtmahlten bei mir; – nachher kamen 
Leo, Frau 
Lorle Tressler (nach telef. Verständg zwischen ihr und 
S.) – und 
Unruh. (Frau 
E. hatte erfahren, dss 
S. bei mir nachtmahlt.) 
U. war früh, nach 5tägiger Reise eingetroffen; – sah sehr »Wandersmann« aus; – gebräunt,
                        massig, touristisch angethan; höchst durchgearbeitetes Gesicht, wie nach dem Marmor
                        verlangend, kaum mehr jünglingshaft, fast hart, gehetzt aber beherrscht; – in der
                        Gesamterscheinung einleuchtend aber nicht einfach erfreulich. Sehr erfüllt von Arbeit,
                        aus der er kommt und in die er geht; – seine Gefühle von Sendung und 
von Carrière 
×××××××××××××××××××× durcheinandergewirrt und stetig wach. Frau 
Tr. goß sich auf ein Streck
fauteul (die Scene spielt auf der Veranda) und war bildschön; er (seinerseits) tritt täglich
                        in einem Varieté auf, wohnt daher im 
Bristol – und nicht im 
Cottage (wo vor ein paar Tagen kurz nach zehn ein 
Arzt 
×××××××××× auf der Straße (irgendwo in unsrer Nähe, erzählt 
Leo) beraubt wurde. Die Dunkelheit 
in unsrer Gegend ist übrigens wirklich unwahrscheinlich) –
 
                     Heute Vormittag 
General Probe. Vor dem 
Theater Julius Bauer und Ehepaar 
E. Bauer war aus 
Ischl per Auto hergefahren, mit irgd einem Großindustriellen. (Kosten einer solchen Fahrt zehntausend Kronen.) Frau 
E. nahm mich auf die Seite – 
Unruh habe ihr erzählt – 
S. sei gestern Abend bei mir sonderbar kühl zu ihm gewesen! – ich erklärte, er habe
                        seine Wärme für Frau 
Lorle verwenden müssen; – aber das beruhigte Frau 
E. noch nicht – denn auch 
Marco Brociner, man denke, habe sich über »die Tragoedie« nicht durchaus zustimmend 
ausgesprochen  .  .  .  u. s. w. – Auf deinem Platz saß Frau 
Alma, war also meine Nachbarin; der 
Kleinen gehts schon recht gut – sie werden nun eine Weile in der 
Elisabethstraße wohnen – 
ganz ohne Bedienung; 
Alma selbst wird das Essen aus dem Gasthaus holen (?) – Dann wieder auf den 
Kreuzberg, und ich solle zu ihr kommen. Worauf der Vorhang aufging. – Außer der 
Bleibtreu mäßige oder schwache Darstellung. 
Schott anfangs sehr gut, dann eintönig; der kleine 
Thimig unmöglich, fast lächerlich; die 
Mayen gut sprechend aber in ihren blutschänderischen Gelüsten nicht glaubwürdig oder wenigstens
                        nicht appetitlich genug. – In der Inscenirung manches gute, manches gar zu absichtsvoll einerseits im stilisirten anderseits im realistischen. Daß diese
                        Tragödie von einem Hauch von Größe umweht wird – ist zweifellos – als Kunstwerk ist
                        sie nicht wohlgerathen: keine Klarheit der Linie, viel Praetension, mancher hysterische
                        Zug. Die Vision fast immer schon oder bedeutend; das gedankliche 
××××××× oft nebelhaft 
und wirr der Ausdruck, der Vers zuweilen mehr künstlich gesteigert als von Seelenkraft 
gehoben. – Ich sprach nachher niemanden als den Grafen 
Mensdorff; – da ich gleich von den 
E.s beschlagnahmt wurde;– 
Unruh war unsichtbar und blieb es –; ich machte aus meinen Bedenken insbesondre wegen der
                        Aufführung kein Hehl, betonte natürlich sehr, was man auch in aller Aufrichtigkeit
                        thun darf – das Eigenartige und atmosphärisch bedeutungsvolle d
es Stücks – das ja vielleicht, in Verbindg mit den zwei nächsten dazugehörigen eine 
Komoedie u einem 
Schauspiel sich dem Verständnis besser erschließen wird.