An welchem Tag ich ihn persönlich kennen gelernt habe, weiss ich nicht mehr.
                     Die erste Verbindung knüpfte sich an, als ich ihm den Einakter »
Alkandis Lied« einreichte, dessen Aufführung 
Sonnenthal zur Zeit seiner Direktionsführung 
oberflächlich in Betracht gezogen hatte. 
Burckhard, den ich damals persönlich noch nicht kannte, antwortete liebenswürdig, eigenhändig
                        und ablehnend.
 
                     Als die 
Wiener freie Bühne gegründet wurde, dachte man an irgend ein Wechselverhältnis zwischen dem 
Burgtheater und der 
Freien Bühne, dessen genauere Modalitäten mir nicht mehr erinnerlich sind. Ich weiss nur mehr, dass man das »
Märchen« von Seite der 
Freien Bühne dem 
Burgtheater überreichte und der Refus 
B.’s (wieder eigenhändig) gerade an dem 
selben Tag zu meiner Kenntnis gelangte, als eine etwas schwächliche öffentliche Veranstaltung
                        an dieser 
Freien Bühne im kleinen 
Sophiensaal stattfand, bei der 
Devrient und 
Reimers die Gedichte junger Autoren (darunter auch solche von mir) vorlasen.
 
                     Kurz nachdem die »
Liebelei« beendet war entschloss ich mich sie dem 
Burgtheater einzureichen. Anfangs hatte ich nur ans 
Volkstheater und ans 
Raimundtheater gedacht, erst 
Hofmannsthal fand, dass das Stück wohl im 
Burgtheater gespielt werden könnte. 
Am Morgen, da ich das Haus verliess, um das Stück persönlich in der Direktion zu überreichen, sah ich 
Burckhard vor mir auf der Strasse, (er wohnte damals 
im selben Hause wie ich). Als ich ihm mein Ziel bezeichnete, nahm er das Stück gleich an sich und
                        erklärte, es auf seiner eben bevorstehenden Reise nach 
Berlin lesen zu wollen. 
Etwa zwei Tage später finde ich Abends beim Nachhausekommen ein 
Telegramm, in dem er mir zu dem Stück gratuliert und sich vorbehält in 
Wien alles nähere, hauptsächlich hinsichtlich zu erwartender Zensurschwierigkeiten zu
                        besprechen. Ein 
paar Tage darauf in seiner Wohnung erklärt er es als unumgänglich notwendig, dass Frau 
Hohenfels die 
Christine spielt. »Wenn die nicht will, kann ich’s überhaupt nicht spielen. Die 
Reinhold, die piepst zu viel.« Frau 
Hohenfels refusiert die Rolle; ebenso wie später 
Baumeister den alten 
Weiring. 
Burckhard muss vorläufig von der Aufführung absehen. Entweder schon damals oder einige Zeit
                        nachher lässt er mich 
durch 
Bahr fragen, ob ich einen Weg zu 
Speidel habe, dessen Urteil von grosser Bedeutung sei, so dass im Falle eines günstigen Eindruckes
                        der »
Liebelei« auf ihn sowohl die oberen Behörden als auch Frau 
Hohenfels leichter zu gewinnen wären. 
Hofmannsthal gibt das Stück dem Hofrat 
Gomperz, 
Gomperz dem 
Speidel, 
Speidel schreibt an 
Gomperz einen Brief, in dem er sich sehr warm über das Stück äussert und die Ansicht ausspricht,
                        dass Fräulein 
Sandrock (deren Engagement für die nächste Saison bevorstand) »es wohl zum Siege führen könnte«. Dieser Brief nimmt seinen Weg von 
Gomperz zu 
Hofmannsthal, 
von 
Hofmannsthal zu mir, von mir zu 
Burckhard, von dort weiter, wohl auch zu 
Besetzny, der vorzugsweise durch 
Taussig (
Bodenkreditanstalt) gewonnen werden sollte. Nun lag 
Burckhard daran, die 
Sandrock statt im September schon in der laufenden Saison (1895) vom 
Volkstheater frei zu bekommen, sie aber weigerte sich anfangs und will überhaupt mit diesem Galeerensträfling 
keine, wie sie 
Burckhard nennt, keine Unterredung haben. 
Bahr bittet mich nun die Sache bei der 
Sandrock durchzusetzen. Es gelingt mir ohne besondere Mühe, und nach stattgehabter Unterredung
                        äussert sie: »Dieser 
Burckhard ist wohl ein herrlicher Mann«. Im 
Jänner oder Feber tritt sie ihr Engagement an, »
Liebelei« aber wird vorläufig hinausgeschoben. Ich höre von verschiedenen Seiten, (auch von 
Lothar) dass die Aufführung des Stückes nicht gestattet werden 
würde. 
Gegen Ende der Saison, nachts beim Nachhausekommen, treffe ich mit 
Burckhard wieder auf der Treppe unseres Hauses zusammen. »Ich habe Ihnen eine interessante
                        Mitteilung zu machen, 
Mitterwurzer wird den 
Herrn spielen«. Darauf ich: »Ich habe Ihnen eine noch interessantere Mitteilung zu machen,
                        die ›
Liebelei‹ wird im 
Burgtheater gar nicht aufgeführt werden«. Er gibt bestehende Schwierigkeiten zu, verbürgt sich
                        aber dafür, sie zu überwinden. Vor der Aufführung des Stückes, Oktober 95, 
drohen auf kurze Zeit neue Schwierigkeiten durch die 
Sandrock zu entstehen und 
Burckhard sagt: »Ja natürlich, wenn sie auf der Probe einen Skandal macht, können wir’s nicht
                        spielen.« Aber die Leseprobe und alles übrige verläuft glatt.
 
                     Kurze Zeit nach der Première erzählt mir 
Burckhard, der 
Kaiser habe sich zum Maler 
Horowitz geäussert: »Ich habe mich gewundert Sie neulich mit Ihrer Tochter bei der ›
Liebelei‹ zu sehen. Ich begreife überhaupt nicht, dass man so ein Stück im 
Burgtheater aufführt«. Diese Stimmung des 
Kaisers kam daher, dass Frau 
Schratt, 
die die 
Schlager-Mizzi spielen wollte 
und daher gegen das Stück intriguierte.
»
Freiwild« gab ich 
Burckhard zum lesen, natürlich wusste ich, dass es im 
Burgtheater nicht aufgeführt werden konnte. Er war mit dem Stück sehr einverstanden, nur 
wünschte er, dass 
Paul Röning den Offizier 
Karinski und nicht dieser den Paul am Schluss des Stückes niederknalle.
 
                     Kurz vorher, in 
Pötzleinsdorf auf einer 
Soiree bei 
Mauthners hatte er mit mir über die feindselige Stellung mancher Leute gegenüber 
Anatol und 
Liebelei gesprochen und gesagt: »Schreiben S’ doch einmal etwas ganz anderes und schlagen
                        S’ den Leuten den Säbel aus der Hand.« In diesem Sinn hatte ihn 
Freiwild sehr angenehm berührt.
 
                     »›
Anatol‹ möcht ich gern aufführen, Sie müssten den 
Anatol spielen, der 
Bahr den 
Max, und die 
Sandrock alle sieben Frauenollen«.
 
                     Ende 97 kam seine Stellung als Direktor ins Schwanken. Er erkundigte sich lebhaft nach meinem neuen Stück, das ich
                        eben beendet hatte, das »
Vermächtnis«, wollte es sich gleich vorlesen lassen, und ich hatte den Eindruck, als wenn er
                        eine
m starken Theatererfolg die Kraft zutraute seine Stellung wieder zu befestigen. Ich
                        
las ihm das Stück in meiner Wohnung vor, es gefiel ihm, er sprach gleich über die Besetzung und insbesondere wurde 
Hartmann für den 
Losatti in Aussicht genommen. Aber ehe noch offiziell etwas entschieden war erfolgte 
der Burckhard’s Sturz. In der Zeit der Krise 
traf ich ihn einmal bei 
Benedikt’s und auf eine leise fragende Anspielung meinerseits kehrte er zum ersten und einzigen
                        Mal, allerdings in einer sehr höflichen Form, den Beamten hervor, der nicht in der 
Lage sei Auskunft zu erteilen oder dergleichen.
 
                     Gleich nach seinem Scheiden aus dem Amt schrieb ich ihm aus meiner Sympathie heraus
                        einen Brief, den er ebenso herzlich erwiderte und unsere freundschaftlichen Beziehungen, ohne dass sie je den Charakter einer besonderen
                        Intimität annahmen, befestigten sich von Jahr zu Jahr.
Lebhaften Anteil nahm er an der »
Leutnant Gustl«-Affaire. Als die erste Vorladung der Militärbehörde an mich gelangte, 
besprach ich mit ihm was zu tun wäre. Er war es hauptsächlich, der mir widerriet mich persönlich dem Ehrengericht vorzustellen;
                        da ich dort in Uniform erscheinen müsste und die Verhandlungen überdies geheim seien,
                        wäre ich eventuell auch willkürlichen Massnahmen ausgesetzt. Er hielt überdies damals,
                        da er den 
österreichischen Behörden nun einmal nicht traute, eine zwangsweise Vorführung nicht für ganz ausgeschlossen,
                        ja selbst eine Hausdurchsuchung und übernahm für einige Zeit wichtige Papiere von
                        mir in eigene Verwahrung.
Ein Kaffeehausgespräch, das wohl nach der »
Liebelei« stattgefunden haben könnte. Er erzählte von gewissen Jugendstimmungen, in denen
                        er überzeugt war, dass er weder krank werden oder gar sterben könnte. Ich glaube,
                        es klang zu jener Zeit noch manches von jener Stimmung in ihm nach, wenn auch schon,
                        wie ich von 
Bahr erfuhr, Perioden von schwersten hypochondrisch-melancholischen Depressionen dazwischen
                        gelegen waren, doch war der Eindruck jenes 
Gespräches im 
Arkadencafé so stark, dass es sich mir irgendwie als Ausgangspunkt oder als Mittelszene für einen
                        Roman krystallisieren wollte.
Im 
Jahre 94 
radle ich mit 
Salten an einem schönen Sommernachmittag gegen 
Weidling-Bach. 
×rade Ein Fussgänger mit Lodenhut, jung und einsam, kommt uns entgegen, es ist 
Burckhard, wir plaudern, er äussert sich ziemlich abfällig über das Radfahren.
 
                     Im 
Jahr darauf bin ich mit 
Salten auf einer Radtour von 
Salzburg gegen 
Innsbruck. Irgendwo an der Grenze gegen Mittag kommt uns ein Radler entgegen, sehr bedenklich
                        aussehend, ohne Kravatte, mit 
Zugschuhen, einen Dolch im Gürtel, die Landkarte aufgeschnallt, es ist 
Burckhard, der um drei Uhr Morgens von 
Innsbruck weggefahren ist und noch vor Mittag in 
Salzburg anzukommen gedenkt.
Im Jahre 1901 
Begegnung in 
Rom. Ich treffe ihn im 
Vatikan in blauen Radlkostüm. Manchmal speisen wir zusammen. Auch 
Wassermann und 
Frau sind ein oder das andere Mal dabei. 
Burckhard begnügt sich meist mit Orangen und Artischoken.
 
                     Bald nachdem er sein Haus in 
St. Gilgen bezieht, etwa 
Herbst 1905 (?) besuchen wir ihn dort. Ebenso im Winter desselben Jahres. Rodeln hinter seinem Haus.
                        Seine Klagen, damals zum Teil offenbar hypochondrischer Natur, Professor 
Ortner habe ihm grosse Angst gemacht. Etwa zu gleicher Zeit hatte 
Ortner bei 
Herzl, 
Burckhard und 
Bahr schwere Herzkrankheiten konstatiert, und alle diese Patienten mit einer 
kaum zu rechtfertigenden Aufrichtigkeit 
in schwere
n seelische
n Depressionen 
versetzt. 
Herzl starb schon im Juli 1904. 
Bahr sagte mir ungefähr zu dieser Zeit: »Der 
Ortner hat mir gesagt, dass der 
Burckhard noch viel kränker ist als ich. Er weiss gar nicht wie krank er ist.«
Im Juni 1909 waren wir etwa acht Tage in 
St. Gilgen. Damals stieg ich einmal mit 
B. auf seine 
Alm, wo er sich eine Hütte gebaut hatte, und die Arbeiter eben mit der Steinumfassung
                        
des Platzes beschäftigt waren. 
B. stieg vortrefflich und nach anfänglicher Aengstlichkeit, wie meistens, kam er sehr
                        bald ins Reden und Erzählen. Er sprach damals davon, dass er in der 
letzten Zeit alle 
Liebesbriefe verbrannt hätte. »Es macht einem doch nur traurig, wenn man später die Sachen
                        wieder ansieht.«
 
                     Sein Haus in 
St. Gilgen hatte innen etwas Kahles, ja beinah Trübseliges. Der Garten wunderschön. Im 
Juli 1911 sass ich mit ihm in einem eben gebauten kleinen 
Salettl, mit ihm und dreien nicht mehr ganz jungen Fräuleins, die sich dort regelmässig zu einer Tarokpartie einzufinden pflegten.
 
                     Im Laufe des letzten Jahres besuchte er mich zuweilen, meist von seinem gewohnten
                        Spaziergang im 
Türkenschanzpark an unserm Haus vorüberkommend. Anfangs 
war er immer von schweren Angstvorstellungen gequält, im Laufe des Gespräches verloren sie
                        sich beinahe regelmässig und noch im vergangenen Winter wurde man 
manchmal an seine besten Tage erinnert.
 
                     Etwas Schrullen- und Sonderlingshaftes war ihm schon in frühester Zeit eigen. Er gehörte
                        zu der Sorte der geselligen Einsamen.
Was wird von ihm übrig bleiben? Er hat wohl kein einziges Werk geschaffen, das durch
                        seinen Kunstwert die Anwartschaft auf lange Dauer in sich trägt, aber 
viele, auch keines, in dem es nicht 
einzelne Partieen von dichterischem Reiz, ja selbst von dichterischer Kraft gäbe. In allen
                        aber, selbst in den wenigst gelungenen, spricht sich seine ganze Persönlichkeit aus
                        und man muss 
es beklagen die Ungerechtigkeit des Nachruhms beklagen, der sich formalem Gelingen so viel leichter
                        geneigt zeigt als den schriftstellerischen Aeusserungen einer 
bedeutenden Menschlichkeit, wenn sie nicht von den Flügeln der Form über die 
Jahrzehnte oder Jahrhunderte getragen werden. Freilich stellt sich bald der Trost ein: Was bedeuten
                        Jahrzehnte und Jahrhunderte? Und was bedeutet der Name eines Menschen? Die Wirkungen von Persönlichkeiten, wie 
B. eine war, liegen wahrscheinlich so tief, dass sie nur in ihren Resultaten erkennbar
                        werden, während freilich der Weg bis dahin oft genug unterirdisch verläuft, gewissermassen
                        nur für die Wünschelrute des Kulturpsychologen erkennbar. Und doch war 
Burckhard von künstlerischem Ehrgeiz nicht frei, wofür ja schon sein steter Drang spricht sich
                        in angemessener künstlerischer Form auszusprechen. Als Kritiker stand er dem Artistischen
                        mit einer gewissen Antipathie gegenüber und konnte natürlich den Irrtum nicht immer
                        vermeiden auch dort reine Artistik zu sehen, wo Seelenhaftes sich in einer neuen und
                        anfangs kühl erscheinenden Form darzubieten suchte.
Max B. Jemand erzählt ihm, dass 
Dilli S. rie irgendwo nackt getanzt habe. Er bittet den Herrn nochmals zu kommen, lässt sich die
                        Sache nochmals erzählen. 
Dilli ist verborgen, hört das Ganze, er ruft sie hervor, der Mann revoziert.