Berchtesgaden, 1. Januar. Heuer werden’s vierzig Jahre, seit ich 
maturierte, vierzig Jahre, daß ich für Zeitungen schreib’ (in den »
Salzburger Nachrichten« begann ich, fuhr im »
Salzburger Volksblatt« fort und geriet dann in die »
Deutsche Zeitung«, deren Feuilleton damals 
Mamroth redigierte), vierzig Jahre, daß ich nach 
Wien an die 
Universität kam, von der ich dann im dritten Semester schon 
relegiert wurde, »für immer verwiesen«, wie der akademische Senat damals etwas pathetisch erklärte;
                        wenn der akademische Senat jetzt etwas Humor hätte, wäre der ewige Verweis längst
                        aufgehoben. Und dreißig Jahre werden’s heuer, daß ich, nachdem ich inzwischen in 
Berlin, 
Paris, 
Madrid, 
Tanger, wieder 
Paris, wieder 
Berlin und schließlich noch in 
Petersburg herumvagabundiert, zurück nach 
Wien kam, von einem jungen 
Brünner, 
E. M. Kafka, dem Herausgeber der »
Modernen Dichtung«, dringend eingeladen, das »junge 
Wien« zu »gründen«, das Material sei schon vorhanden: ein junger Arzt, Dr. 
Artur Schnitzler, der durch die Pracht seiner Krawatten schon stadtberühmte Dr. 
Richard Beer-Hofmann und ein Gymnasiast, der unter dem Namen 
Loris schrieb: 
Hugo v. Hofmannsthal. Ich sah sie mir an, wagte die »Gründung« und nahm seitdem auch sonst dreißig Jahre
                        lang jede Gelegenheit wahr, den 
Wienern Aergernis zu geben. Auch ist es heuer dreißig Jahre her, daß zum erstenmal ein
                        Stück von mir in 
Berlin gespielt wurde: »
Die neuen Menschen« mit 
Emanuel Reicher und der 
Conrad-Ramlo. Vorher war ich nur auf der Bühne meiner Vaterstadt losgelassen worden: 
Linz hatte 1883 mein Lustspiel »
Die Wunderkur« aufgeführt. Und dreißig Jahre sind’s, daß ich in 
Petersburg die 
Duse zum erstenmal sah. 
Kainz saß neben mir, der auch damals in 
Petersburg gastierte, grad den einen Abend frei war und mir vorschlug, uns die Vorstellung der
                        
italienischen Truppe anzusehen, »weil doch 
Italiener, auch wenn sie schlecht sind, immer noch besser sind«. Denn von der 
Duse wußten wir beide nichts. Wir waren gar nicht gefaßt auf sie. Sie trat auf und hatte
                        noch keine drei Sätze gesprochen, da wurde 
Kainz ganz blaß und sein Auge so groß, daß der heiße Blick das ganze Gesicht zu verzehren
                        schien. Im ersten Taumel 
schrieb ich dann in der »
Frankfurter Zeitung« über sie. Ein 
Theateragent fragte darauf bei mir höflich vorsichtig an, ob dies nur so eine »Plauderei« von
                        mir oder ob diese 
Künstlerin wirklich vorhanden und es ratsam wäre, sie nach 
Wien zu bringen. Ich riet es.