Indiscret.
Ich schätze Herrn Robert Nhil. Er spielt verständig, thut mit Eifer seine Pflicht
und lernt jede Woche zehn Bogen. Auch gibt er sich nett und gemüthlich, ohne die schlimmen
Faxen und Posen seines Standes. Aber gewisse Dinge sollte er lassen. Er ist – na,
mit Freunden ist man höflich, also sagen wir: er ist indiscret.
Als ich neulich vor der Première des »
Märchens« von
Arthur Schnitzler in das
Café kam, wo man die neuere Literatur zwischen 6 und 7 Uhr macht, war der arme Dichter
schon geliefert. Ein
Buddhist, der Alles weiß
und sogar noch etwas mehr, erklärte, daß diese erste Vorstellung des Stückes auch sicherlich
die letzte sei. Ich wollte begütigen: »Das wird sich doch erst im Theater zeigen!«
Aber er berief sich auf Herrn
Nhil. Herr
Nhil hatte gesagt: »Wenn sich die
Wienerinnen das gefallen lassen, darf man ihnen alles bieten.«
Ich schätze auch Herrn Secretär
Müller. Er ziert das
Volkstheater sehr und wirkt mit seinem struppigen Haupte eines
Tectosagen ungemein decorativ. Auf der Bühne oben die winkende Victoria, die sie immer auf alle
Oefen stellen, in der Loge das mondlich milde Schmeergesicht der Direction und unten
in kriegerisch flatternden Locken dieser Johannes der Täufer der Erfolge – ich möchte
ja die edle Harmonie nicht stören. Aber er sollte seine Zunge etwas hüten. Er ist
leider – na, mit Tyrannen ist man höflich, also sagen wir: er ist indiscret.
Als nach dem zweiten Acte neulich Alles klatschte und den blonden
Dichter rief, verkündete der Herr Secretär
Müller: »Das nutzt ja doch nichts – der dritte Act fällt dennoch durch.«
Ich schätze auch die Frau
Albertine Schwerdtner. Sie hat den lieblichsten Beruf: sie frisirt in der
Burg die Damen. Diese lieben, launischen und süßen Köpferln in der Hand zu haben, muß
ein herrliches Geschäft sein. Und sie versteht es köstlich. Nur ist sie leider halt
– na, mit Damen ist man höflich, also sagen wir: sie ist indiscret.
Wie ich
neulich vor dem »
Hannele« bei meinem Friseur bin, der die berühmte Locke dreht, schimpft er gräßlich: »Wie
kann man in so ein Stück gehen? Die Frau
Schwerdtner hat gesagt: es ist ein
Schmarn.«
Herr
Nhil, Herr
Müller und Frau
Schwerdtner sind nur ein paar Fälle, die ich gerade aus der Menge greife. Ich könnte die Beispiele
häufen. Auch Herr
Tyrolt hat in der ganzen Stadt das »
Märchen« schon vorher verlästert, und Herr
Gabillon hat schon vorher das »
Hannele« verdammt. Es wird Mode, daß die Schauspieler vor den Premièren Stimmung machen.
Diese Sitte reißt immer weiter ein.
Da möchte ich denn doch namens der Dichter erklären: wir fallen schon von selber durch,
und wenn es nöthig wäre, sorgen auch die Collegen dafür; die Schauspieler brauchen wir jedenfalls nicht dazu. Man wird ihnen das gute Recht
nicht nehmen, ihre Meinung zu haben, und jedes Stück nach ihrem Geschmacke zu richten.
Wenn das »
Hannele« der Frau
Schwerdtner nicht gefällt, so ist das gewiß für
Hauptmann sehr traurig, aber er kann da gar nichts thun; er muß halt geschwind was Anderes
schreiben; vielleicht glückt es ihm schließlich doch. Aber vor der Première soll die
Frau
Schwerdtner gefälligst schweigen. Nach der Première werden wir gern ihre Lehren hören – da kommt
es auf etwas weniger oder mehr schon wirklich nicht mehr an.
Meine Herren Directoren, ich will Ihnen was
sagen, geliebter
Max Eugen Burckhard und verehrter
Emerich v. Bukovics! Sie kennen unseren Cassier nicht. Das ist ein herrlicher Mensch. Der häuft Gold
auf mich, immer mehr. Nächstens ist die Million voll. Da gebe ich, weil ich ja dennoch
eine edle Natur bin, Ihnen dann ein großes Souper. Alles prächtig geschmückt, Blumen,
Licht und Damen. Aber wenn Sie sich setzen und schmausen möchten, kommt mein Koch
und spricht: »Meine Herrschaften, ich bin der Koch. Meine Kunst ist unvergleichlich.
Aber schmecken wird es Ihnen doch nicht. Es kann Ihnen nicht schmecken. Die Bereitung
ist trefflich, aber mein Herr hat lauter elende Sachen gekauft. Der Hase ist ein Kater
und das Rind ist ein Pferd. Ich bin groß, aber mein Herr ist ein Esel. Schimpfen Sie
nur ordentlich, daß er sich endlich bessert!« Ich bin neugierig, was Sie dann thun.
Ich glaube, Sie nähmen mich vertraulich bei der Hand und sagen mir: »Mein lieber Freund,
es ist bei Ihnen sehr hübsch! Ich danke Ihnen. Aber nehmen Sie Ihren Koch ein bischen
bei den Ohren!«
Meine Herren Directoren, ich kann nur sagen: »Es ist bei Ihnen sehr hübsch! Ich danke
Ihnen. Aber nehmen Sie Ihre Köche ein Mal ein bischen bei den Ohren!«
Mepherl.