B5: Bahr, Hermann_1 Schnitzler an Bahr, Typoskript, Seite 26

3.1.902.
31)
Berlin
Lieber Hermann,
ich habe Brahm gesprochen.. Er äusserte sich anerkennend über den
Crampus, findet nur, dass gerade das Deutsche Theater nicht der rechte
Boden für das Stück sei. Ich glaube also nicht, dass er zu der Aufführ
nach Hamburg fahren wird, hielte es aber doch für ganz gut, wenn Du ihr
unverbindlich mit ein paar Worten dazu einladen würdest. Gegen Deine Be-
merkungen über den xxx literar. Stempel, den doch erst das Deutsche Thater
verleihe, (die ihm mitzuteilen ich mich wohl für befugt halten durfte -?
schien er nicht unempfindlich zu sein, und ich zweifel nicht daran, dass
er Deine nächsten Stücke ohne vorgefasste Meinung lesen wird. Ich bin
übrigens morgen nachmittag bei ihm und habe sicher Gelegenheit, nochmals
in Deinem Sinne zu reden. Er gehört doch, bei allen Begrenztheiten und
Eigensinnigkeiten zu den weitans verständigsten Theatermenschen, viel-
leicht auch Menschen schlechtweg -, die es gibt, und ist derjenige, mit
dem man am geradlinigsten und verlässlichsten verkehren kann. Man darf
von ihm sagen, dass er nie lügt. Du solltest mich einmal persönlich mit
ihm aussprechen. Wenn er nicht nach Hamburg kommt, vielleicht besuchst Du
ihn auf der Hin- oder Rückfahrt?-
Dieser Tage sprach ich Harden, der jetzt sehr gegen den kleinen Krau
eingenommen ist und findet, dass ein solches Blatt in Berlin sich nicht
halten könnte. Anlässlich der Kraus'schen Kritik über die reine, in der
Kr. von einer angeblich extra von xxx (?) gegen ihn hineingedichtete
Dir
Stelle erzählte, hat er ihm (Harden dem Kraus) eine Karte geschrieben,
er müsse gelegentlich diesen Irrrum richtigstellen, da die betreffende
Stelle sich im Original fände-, Krauss soll es auch zugesagt, aber bis-
her nicht getan haben.-
Heut war Generalprobe der "Lebendigen Stunden. Sie fiel günstig - für
abergläbbische Gemüther zu günstig aus.-
Ganz entzückt bin ich von Bassermann. Neulich sah ich ihn als Hjalmar,
Sauer als Gregers Werle.- Ich habe selten so starke schauspielerische
Eindrücke erlebt. Die Triesch kann überraschend viel. -
Ich seh Dich hoffentlich bald wieder. Herzlichen Gruss.
Dein
Aérth Sch
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Mein lieber Hermann,
ich danke Dir sehr. Du hast Dinge über mich gesagt, die mich genz be-
sonders gefreut haben-, -Ich wollte sie endlich hören, wolle sie vor-
allem von Dir hören. Nicht das beiläufige über den Grillparzer Preis
meine ich, sondern das Allgemeine. Jemand, der heute Deinen Artikel
las, sagte: "Es ist ganz einfach, Ihr seid alle beide mit der Zeit an-
ständige Leute geworden“.
Arthur
Herzlichen Gruss Dein
25.I.1902.