57)
Wien 14.12.904.
Mein lieber Hermann,
es beschämt mich fast, dass Du über ein im Ganzen doch ziemlich unbe-
trächtliches Ding wie es der Ruppenspieler ist (er gehörte in den Zyklus
"Lebendige Stunden, aber wegen zu grosser Länge des Abends musste er
zurückgesetzt werden) - so schöne Worte sagst. Vielleicht drücke ich mich
besser aus, wenn ich sage: anlässlich des Suppenspielers, Dann Deiner
Auffassung des kleinen Stückes muss ich widersprechen. Vielleicht habe
ich nicht das Recht dazu, denn es werden ja doch wahrscheinlich künstle-
rische Mängel der Sache schuld daran sein, dass Du eine Lebensanschauung
darin findest, die ich nicht hineinlegen wollte und die mir persönlich
fremd ist. Ebenso verhält es sich mit dem Einsamen Weg. Ich stehe so
wenig auf Seite des Oboespielers, als ich aufSeiten des Professor
Wegrath gestanden habe - freilich auch nicht auf der des Julian und des
Puppenspielers. Aber warum? Weil sie eben nicht ganze Kerle sind, keine
Leute die - nach der Dir bekannten Anekdote von der alten
Streitmann - "brav genug" sind - um alles zu dürfen. Wäre der Puppen-
so brauchte er sich nicht in Lügen einzu-
spieler wirklich ein "Grosser"
spinnen, um der grössere zu bleiben, wäre Julian wirklich ein Grosser,
so würde das Beste seines Wesens nicht mit seiner Jugend auslöschen.
Gegen die Herzöge und gegen in Sala's hab ich nichts - und vor den
"Grossen Räubern" salutier ich, gleich Dir, in Ehrfurcht. Du hast ganz
recht: "Entsagung ist nicht immer Reife".- nur setze ich hinzu: nicht bei
allen. Wenn Individuen wie Wegrath in irgend einem Moment ihrer Existenz
die Grenzen ihrer Begabung erkennen, - so ist diese Entsagung, wie jede
Erkenntnis innere Reife, oder wenigstens ein Symptom innerer Reife. Eben-
so ist für den Oboespieler wirklich der "Innere Friede"und die schuldbe-
freite Brust das einzig erreichbare Glück. Und dass ein Mensch wie der
"Huppenspieler" nicht, wie es eben den Beschränkungen seines Wesens an-
gemessen wäre, zu entsagen imstande ist, sich vielmehr dieser Entsagung
schämen würde und daher den andern und sich ein falsches Eigenschicksal
vorspielt, - ist ein Zeichen, dass er innere Reife nicht erlangte, welche
eben nur in Selbsterkenntnis bestehen kann. Es ist also nur natürlich,
dass bei manchen Menschen, insbesondere bei klugen, von mässigem Talente
und stillem Temperament das was ihnen an innerer Reife überhaupt be-
schieden ist, in einer Art von Entsagung " den entsprechenden Ausdruck
findet.
Wohl denen, dies nicht nötig haben,- wohl uns, die wir wie mir scheint
zu diesen gehören- und hoffentlich nicht allein wegen Mangels an Klug-
heit. So spricht also nichts dagegen, mein lieber Hermann, dass wir bei-
de uns an die Arbeit machen, die Du in meine Hände legst: „Das Werk von
der letzten Nacht einer alten Zeit“- Und schliesslich können es auch
Werke sein.
andere
Mahler
Zu xxxx haben wir noch Sitze bekommen so seh ich Dich hoffentlich auch
heute abend. Jedenfalls aber sage oder schreibe mir pneumatisch, ob Du
vielleicht Lust hättest, am Samstag bei uns zu m chtmahlen.
Herzliche Der Deine
Arthur
Olga grüsst Dich herzlich und sagt Dir, dass sie von dem was Du an-
lässlich des P. geschrieben hast, erschüttert war.
Wien 14.12.904.
Mein lieber Hermann,
es beschämt mich fast, dass Du über ein im Ganzen doch ziemlich unbe-
trächtliches Ding wie es der Ruppenspieler ist (er gehörte in den Zyklus
"Lebendige Stunden, aber wegen zu grosser Länge des Abends musste er
zurückgesetzt werden) - so schöne Worte sagst. Vielleicht drücke ich mich
besser aus, wenn ich sage: anlässlich des Suppenspielers, Dann Deiner
Auffassung des kleinen Stückes muss ich widersprechen. Vielleicht habe
ich nicht das Recht dazu, denn es werden ja doch wahrscheinlich künstle-
rische Mängel der Sache schuld daran sein, dass Du eine Lebensanschauung
darin findest, die ich nicht hineinlegen wollte und die mir persönlich
fremd ist. Ebenso verhält es sich mit dem Einsamen Weg. Ich stehe so
wenig auf Seite des Oboespielers, als ich aufSeiten des Professor
Wegrath gestanden habe - freilich auch nicht auf der des Julian und des
Puppenspielers. Aber warum? Weil sie eben nicht ganze Kerle sind, keine
Leute die - nach der Dir bekannten Anekdote von der alten
Streitmann - "brav genug" sind - um alles zu dürfen. Wäre der Puppen-
so brauchte er sich nicht in Lügen einzu-
spieler wirklich ein "Grosser"
spinnen, um der grössere zu bleiben, wäre Julian wirklich ein Grosser,
so würde das Beste seines Wesens nicht mit seiner Jugend auslöschen.
Gegen die Herzöge und gegen in Sala's hab ich nichts - und vor den
"Grossen Räubern" salutier ich, gleich Dir, in Ehrfurcht. Du hast ganz
recht: "Entsagung ist nicht immer Reife".- nur setze ich hinzu: nicht bei
allen. Wenn Individuen wie Wegrath in irgend einem Moment ihrer Existenz
die Grenzen ihrer Begabung erkennen, - so ist diese Entsagung, wie jede
Erkenntnis innere Reife, oder wenigstens ein Symptom innerer Reife. Eben-
so ist für den Oboespieler wirklich der "Innere Friede"und die schuldbe-
freite Brust das einzig erreichbare Glück. Und dass ein Mensch wie der
"Huppenspieler" nicht, wie es eben den Beschränkungen seines Wesens an-
gemessen wäre, zu entsagen imstande ist, sich vielmehr dieser Entsagung
schämen würde und daher den andern und sich ein falsches Eigenschicksal
vorspielt, - ist ein Zeichen, dass er innere Reife nicht erlangte, welche
eben nur in Selbsterkenntnis bestehen kann. Es ist also nur natürlich,
dass bei manchen Menschen, insbesondere bei klugen, von mässigem Talente
und stillem Temperament das was ihnen an innerer Reife überhaupt be-
schieden ist, in einer Art von Entsagung " den entsprechenden Ausdruck
findet.
Wohl denen, dies nicht nötig haben,- wohl uns, die wir wie mir scheint
zu diesen gehören- und hoffentlich nicht allein wegen Mangels an Klug-
heit. So spricht also nichts dagegen, mein lieber Hermann, dass wir bei-
de uns an die Arbeit machen, die Du in meine Hände legst: „Das Werk von
der letzten Nacht einer alten Zeit“- Und schliesslich können es auch
Werke sein.
andere
Mahler
Zu xxxx haben wir noch Sitze bekommen so seh ich Dich hoffentlich auch
heute abend. Jedenfalls aber sage oder schreibe mir pneumatisch, ob Du
vielleicht Lust hättest, am Samstag bei uns zu m chtmahlen.
Herzliche Der Deine
Arthur
Olga grüsst Dich herzlich und sagt Dir, dass sie von dem was Du an-
lässlich des P. geschrieben hast, erschüttert war.