B5: Bahr, Hermann_3 Bahr an Schnitzler, Typoskript, Seite 40

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G.H.F.P
gedrückt zubringen konnte, immer mit dem Gefühl,es ist ja doch alles
aus und ich werde niemals mehr gesund. Unter diesen Bedingungen arbei-
te ich jetzt und darf daher eigentlich gar nichts versprechen, weil ich
mich bei jedem Feuilleton wundere, wenn es schliesslich doch fertig
geworden ist.
Ferner musst Du auch wissen, dass die Redakteure des Neuen
Wiener Tagblatt (Wilhelm Singer und den braven Herrn Epstein ausge-
nommen) einen Bund bilden, dessen einzige Sorge es zu sein scheint,
auszusinnen, was etwa geeignet wäre, mich zu ärgern, und dies mit der
Behendigkeit von Affen sogleich ins Blatt zu setzen. Dass gegen Dich
noch nicht eine ungeheuerliche Gemeinheit verübt worden ist, wundert
mich schon lange. Geht sie vielleicht gelegentlich des "Reigen" los,
so vergiss nicht, dass sie,zwar an Dir executiert, aber Dir gar nicht
zugedacht ist,
Bitte,schicke mir gleich ein Exemplar des "Reigen", Mei-
nes ist nämlich confisciert worden, von der Censur. Das heisst: der
Herr Hofrat Jekel hat es sich bei mir ausleihen lassen und ich habe
es niemals mehr zurückbekommen.
Das Incohärente dieses Briefes musst Du meinem Zustand
vergeben. Wie ich nur Zeit habe, fahre ich zunächst zu Julius, der ein-
mal doch mein Herz ordentlich untersuchen muss.
Freitag war mir riesig leid, ich war bei der Steuerbehör-
de, die mich auch noch sekiert.
Herzlichst
Dein
Hermann