A.S. an H.v. H. (47)
51
Paris, 26.4.97.
5,Rue de Maubeuge.
Mein lieber Hugo. Seien Sie mir herzlich gegrüsst. Ich
lebe im Innersten der Stadt wie ich in Wien um kei-
nen Freie leben möchte; an der Kreuzung vieler Strassen,
mitten im Lärm der Geschäfte und des Verkehrs. Der
Zufall hat es gefügt, dass ich gerade hier die Woh-
nung gefunden habe, wie ich sie brauche, und günstige
Verbindungen von Goldmann haben sie mir verschafft.
Ich sage mir, obwohl das nicht ganz richtig ist. Aber
ich habe mein Zimmer allein und so viel Freiheit, als
unter den bekannten Umständen möglich ist. Manch-
mal möcht ich wohl lieber ganz allein sein; aber viel-
leicht ist es nur die Sehnsucht, nach der ich mich sehne
Ich bin nämlich bisher wirklich noch nie von Wien fort
gewesen, ohne dort irgendwen zurückzulassen, um den ich
mehr oder weniger "zittern" musste; das geht mir viel-
leicht ab. Im ganzen aber fühl ich mich, wie Sie sagen
würden, „eher“ wohl; insbesondere tritt das sonderbare
A.S. an H.v.H.
(47)
52
ein, was sich immer beinah einstellt, wenn ich auf
Reisen, besser: wenn ich nicht daheim bin; ich bin
beinah gänzlich erlöst von den Bengigkeiten und Hypo
chondrien, die mir das Leben zuhause oft so heftig
stören. Aber auch dass ich gerade hier bin, freut
mich. Es ist mir oft, als wenn ich hier lieber leben
möchte als in Wien; aber das ist wahrscheinlich ein
Irrtum. Von allem was ich hier schon gesehen, möchte
ich Ihnen lieber erst in Wien erzählen; denn ich fra-
ge mich vergeblich, was ich heraussuchen sollte.
Das schönste hat mir bisher die Schauspielerei geboten;
es ist einfach was anderes als die Deutschen haben;
nicht immer was besseres vielleicht,-aber dem Wesen
der Stücke, die sie spielen, xxxwunderbar
verwandt, was ja schliesslich doch das wichtigste ist.
Dramen scheinen sie ja hier (wo denn?"?) auch nicht
mehr zu schreiben; ich habe Loi de l'homme (Hervieu);
Douloureuse.(Donnay).-Carrière (Hermant);- Snob
(Guiche) - gesehen- es ist ein vollkommener Sieg des
Feuilletons auf dem Theater. Ich habe wohl auch ein
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Paris, 26.4.97.
5,Rue de Maubeuge.
Mein lieber Hugo. Seien Sie mir herzlich gegrüsst. Ich
lebe im Innersten der Stadt wie ich in Wien um kei-
nen Freie leben möchte; an der Kreuzung vieler Strassen,
mitten im Lärm der Geschäfte und des Verkehrs. Der
Zufall hat es gefügt, dass ich gerade hier die Woh-
nung gefunden habe, wie ich sie brauche, und günstige
Verbindungen von Goldmann haben sie mir verschafft.
Ich sage mir, obwohl das nicht ganz richtig ist. Aber
ich habe mein Zimmer allein und so viel Freiheit, als
unter den bekannten Umständen möglich ist. Manch-
mal möcht ich wohl lieber ganz allein sein; aber viel-
leicht ist es nur die Sehnsucht, nach der ich mich sehne
Ich bin nämlich bisher wirklich noch nie von Wien fort
gewesen, ohne dort irgendwen zurückzulassen, um den ich
mehr oder weniger "zittern" musste; das geht mir viel-
leicht ab. Im ganzen aber fühl ich mich, wie Sie sagen
würden, „eher“ wohl; insbesondere tritt das sonderbare
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ein, was sich immer beinah einstellt, wenn ich auf
Reisen, besser: wenn ich nicht daheim bin; ich bin
beinah gänzlich erlöst von den Bengigkeiten und Hypo
chondrien, die mir das Leben zuhause oft so heftig
stören. Aber auch dass ich gerade hier bin, freut
mich. Es ist mir oft, als wenn ich hier lieber leben
möchte als in Wien; aber das ist wahrscheinlich ein
Irrtum. Von allem was ich hier schon gesehen, möchte
ich Ihnen lieber erst in Wien erzählen; denn ich fra-
ge mich vergeblich, was ich heraussuchen sollte.
Das schönste hat mir bisher die Schauspielerei geboten;
es ist einfach was anderes als die Deutschen haben;
nicht immer was besseres vielleicht,-aber dem Wesen
der Stücke, die sie spielen, xxxwunderbar
verwandt, was ja schliesslich doch das wichtigste ist.
Dramen scheinen sie ja hier (wo denn?"?) auch nicht
mehr zu schreiben; ich habe Loi de l'homme (Hervieu);
Douloureuse.(Donnay).-Carrière (Hermant);- Snob
(Guiche) - gesehen- es ist ein vollkommener Sieg des
Feuilletons auf dem Theater. Ich habe wohl auch ein