B16: Brahm, Otto 1b Arthur Schnitzler an OB, Abschrift, Seite 145

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diesmal besser verdaut oder verstanden, und nur erneut
empfunden, dass der Kern ein etwas kleiner, das Ornam ent
vielfach überwuchernd und verwirrend ist. Doch Sie
selbst haben ja durch Striche dem schon nachgeholfen,
und wenn man die Staatsaktion noch weiter einschränken
dürfte, würde auch ich einiges noch wirksaner zu ge-
stalten hoffen. Ich würde also mit grösstem Vergnügen
bereit sein, das Stück aufzuführen und es für eine Ehren-
pflicht gegen einen Autor halten, der dem Deutschen
Theater so vieles gegeben hat, sein Werk in würdigstem
Gewande darzustellen, wenn nicht die Besetzungsfrage
auch jetzt mir wieder zu schaffen machte. Und zwar
hauptsächlich der Filippo, der einen hinreissenden Dar-
steller m.E. fordert, einen andern Kainz, den ich nicht
habe. Bassermann ist zu klug daftir, Sommerst. zu schwer,
Kayssler zu deutsch. Den Herzog könnte Basserm. wohl
spielen, auch Sommerstorf, die Beatrice die Triesch, aber
wer leistet uns den Filippo? Ich habe da einen jungen
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Mann engagiert,Stieler heisst er und ist begabt,ob-
gleich „Nachfolger Hahns“, aber der ist Zukunftsmusik
und ob ihm so Verantwortungsvolles in absehbarer Zeit
zuzutrauen, steht dahin. Wen hatten Sie denn gedacht?
Bass? Ich glaube bestimmt, dass es mit ihm nicht geht;
nur aus sinnlicher Wärme und Weichheit und lyrischer
Leidenschaft ist die Gestalt zu spielen, und das sind
grade Dinge, die B. noch nie offenbarte. Ich könnte Ih-
nen also nur raten, zu warten und sich mit meiner ehrli-
chen Erklärung zu begnügen - natürlich nicht ad calen-
das graecas - dass ich mich sehr freuen würde, Ihnen
das Stück aufzuführen, sobald ich einen Filippo in Seh-
weite habe; geht das aber nicht und haben Sie etwa
schon sich dem Löwenfeld verschrieben, so werde ich Ih-
nen den Daumen drücken und alles gute wünschen, so we-
nig aussichtsvoll ich dieses Unternehmen, die „B." aufs
Schillertheater zu stellen, auch halte.
Herzlich Ihr
O.B.