Votre trèsse â¢, ils että
30.9.96.
Mein verehrter Herr Direktor,
heute will ich Ihnen die Gründe sagen, welche mich be-
stimmen, bei meinem ursprünglichen Schluss zu bleiben,
und zu denen sowohl Gründe der äusseren als der inne-
ren Wahrheit gehören. Wenn ich die Sache für mich verein-
fachen wollte, könnte ich mich darauf berufen, dass mir
die Hauptfabel, die Linie des Stücks schon vor Jahren
sowie sie heute da ist, eingefallen ist und das s mir
nie ein anderer Abschluss in den Sinn gekommen ist
als der jetzt vorliegende.Es ist also offenbar tief
in meinem Gefühl gewesen, dass mein Held nicht als Sie-
ger sondern als Märtyrer enden muss, wenn die Idee der
Fabel wirklich herauskommen soll. Aber jetzt, wo ich ge-
drängt bin, dieses Gefühl auf seine Berechtigung hin zu
untersuchen, wird mir erst klar, in wie lebendigen Moth-
wendigkeiten es wurzelt.-Paul vertritt das rein mensch-
liche; Karinski das Vorurtheil einer verhältnismässig
kleinen Menschenklasse; dass der Vertreter rein mensch-
30.9.96.
licher Anschauungen gegenüber dem Vertreter beschränk-
ter oder herrschender Anschauungen unterliegt, ist ein
nothwendiger und darum tragischer Abschluss.An dieser
tragischen Nothwendigkeit wird nichts dadurch geän-
dert, dass in einem speziellen Falle der Vertreter der
„reinen Menschlichkeit" durch zufällige Geschicklich-
keit oder Kraft Sieger bleiben mag; der typische Fall
bleibt, dass soziales Uebereinkommen mächtiger ist als
Verstand und Recht. Aber in unserm Fall kommt noch da-
zu, dass auch äussere Motive den Untergang Pauls herbei-
führen.Karinski ist derjenige von beiden, der glühender
hasst und gewiss auch der gewandtere und rücksichtslo-
sere.Er wird sich Paul nicht zuvorkommen lassen.Paul
ist kein „Trottel“, wenn er nicht früher schiesst, son-
dern er ist, was in seinem Wesen ganz begründet liegt,
weniger entschlossen und weniger rasch.Ohne weiteres
gestehe ich Ihnen zu, dass für den Moment dem Publikum
30.9.96.
Mein verehrter Herr Direktor,
heute will ich Ihnen die Gründe sagen, welche mich be-
stimmen, bei meinem ursprünglichen Schluss zu bleiben,
und zu denen sowohl Gründe der äusseren als der inne-
ren Wahrheit gehören. Wenn ich die Sache für mich verein-
fachen wollte, könnte ich mich darauf berufen, dass mir
die Hauptfabel, die Linie des Stücks schon vor Jahren
sowie sie heute da ist, eingefallen ist und das s mir
nie ein anderer Abschluss in den Sinn gekommen ist
als der jetzt vorliegende.Es ist also offenbar tief
in meinem Gefühl gewesen, dass mein Held nicht als Sie-
ger sondern als Märtyrer enden muss, wenn die Idee der
Fabel wirklich herauskommen soll. Aber jetzt, wo ich ge-
drängt bin, dieses Gefühl auf seine Berechtigung hin zu
untersuchen, wird mir erst klar, in wie lebendigen Moth-
wendigkeiten es wurzelt.-Paul vertritt das rein mensch-
liche; Karinski das Vorurtheil einer verhältnismässig
kleinen Menschenklasse; dass der Vertreter rein mensch-
30.9.96.
licher Anschauungen gegenüber dem Vertreter beschränk-
ter oder herrschender Anschauungen unterliegt, ist ein
nothwendiger und darum tragischer Abschluss.An dieser
tragischen Nothwendigkeit wird nichts dadurch geän-
dert, dass in einem speziellen Falle der Vertreter der
„reinen Menschlichkeit" durch zufällige Geschicklich-
keit oder Kraft Sieger bleiben mag; der typische Fall
bleibt, dass soziales Uebereinkommen mächtiger ist als
Verstand und Recht. Aber in unserm Fall kommt noch da-
zu, dass auch äussere Motive den Untergang Pauls herbei-
führen.Karinski ist derjenige von beiden, der glühender
hasst und gewiss auch der gewandtere und rücksichtslo-
sere.Er wird sich Paul nicht zuvorkommen lassen.Paul
ist kein „Trottel“, wenn er nicht früher schiesst, son-
dern er ist, was in seinem Wesen ganz begründet liegt,
weniger entschlossen und weniger rasch.Ohne weiteres
gestehe ich Ihnen zu, dass für den Moment dem Publikum