B16: Brahm, Otto 1b Arthur Schnitzler an OB, Abschrift, Seite 326

Parts, 23.5.97.
Lieber Herr Doctor,
Ihr schöner Brief ist mir hieher nachgeflogen - oder
nachgesprüht und ich freue mich, dass Sie so freundlich
meiner gedenken. Dass ich Ihre Anwesenheit in Wien ver-
säumt habe, war einer der vier oder fünf Wermuthstropfen
im Freudenbecher meines Pariser Aufenthaltes; ich
glaube geschmeckt zu haben? der bitterste. Im ganzen
habe ich mich aber recht wohl gefühlt. „Habe“ sag ich,
denn morgen früh reise ich nach London und Anfang Ju-
ni hoff ich in Wien zu sein. Es scheint, Sie haben über
Ihren Sommer noch nicht endgiltig disponiert; auch
meine Pläne stehen noch nicht ganz fest; wahrschein-
lich gehe ich im Juli nach Ischl; weiter weiss ich ei-
gentlich noch nichts rechtes. Die Umstände dürften es
fügen, dass ich schon früh in Wien bin, Bitte schreiben
gie mir jedenfalls eine Zeile, wie lang Sie im Riesen-
gebirge bleiben und was Sie weiter zu thun gedenken.
(23.5.97.)
Ich möchte Sie sehr gerne irgendwo treffen, wenns geht.
Auch verspreche ich Ihnen kein Stück vorzulesen; haupt-
sächlich weil ich im Sommer kaum schon eines fertig
haben dürfte. Ich schliesse das daraus, dass ich bisher
keine Zeile zu denselben geschrieben. Aber es kann ge-
schehen, dass sehr rasch eines, wenn ich erst zur Ruhe
komme, von Anfang bis zu Ende gefördert wird; denn es
ist mir mancherlei eingefallen. Für die „Frechheit"
stehe ich ein, ob es eine Komödle wird, weiss ich noch
nicht so sicher; denn mit meinen lustigen Ideen geht
es mir gewöhnlich so wie mit einem ungeheuer fidelen
Stoff, den ich einmal meinen Freunden erzählte und wo
es mir mitten im Erzählen passierte, dass die Sache im-
mer ernster wurde, bis schliesslich, zu meinem eigenen
Erstaunen, der Held den grausamen Tod des Erstochenwer¬
dens erlitt.(Wobei es wenigstens nicht knallt.) Aber
es ist wirklich so? während ich sie überdenke, verdüstern