Wien, 9.1.1902.
Lieber Herr Brahm,
ich danke für Ihr freundliches Telegramm. Es war sowohl
von 2000 und von 1500 die Rede und es liegt tief in
der menschlichen Natur begründet, dass ich mich deutli-
cher an die 2000, Sie sich deutlicher an die 1500 erin-
nern. Wir wollen nun, Ihrem Wunsch entsprechend, bei den
1500 bleiben und beide hoffen, dass Sie noch einige
Märke nachzuzahlen haben werden.
Kadelburg hat gestern im Namen des Volkstheaters tele-
phonirt und hat sehr erstaunt gethan, dass das Volksth.
nun auch auf den K. keine Rechte mehr haben sollte und
mir seinen Besuch angekündigt. Ich spreche vorläufig
übrigens ihm gegenüber gar nichts von Ihrer Absicht,
-die mich natürlich sehr freut und die hoffentlich zur
That werden soll.
Ich möchte Ihnen heute auch für Ihre freundschaftliche
Liebens würdigkeit danken, mit der Sie mir, wie immer, auch
diesmal, nicht nur menschlich, sondern auch literarisch-
Votre très obéissante et les
(9.1.02.)
direktorial nahegekommen sind, was diesmal umso höher
anzuschlagen ist, als Sie nicht nur gegen eignes, sondern
auch gegen das Mistrauen anderer zu kämpfen hatten.
Es ist mir stets eine wahre Freude mit Ihnen zu ver-
kehren-einem der wenigen Menschen, für den Meinungs-
verschiedenheit kein trennendes, sondern vielleicht
eher ein bindendes Element bedeutet. Dass aber das
Theater eine - wie nennt es Goethe nur -? ich glaube
eine immerhin sonderbare Institution sei,- eine sehr
problematische und beinah lächerl iche jedenfalls, war
auch diesmal zu sehn. Die Einmüthigkeit, mit der das
innerlich reichste der Stücke die „Lebendigen Stunden"
verurtheilt und die Einmüthigkeit, mit der das innerlich
ärmste, die Literatur, überschätzt werden sollte, hab ich
nicht vorausahnen können.
Ich hoffe Sie erholen sich in Heidelberg gut von aller
Besorglichkeit und Arbeit und erhalten aus Berlin
die schönsten Nachttelegramme.
Mit herzlichem Gruss Ihr
Lieber Herr Brahm,
ich danke für Ihr freundliches Telegramm. Es war sowohl
von 2000 und von 1500 die Rede und es liegt tief in
der menschlichen Natur begründet, dass ich mich deutli-
cher an die 2000, Sie sich deutlicher an die 1500 erin-
nern. Wir wollen nun, Ihrem Wunsch entsprechend, bei den
1500 bleiben und beide hoffen, dass Sie noch einige
Märke nachzuzahlen haben werden.
Kadelburg hat gestern im Namen des Volkstheaters tele-
phonirt und hat sehr erstaunt gethan, dass das Volksth.
nun auch auf den K. keine Rechte mehr haben sollte und
mir seinen Besuch angekündigt. Ich spreche vorläufig
übrigens ihm gegenüber gar nichts von Ihrer Absicht,
-die mich natürlich sehr freut und die hoffentlich zur
That werden soll.
Ich möchte Ihnen heute auch für Ihre freundschaftliche
Liebens würdigkeit danken, mit der Sie mir, wie immer, auch
diesmal, nicht nur menschlich, sondern auch literarisch-
Votre très obéissante et les
(9.1.02.)
direktorial nahegekommen sind, was diesmal umso höher
anzuschlagen ist, als Sie nicht nur gegen eignes, sondern
auch gegen das Mistrauen anderer zu kämpfen hatten.
Es ist mir stets eine wahre Freude mit Ihnen zu ver-
kehren-einem der wenigen Menschen, für den Meinungs-
verschiedenheit kein trennendes, sondern vielleicht
eher ein bindendes Element bedeutet. Dass aber das
Theater eine - wie nennt es Goethe nur -? ich glaube
eine immerhin sonderbare Institution sei,- eine sehr
problematische und beinah lächerl iche jedenfalls, war
auch diesmal zu sehn. Die Einmüthigkeit, mit der das
innerlich reichste der Stücke die „Lebendigen Stunden"
verurtheilt und die Einmüthigkeit, mit der das innerlich
ärmste, die Literatur, überschätzt werden sollte, hab ich
nicht vorausahnen können.
Ich hoffe Sie erholen sich in Heidelberg gut von aller
Besorglichkeit und Arbeit und erhalten aus Berlin
die schönsten Nachttelegramme.
Mit herzlichem Gruss Ihr