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S. FISCHER, VerLAG
xyz
1898.
BERene W., den 11. Februar
Telephon: Amt VI, No. 1662.
Bülowstrasse 91.
Herrn Dr. Arthur Schnitzler.
Wien.
Lieber Herr Doktor!
Herr Dr. Albert Osterrieth, den ich wegen des „Liebesreigen“
consultiert habe, schreibt mir heute Folgendes:
„Ein eingentliches Sachverständigen-Gutachten kann ich Ihnen
nicht geben, da es sich doch wesentlich um eine rein subjek-
tive Anschauung handelt, und die moralische Empfindlichkeit
eines Staatsanwalts oder Gerichtshofs schwer vorher zu beur-
theilen ist.-
Rein privatim kann ich allerdings die Befürchtung nicht
unterdrücken, dass die Skizzen, so fein durchgeführt sie
ge¬
sind, manchen Anstoss erregen werden und vielleicht auch
Cultivateur
richtlich verfolgt werden könnten. Es zirkuliert bei uns
französische Literatur, die jedenfalls in vieler Beziehung
bedenklicher ist als der Liebesreigen. Indessen glaube ich,
dass man mit deutsch geschriebenen Sachen strenger ist als
mit französischer Literartur, der - mit Recht oder Unrecht -
der Ruf der Liederlichkeit anhaftet.
Alles in allem glaube ich daher, - so sehr die Unterlas-
sung der Veröffentlichung dieser Skizzen zu bedauern wäre,
dass Sie sich, im Fall Sie den Liebesreigen in Verlag nehmen,
einer
S. FISCHER, VerLAG
xyz
1898.
BERene W., den 11. Februar
Telephon: Amt VI, No. 1662.
Bülowstrasse 91.
Herrn Dr. Arthur Schnitzler.
Wien.
Lieber Herr Doktor!
Herr Dr. Albert Osterrieth, den ich wegen des „Liebesreigen“
consultiert habe, schreibt mir heute Folgendes:
„Ein eingentliches Sachverständigen-Gutachten kann ich Ihnen
nicht geben, da es sich doch wesentlich um eine rein subjek-
tive Anschauung handelt, und die moralische Empfindlichkeit
eines Staatsanwalts oder Gerichtshofs schwer vorher zu beur-
theilen ist.-
Rein privatim kann ich allerdings die Befürchtung nicht
unterdrücken, dass die Skizzen, so fein durchgeführt sie
ge¬
sind, manchen Anstoss erregen werden und vielleicht auch
Cultivateur
richtlich verfolgt werden könnten. Es zirkuliert bei uns
französische Literatur, die jedenfalls in vieler Beziehung
bedenklicher ist als der Liebesreigen. Indessen glaube ich,
dass man mit deutsch geschriebenen Sachen strenger ist als
mit französischer Literartur, der - mit Recht oder Unrecht -
der Ruf der Liederlichkeit anhaftet.
Alles in allem glaube ich daher, - so sehr die Unterlas-
sung der Veröffentlichung dieser Skizzen zu bedauern wäre,
dass Sie sich, im Fall Sie den Liebesreigen in Verlag nehmen,
einer