A47: Schulaufsätze, Seite 114

Er konnte das Wesen der Dudophöfe jener
Schillers „Kabale & Liebe“
Heil zur Gemüge; die Figuren des Dramas
als Quelle für die zeitgenössische Sittenge¬
hatte er selbst keinen und zum großen Theil
schichte.
verachten gelernt. Beamte und Wurdenträ¬
ger, die zu ihrer hofen Stellung aufkommen und mehr
Es nachte das Ende des vorigen Jahrhunderts. Reichsum
durchs weite Land wehte eine Lühl des Sturms und als zweideutigen Wegen gelegt waren, Dienst¬
fertige Schurken, die jenen für eine „angemessen
drangs. Eine glühende Sehnsucht nach dem unbestimmten
Bezahlung gern behilflich waren, das angestelte
Jdrat der Freiheit hatte sich in den leidenschaft¬
Ziel zu erreichen, waren Schiller wohl bekannt.
lichen Herzen der Jugend entzündet, und Gedanken,
Eben so ist auch der Hofmarschall von Kalb
noch unreif zur That gährten ungeduldig in den
vollständig nach der Natur gezeichnet.
erhitzten Gemütern. Es war die Zeit des en aßlosen Dorni¬
Freilich dürfen wir nicht vergessen, daß
gens in eine ungewisse Zukunft, die Gegenwart
Individuen von dieser Sorte auch in unserm
war den kraftgenialischen Geistere zu eng: Kerker,
Jahrhundert vorzukommen pflegen, und daß
luft lastete dumpfig auf der sehnsüchtigen Brust
Charaktere in allen Sphören der Erde und in aller
und mit verzehrender Ungeduld harrte das
Zeiten sich gleichbleiben Nun für die Lade Milford! Freilich
gedrückte Volk einer neuern, schönere Zeit entge¬
hat längst die Stunde geschlagen. Es sei fern
gen.
von mir, über die Lady Milford, wie sie uns
In jenen Tagen nun war es, wo Schiller mit seinem
Sihiller gezeichnet, geringschützend zu reden.
Dranna Kabbale & Leibe hervortrat. Diesste Idee
aber diese Milford ist nicht das Spiegelbild
hatte er im Gefängnis zu Stuttgart gefasst;
aller jener Favoritinen, in deren Umarmun¬
Die Gestaltung der der lag ihm nicht allzufrau¬