A47: Schulaufsätze, Seite 131

Anschauungen des Mittelalters ziemlich ferne lagen,
umso fremdartiger und eigentümlicher berühren,
und wenn man früher eben nur jene Verschmel¬
gung romantisch nannte, so bezeichnet man jetzt
alles, was ungewöhnlich und abenteuerlich zu sein
scheint, mit diesem Namen.
die Idee der Romantik findet ihren gewaltig¬
sten Ausdruck in einer poetischen und in
einer welthikorischen That, im Uibelungenlied
und in den Kreuzzügen. Und eben daraus
werden wir jene Idee zu entwickeln suchen.
Wenn wir die Sieghriedhage, wie sie uns
einerseits in der Bda, anderseits im Vitelun¬
genlied erhalten ist, vergleichen, so drängt
sich uns die Frage auf, welche Einflüsse es
waren, diesene Mythe der Edler zu der
unserm Fühlen und Denken weit näher
gerückten Erzählung des Nibelungenbedes
gestalteten. Der jugendkräftige Held
Siegfried ist das Protothx des echten Menschen¬
tums der alten Zeit./. Bemahr unter allen
In diesem Sinne läßt er sich wohl mit Faust
Völkern finden wir seine Gestalt, wenn
auch unter den verschiedensten Namen, und
überall ist er derselbe, wenn auch der Hinter¬
grund, von dem sich sein gewaltiges Bild
abhebt, ein verschiedener ist. In der Edda
umgibt ihr die nordische Götterwelt; immitten
überirdischer Wesen erblüht der stolze Held
Siegfried und geht dort unter. Die deutsche Sage
hat jene überirdischen Wesen zu Menschen gemacht.
Aus dem Nibelungenlied weht es uns gleichsam
traulicher, hei matlicher an als aus der Eda
In den Grenzen, die die deutsche Sage
um uns zieht, fühlen wir uns wohler als
in dem Fremden, unbekannten Nord an. Das
heidnisch germanische Element der Kampfesfreu¬
digkeit mußte sich mit einer Idee, welche un¬
serm deutschen Empfinden näher stand, mit der
vergleichen, der das Protothy des Menschen¬
tums der neuen Zeit bildet. Denn wir in den
seltesten Jahrhunderten die höchste körperliche
Kraft der Menschheit als bedeutendßes Ziel vor¬
schwebte, so ist die höchste geistige Vollendung
das Ideal der neuen Zeit.