A68: Aegidius, Seite 230

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Dann meines Denkens letzter, höchstes Ziel
Ist klar und greifbar- wie das nun nicht
Verschwommen in dem Nebel der Vermutung
Schwebt eurer Sehnsucht bald, und leicht verschwebt es
könt ihrs in Worten schildern, wie ichs könnte
Wenn ich auch beide verth hielt zu vernehmen,
Was unter uns ich eben nur begreife¬
Geböt ich 6 euch, ihr müßtet machtlos schweigen.
Wenn ihr mir schwarze Fläche gabt und Kreide,
In wenig Augenblicken stand' es da,
Das süste Bild, das meine Sehnsucht such 1
Eins-hell- und schön- und in sich selbst vollendet,
Was berichtet ihr für Mitte und für Wege
Mein würdiger Bruder Augustin, um über
di graue Flut verworrener Gedanken
Aus Ufer helles Klarheit mich zu führen?
Von Worte eine Bücke mußt ihr zimmera¬
Pacht von Worten eine Brücke! Auf und nieder
Schrankt hin und schwingt, sich hößere sie und her,
Dum fürcht' ich mich, die Brücke zu beschreiten;
Denn eine Sage geht: Sobald der Wonder¬
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Erst drüber ist, er blindet er sogleich.
Was nicht ihm dann die Klarheit, wegs herum¬
Ach! andere ist sie ja bestimmt als ihm.
Er darf sich nimm es ihres Strahlen freun,
Sich nicht im Meer des seligen Lichter barten.
So ist, ihr lieben Brüder. La! und davum
Wird auch die feurigste Beredsamkeit
Vergebens sich in heißen Mühen gnälen
Mir das zu schildern, was sie selbst nicht kennt;
Nicht kennt, weil sie's nicht sah; weilsies nur ahnt.
(Als wieder mit einem Mal in einen neuen Ge¬
danken Kreis gekommen)
Äsnt-ahnt¬
Augustin Ansidius, mein lieber Bruder,
Auf schlimmen Vorweg wandelt euer Sinn.
Geht heute leichten!
Regidius (hat nicht drauf gehört) Ahnt! Und ist mein
Wissen
Denn mehr als das?
Augi Aus, wir alle,
Augustin.
Wir ihnen nur (Regid. Lachelt) kein wahres Wissen gibts