A68: Aegidius, Seite 33

Negidius.
Du liesest Glück! Ja, ja, ich hab’s gefunden!
Ein Mandrer war ich, Mädchen — eine Frefahrt
Mein Leben. Seit ich jene Reise antrat
Durch's weite Land der menschlichen Gefühle,
Geschah mir nie so wohl wie jetzt. - Laß mich
Die süßen Lippen küssen, die holdflästernd
Sich völlig mir zu eigen gaben. Liebe
Giebt als Geschenk sich freudig selbst dahin.
Die Kleinlichkeit der schlaffen Vorurteile
Verschwindet von der wahren Leidenschaft
Wie der Gemuss von kurzen Augenblicken
Zu einigem Glücke mählig sich verklärt.
Was kümmern uns die Leute unter uns
Mit ihrem schüchternen Empfinden, die
Vor dem, was allerhöchste Monne ist
Furchtsam erbeben, und gleichgiltige Schnörkel
Von Menschenhand an's Götterbild zu malen.
Ein Wandrer wirft sich unter Baumes schatten,
Wenn heiß die Sonne auf die Erde glüht;
So offen liegt das Glück vor uns, Geliebte,
daß wir genießen - doch die Menschheit ist
Vernarrt in ihre Schnörkel, und pedantisch
Mißt das Jahrhundert die Gefühle ab.
Ich aber rufe kühn: die Lieb' ist frei¬
Und also lieb’ ich dich und liebst du mich¬
Was ist die Welt, wenn sich zwei Menschen lieben!
Felicitas.
Nichts ist sie, nichts! Mein liebsten, liebster¬
(Sie umarmt ihn leidenschaftlich)
Du mußt mir doch einmal erzählen, liebster
Wie er vormals dir erging.
ségidius.
Nicht gut, nicht gut...
Drum las mich heute. Zu gelegner Stunde
Will ich von hin gezogen Tagen verlen.
Jetzt bin ich glücklich! Könnt ich doch, Geliebte
Dir unverwandt in's blaue Auge sehe,
An deiner Seite weilen, wortlos; deine
Trautholde Hand still in der meinen halten
Und oft, wenn allzuriel des Glücks ich fühle,
An deinem Halse weinen wie ein Kind -!
Er verbergt sein Antlitz an ihrem Busen; sie fährt ihm durchs
Haar u. küsst ihn leise auf die Herrn)
Leonhard tritt auf.