A85: Das Vermächtnis. Schauspiel in drei Akten, Seite 94

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weiß gewiß von allen denen, wer sie sind. — Diese ver¬
Agnes (lächelt selig; dann) Und wohin wird er heute
dammten Weiber!
Abend gehen?
Franziska (hat beide Fenster geöffnet; steht an dem Fenster links.)
Gar keine Sonne ist mehr! Und aus mit der Praterfahrt!
Franziska (zuckt lächelnd die Achseln).
Agnes. Siehst Du, das ist das Schreckliche! Drum
Agnes (nahe bei Franziska). Er müßte mir auch alles
wár' es das gescheidteste, wir wären verlobt; da wär' er
verzeihen.
Abends bei uns oder ich bei Euch. Das wäre höchst be¬
Franziska (lächelt).] Komm, jetzt ist's erst recht luftig.
ruhigend.
[Agnes. Ich verdien's, Franzi.
Franziska. Oder gar verheirathet. Das wäre ja
Franziska (schlingt ihren linken Arm um Agnes Hals und zieht
noch beruhigender.
sie so an's Fenster). (Ich weiß, ichweiß, und jetzt reden wir
Agnes. Ach Gott, daran denk' ich noch nicht. Wenn
nichts mehr drüber.
wir nur erst verlobt wären, das wär' schon genug. Und
Agnes. Du bist so kalt, Franzi.
siehst Du, sofort würd' ich ihm alles verzeih'n.
Franziska. Nein.
Franziska. Was Du nicht sagst!
Agnes. Was soll man denn jetzt noch seh'n? Die
Agnes. Denn nicht wahr, diese alten Geschichten
„schönen" Leute sind alle fort.
Das geht nun einmal nicht anders. Wir haben alle unsere
Franziska. Ein Schöner kommt gewiß noch.
dunklen Punkte in der Vergangenheit.
(Sie schauen zum Fenster hinaus.)
Franziska. Wir?
Agnes. Wir auch! Es geht nur anders aus
8. Auftritt.
Franziska. Nun also.
Franziska. Agnes. Lulu.
Agnes. Ja, weil wir Mädchen sind, junge Damen.
Aber wer weiß. —
Lilu (kommt, und wie er sie sieht, läuft er zu ihnen, steckt den Kopf
— Siehst Du, ich bin gar nicht stolz, daß
ich brav bin.
zwischen beiden durch).
Franziska (beinahe erschrocken). Was ist denn? Was isi
Franziska. Das soll man auch nicht. Wie könnt's
denn anders sein.
denn?
Lulu. Ich hab genug von den älteren Damen. Kinder,
Agnes. Und außerdem — ich war ja schon einmal
als ganz kleines Mädel verliebt — in unseren Geographie¬
spielen wir 'was.
lehrer
Agnes. So ein großer Bub' spielt noch.
Lulu. Ah, nicht wie Du meinst... Ringer ringer
Franziska (lächelnd). Ich weiß.
Reiher meint sie, oder so 'was!... Wir spielen etwas mit
Agnes. Ja, heute lach' ich auch drüber! Aber es war
Wetten. Paßt auf. Zum Beispiel... siehst Du, Agnes,
sehr arg! Freilich, dann ist — Er — gekommen!
— Er!
dort kommen zwei Wagen unterm Viaduct hervor... welcher
Franziska (lächelt).
früher bei uns ist, hat gewonnen. (Auf die Straße weisend.) Da
Agnes. Wenn ich so zurückdenke, wie oft er früher bei
uns war! Und jetzt muß man ihn immer extra einladen
ist das Ziel. Ich wette auf den linken.
Franziska. Er geht so wenig in Gesellschaft in den
Agnes. Ich auch.
letzten Jahren.
Lulu. Aber Du mußt ja auf den anderen wetten, Du.
Agnes. Sind wir denn eine Gesellschaft? — Die Mama
Agnes. Also gut.
und ich? - In früheren Jahren, gerade, wie ich noch ein
Lulu. Da ist das Ziel.
Kind war, ist er stundenlang bei uns gesessen. Die Mama
Agnes. Wo denn?
war ja seine Vertraute. Ja, Du, das ist ganz bestimmt so.
Als Manuscript gedruckt.
Er hat ihr sicher alle seine Abenteuer erzählt! Die Wama
Das Vermächtnis.