A85: Das Vermächtnis. Schauspiel in drei Akten, Seite 93

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Agnes (ernst). Sicher.
Franziska (lacht). Wie wär's dann mit uns zweien?
Franziska (erröthend, lächelnd). Bist Du dagegen?
Agnes. Wir würden uns doch gerne haben. Er müßte
Agnes. Na... Uebrigens kenn' ich ihn noch immer nicht.
sich entscheiden. (Sie ist bei den Bildern.) Diese Sachen machen
Franziska. Er ist ein ernster Mensch.
Agnes. Stimme Deines Vaters.
Franziska. Findest Du nicht auch?
mich rasend.
Franziska. Welche denn?
Agnes. Die da, und die da, uud... glaubst Du,
Agnes. Ja ja... (Sie öffnet die Jalousien des anderen
daß er die alle gern gehabt hat? (Sie nimmt aufs Gerathewohl
Fensters.) Sonst wird es gar zu dunkel
Franziska. Komm, wir wollen... Ach so...
Franziska. Wie kannst Du Dir nur so was denken!
eine Photographie hervor.
Agnes. Wie meinst Du?
Siehst Du, von der weiß ich sogar zufällig, wer sie ist. Das
Franziska. Lieber hier bleiben, was?
Agnes. Ja. (Sieht sich fast zärtlich im Zimmer um.) Ja. Er
ist eine gewesene Freundin von Brander.
Agnes. Das möcht' ich mir ausbitten, wenn ich der
ist zwar kein ernster Mann
Brander wäre, daß meine gewesenen Freundinnen da im
Franziska. Da irrst Du Dich. In den letzten Jahren
ist er so reif geworden.
Paravent stecken. Und das da?
Franziska. Schau, was Du für ein Kind bist! Das
Agnes. In den letzten Jahren — das ist möglich.
Ich weiß eigentlich nicht viel von ihm — in den letzten Jahren.
Agnes. Was beweist das? Weil sie Schröder heißt
ist die Schröder.
Gekannt habe ich ihn doch nur, wie ich ein kleines Mädel war.
Franziska. Nicht deswegen. Aber sie ist im Jahre
Franziska (lächelud). So?
Agnes. Ja, wie er so oft bei uns gewesen ist, immer
1787 geboren. War eine berühmte Schauspielerin
stundenlang bei uns gesessen und Klavier gespielt hat. Damals
Agnes. Lebt sie noch?
Franziska. Nein. Uebrigens wäre sie dann 110
war er sehr lustig. Er ist es gewiß noch immer
nur sitzt
er wahrscheinlich irgend wo anders als bei uns. Aber er
Agnes. Was haben diese todten Weiber da hinter dem
wird schon zu uns zurückkommen — und dann — (glücklich)
Jahre alt.
wird er bleiben — nicht wahr'
Franziska. Komm, Kind, schauen wir lieber zum
Schreibtisch zu suchen?
Franziska. Hoffen wir!
Agnes. Hoffen wir — freilich, hoffen wtr. — Das ist
Ah, ich hab' ihn so
Fenster hinaus.
Agnes (droht ihr beinahe ernst mit dem Finger).
doch mein ganzes Leben, Franzi!
So lieb hab ich ihn! — Weißt Du, ich könnte
lieb!
Franziska. Nun, was denn?
Agnes. Es giebt auch lebendige Damen.
weinen..
Franziska. Dagegen ist nichts zu machen.
Franziska (streichelt ihr die Haare).
Agnes, Leider, leider... (Als wenn sie eine Neuigkeit er¬
Agnes. Weiß er’s?
Franziska (zuckt die Achseln).
zählte.) Er ist auch schön.
Agnes. Oh, wenn ich einen Bruder hätte, wüßt ich
Agnes (vor sich hin). Und nichts weiß man von so einem
Franziska (nickt).
alles von ihm.
Menschen! Da rennt er davon, und... Wo ist er jetzt
Franziska. Ich weiß manches.
Agnes. Glaubst Du... hab ich.. (zögernd) hab' ich
Franziska. Das kann ich Dir sogar ganz genau
zum Beispiel?
Chancen bei ihm? Ach Gott, lach doch nicht.
sagen: Zwischen dem Lusthaus und dem Rondeau. Und in
Franziska. Ich versteh' Dich ja so gut, Kind. Wenn
er nicht mein Bruder wär’, hätt’ ich mich wahrscheinlich selbst
einer Viertelstunde wird er zu Hause sein.
in ihn verliebt.
Als Manuscript gedruckt.