A85: Das Vermächtnis. Schauspiel in drei Akten, Seite 109

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Franziska. Warum nicht?
Toni. Ich könnte es nicht ertragen. (Pause).
Betty. Was mir eben wieder eingefallen ist, Toni,
Sie müssen doch bald einmal in Ihre alte Wohnung hier in
der Stadt schauen.
Toni. Nein, nein
Betty. Es wird doch nothwendig sein. Die Zimmer
könnten weiter vermiethet werden, während wir auf dem
Lande sind. Oder soll ich hinschicken, alles abholen lassen?
Toni. Nein, gnädige Frau, ich danke sehr Da
geh' ich doch lieber selbst hin. Es ist noch manches dort
das ich gerne bei mir haben möchte.
Franziska (von dem Kinde weg, herzlich). Wenn ich Sie be¬
gleiten würde, Toni?
Toni. Sie wollen mit mir?
Franziska. Ich denke, wenn Sie nicht allein hin
müssen, wird es Ihnen leichter sein.
Toni. Das ist schon möglich.
Franziska. Wenn es Dir recht ist, Mama, wollen wir
das gleich besorgen.
Betty. Ich habe nichts dagegen. Nur möchte ich nicht,
daß Du lange fortbleibst. Doctor Ferdinand wird
Franziska (leicht verlegen). Wenn er mich sehen will,
wird er schon auf mich warten.
Gustav (wirft einen Blick auf Emma)
Toni. So wollen wir also gleich gehen, Fräulein
Franziska?
Franziska. Sagen Sie mir doch „Franzi", wie die
andern — wozu das „Fräulein"
Toni. Wie gerne!
Franziska. Also adieu!
Gustav. Ich begleite die Damen — wenigstens die
Stiege hinunter. Ich komme direct von der Bahn und war
noch nicht zu Hause. — Sie erlauben mir doch, bald wieder
zu kommen, gnädige Frau. Ich glaube auch im Sinne Hugos
zu handeln, wenn ich mich manchmal nach dem Kleinen
umschaue.
Betty. Kommen Sie nur oft.
Gustav. Also auf Wiedersehen
Betty (zu Toni). Den Kleinen lassen Sie uns da, Toni.
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Gustav. Pah, Franzerl, morgen sehen wir uns wie-
der, ja?
Toni. Freust Du Dich denn nicht, daß morgen der
Onkel Gustav wiederkommt?
Emma. Wie Sie gekommen sind, hat er gelacht.
Toni. Jetzt lacht er auch. Er hat ein eigenes Lachen
das ist anders wie sonst bei Kindern - das kenn' eigent-
lich nur ich — (Pause der Bewegung)
Franziska. Adieu, Tante Emma.
Gustav. Küß' die Hand, meine Damen!
(Gustav, Franziska, Toni ab).
8. Auftritt.
Betty. Emma. Kind.
Betty (zu dem Kinde). Mein süßer Bub! (zu Emma). Wenn
und ich wüßte
ich denke, der könnte auf der Welt sein
nichts davon!
Emma. Das wäre auch möglich.
Kind. Großmama.
Betty. Was denn, Franzl?
Kind. Wirst Du auch mit uns im Garten spielen, wenn
der Papa zurückkommt?
Betty. Freilich, Franzl, freilich. — (Sie entfernt sich von dem
Kinde — ist sehr bewegt. Pause.) Ach Gott, wie wenig von seinem
Leben hat uns gehört. Ich darf garnicht daran denken.
Emma. Hast Du's nicht manchmal gefühlt?
Betty. Das mag wohl sein. Wenn man einen Sohn
in dem Alter hat, — muß man ja an Manches denken. Aber
daß er ganz wo anders daheim ist als bei uns, Emma!
daß es etwas giebt, was ihm theurer war, als wir Alle
als ich — — nein, das hab' ich nicht geahnt.
Emma (schweigt).
Betty (mit Blick auf das Kind). Hätt’ ich's nur früher ge-
wußt! Mir kommen jetzt diese letzten Jahre so entsetzlich
fremd - so — ich weiß gar nicht, wie ich Dir das sagen
soll — ganz unheimlich kommen sie mir vor. Jetzt weiß ich
ja erst, wie viel, wir unendlich viel er... mir schuldig ge¬
blieben ist.
Emma. Du bekommst doch vieles wieder zurück.
Als Manuscript gedruckt.