A85: Das Vermächtnis. Schauspiel in drei Akten, Seite 111

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Adolf. Mit Franzi? Zusammen? — Hm
Betty. Ja.
Adolf (auf und ab). Im Prinzip ist ja dagegen nichts
einzuwenden. Aber es könnte falsch aufgefaßt werden.
Betty. Wieso?
Adolf. Ich werde Euch das erklären. Es könnte so
aufgefaßt werden, als ob wir uns darauf etwas zu Gute
thäten.
Betty. Zu Gute?
Adolf. Ja. — Seht her — unsere Tochter, ein junges
Mädchen, lassen wir bei helllichtem Tage mit dieser... (Blick
auf Emma) mit Toni in der Praterstraße spazieren gehen — ja,
das thun wir — so egal seid Ihr uns. — Es ist zu ab¬
sichtlich, Betty, wir werden ohnedies noch genug Kämpfe zu
bestehen haben —
Betty. Kämpfe?
Adolf. Thut ja nichts, die Sache ist das schon werth
und mit Dir zusammen — Ja, Betty, Du bist mein
tapferes Weib. Wir wissen doch, wofür... für diesen kleinen
füßen Engel da! (Zum Kind, das zu weinen begonnen hat.) Ja, was
hast Du denn? Was habt Ihr denn nur mit dem Buben
gemacht? (Zum Kind.) Du sollst nicht weinen! Warum weinst
Du denn? (Sehr nervös.) Ach Gott, ach Gott — das ver¬
trage ich absolut nicht. Betty, willst Du den Kleinen nicht
lieber in ein anderes Zimmer bringen?
Betty. Komm, Franzerl.
Adolf. Aber die Trompete da soll er sich mitnehmen.
Na, da nimm... da. (Giebt dem Kinde die Trompete.)
(Betty und das Kind ab.)
10. Auftritt.
Emma. Adolf.
Adolf (im Zimmer auf und ab). Ist das Leben nicht sonder¬
bar? Da ist man nun längere Zeit — Großpapa gewesen
und hat keine Ahnung davon gehabt. Was sagst Du denn
eigentlich dazu, Emma?
Emma (zuckt die Achseln).
Adolf. Du hast's wohl gewußt?
Emma (wendet sich ab).
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Adolf. Ich sollte Dir eigentlich böse sein, daß Du mir
nichts gesagt hast.
Emma. Das hätt' ich keinesfalls gethan.
Adolf. Du hättest Unrecht gehabt, Emma. Siehst Du,
das wird mir niemand abstreiten: wie ich jederzeit ein liberaler
Mann war, ich habe oft Gelegenheit gehabt es zu beweisen
— so bin ich auch ein liberaler Vater gewesen. Mein armer
Hugo hat sich nie über mich zu beklagen gehabt. Ich kann
von mir sagen, daß ich alles verstehe. Aber — wenn ich
von dieser Sache erfahren hätte — der hättte ich zu rechter
Zeit ein Ende gemacht. Das hab' ich nämlich nicht geahnt.
Siehst Du, der Junge hat viel Geld gebraucht, ich muß sagen
eigentlich mehr, als sonst Söhne aus gut bürgerlichen
Häusern zu brauchen pflegen, aber ich habe mir gedacht, der
Junge lebt wie die anderen jungen Leute, hat seine fidelen
kleinen Aventuren, kurz und gut, er genießt sein Leben. Donner¬
wetter,] man war ja auch einmal jung, man versteht das ja!
Emma. Gott sei Dank, wenn man es nur versteht!
Adolf. Allerdings versteht man es. Aber, was ich
immer stillschweigend vorausgesetzt habe, war: Der Junge hat
ein Verhältnis, wo das Hängenbleiben ausgeschlossen ist. Das
ist doch etwas, was man von seinem Sohne verlangen kann.
Zu allem übrigen hätt’ ich nie ein Wort gesagt... hab ich
nie ein Wort gesagt. Du hast doch davon gewußt, Emma,
Du bist ja seine Vertraute gewesen.
ja.
Emma. Früher einmal
Adolf. Früher, das wissen wir!
Emma. Was wissen wir?
Adolf (ernst). Alles, meine liebe Emma, was rings um
mich geschieht. Glaube, nicht, daß es irgend etwas giebt, das
diesen Augen entgehen könnte.
Emma. Was willst Du damit sagen?
Adolf. Ich kenne die Welt, liebe Emma. Daher fasse
ich die Dinge stets in ihrer wahren Bedeutung auf, nicht
nach der landläufigen Moral. Und meiner Ansicht nach giebt
es garnichts, was einen jungen Mann mehr bildet mehr reift,
oder
als — die Verehrung für eine schöne junge Frau
Witwe... Du bist noch immer schön, Emma.
Als Manuscript gedruckt.