A85: Das Vermächtnis. Schauspiel in drei Akten, Seite 123

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Gustav. Beruhige Dich, Toni! — Wo immer Du sein
wirst — hier oder draußen — vergiß nicht, daß Du einen
Freund hast — (faßt ihre Hand.) einen treuen Freund! —
Toni (entzieht ihm die Hand)..Nein, Gustav." Du hast ja
recht gehabt. Das würde uns doch keiner glauben.
Gustav. Was? - Bin ich’s nicht immer gewesen.
Auch solang Er gelebt hat:
Toni. Aber jetzt ist Er nicht mehr da - jetzst ist es
'was anderes.
Gustav. Ganz dasselbe ist es.
Toni. Heute... ja!... (Steht auf.) Hier muß ich
bleiben wo Er gelebt hat ja — das ist das Einzige.
Auf Wiedersehen, Gustav, im Herbst.
Gustav. Wohin willst Du gehen?
Toni. Ich war heut noch nicht in der Kirche. Ich will
hinübergehen, beten, daß die mich da behalten, dass ich die
Schwester von der Franzi bleiben darf. Leb wphl, Gustav!
(Ab; in der Thür begegnet ihr Ferdinand.)
8. Auftritt.
Gustav. Ferdinand. (Später) Adolf (und) Betty.
Ferdinand (nachdem er Toni nachgesehen). Guten Tag, Herr
Brander.
Gustav. Guten Tag, Herr Doktor!
Ferdinand Was ist dem Fräulein?
Gustav. Ich weiß nicht. (Sie sehen einander in's Auge.
(Adolf und Betty treten ein vorn links; zum Ausgehen angekleidet.
Begrüßung.)
Betty. Es ist schön, daß wir Sie noch einmal sehen.
Gustav. Ich habe eben Toni Adieu gesagt. — (Nach
einer kurzen Pause, einer Eingebung folgend.) Seien Sie gut zu ihr!
sie hat viel gelitten.
Adolf. Mein lieber junger Freund, wir haben auch viel
gelitten — jawohl — und in unserem Alter bedeutet das etwas
mehr! Was wisset Ihr jungen Leute überhaupt von Leiden?
Solange das Leben noch vor einem liegt. — Da ist man
nun dem Himmel dankbar, daß er einem wenigstens so einen
süßen Fratzen gelassen — der Kleine hätte das werden sollen,
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was unserem Hugo nicht vergönnt war. — Na, weine nicht,
meine arme Betty — es hat nicht sollen sein. Der Traum
Betty (nachdem sie sich die Thränen getrocknet). Werden Sie
ist zu Ende. (Pause.)
uns auf dem Lande besuchen, Gustav:
Gustav. Ich hoffe, daß ich einmal. Für alle Fälle
wünsch' ich glückliche Reise — und ein Wiedersehen in besseren
Tagen. (Nimmt Abschied und geht.)
9. Auftritt.
Adolf. Betty. Ferdinand.
Betty. Franzi ist in die Stadt gegangen einige Ein¬
käufe besorgen. Sie muß bald da sein. Wollen Sie auf sie
warten, Ferdinand?
Ferdinand. Gewiß.
Adolf. Wir wollen nur einen Besuch bei Bibers machen.
Sie haben zum Begräbnis vom Kleinen einen Kranz geschickt:
ich finde das charmant.
Ferdinand. Mit Toni haben Sie bereits gesprochen?
Adolf. Noch nicht.
Ferdinand. So. Ich möchte aber zu bedenken geben,
daß heute der letzte Tag ist, an dem etwas Entscheidendes ge¬
schehen kann.
Betty. Lassen wir's doch bis zum Herbst
Ferdinand. Jeder Aufschub ist von Uebel. Ist sie
einmal in der Villa draußen, dann wird sie so lange bei Ihnen
bleiben, als es ihr beliebt.
Betty. Ich hab' heut' wieder die ganze Nacht darüber
nachgedacht. Wir können sie nicht fortschicken, Ferdinand; die
Verantwortung wäre zu groß.
Ferdinand. Ich sagte doch schon! Es giebt ein sehr
einfaches Mittel, sich gegen diese zu schützen — Geld.
Adolf. Das müßte man jedenfalls thun. Ganz selbst¬
Ferdinand. Uebrigens wird sie nicht lange darauf an¬
verständlich.
gewiesen sein. Sie ahnen gar nicht, wie wenig hang mir um
sie ist!
Betty. Aber mir, mir ist hang um sie.
Als Manuscript gedruckt.