A98: Komtesse Mizzi oder: Der Familientag, Seite 41

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Sehen Sie da d'rüben die Mauer, Philipp? Und
unsere Villa war früher einmal ein Jagdschlössel von der
Kaiserin Maria Theresia. Die Sandsteinfigur dort am
Teich ist auch noch aus der Zeit.
Philipp. Und wie alt ist denn eigentlich unser
Schloß, Papa?
Fürst (lächelnd). Unser Schloß, mein Sohn, steht
seit dem siebzehnten Jahrhundert. Ich hab' dir ja das
Zimmer gezeigt, in dem der Kaiser Leopold eine Nacht
geschlafen hat.
Philipp. Kaiser Leopold 1643 bis 1705.
Komtesse (lacht).
Philipp. Das ist noch von der Matura her.
Wenn ich einmal so alt sein... (unterbricht sich)
Pardon!... ich mein’ nur — im nächsten Jahr ist das
alles verschwitzt. Daß er ein so guter Bekannter von uns
war, der Kaiser Leopold, das hab’ sich natürlich noch
nicht gewußt, wie ich die Jahreszahl gelernt hab’.
Komtesse. Diese Entdeckung scheint Ihnen ja
riesig viel Spaß zu machen, Philipp.
Philipp. Entdeckung.
Ja, aufrichtig gestan-
den, eine Entdeckung war das eigentlich nicht. (Sieyt den
Fürsten an.)
Fürst. Red' nur, red’ nur.
Philipp. Also wissen Sie, Gräfin, ich hab' nämlich
immer das Gefühl gehabt, daß ich kein gebürtiger Philipp
Radeiner bin.
Komtesse. Radeiner? (Zum Fürsten.) Unter
diesem Namen...?
Fürst. Jawohl.
Philipp. Es war mir natürlich sehr angenehm,
wie meine Ahnung bestätigt worden ist; — aber gewußt
hab' ich's immer. Man ist doch nicht auf den Kopf
gefallen. Auch in der Schule haben's einige geahnt...
daß ich... Nicht wahr, diese Fabel, Gräfin, daß der
Fürst Ravenstein immer nach Krems fahrt, sich nach
den Fortschritten des Sohnes von einem verstorbenen
Freund zu erkundigen, das ist doch ein bissel roman-
haft gewesen, Fünfkreuzerbibliothek... Und für die
Schlauern war es ziemlich klar, daß fürstliches Blut in
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meinen Adern braust. Und da ich einer von den
Schlauesten war...
Komtesse. Es scheint ja wirklich... Was haben
Sie denn für Pläne für die Zukunft, Philipp?
Philipp. Im Oktober mach' ich mein Freiwilligen-
jahr bei den Sechserdragonern, wo wir Ravensteins
immer dienen. Was dann mit mir g'schieht, ob ich bei
Militär bleib', ob ich Erzbischof werde, mit der Zeit
natürlich...
Komtesse. Das wäre vielleicht das Richtige. Die
Ravensteins waren immer stark im Glauben.
Philipp. Ja, das steht schon in der Welt¬
geschichte. Zuerst waren sie katholisch, im Dreißigjährigen
Krieg sind sie protestantisch geworden, dann sünd sie wieder
zum Katholizismus übergetreten, aber stark im Glauben
waren sie jederzeit. Es war nur immer ein anderer.
Fürst. Philipp, Philipp!
Komtesse. Ja, das ist eben die neue Zeit, Fürst
Egon.
Fürst. Und das Blut der Mutter.
Komtesse. Sie sind sehr fleißig gewesen, erzählt
mir Ihr Papa, haben die Matura mit Auszeichnung
gemacht.
Philipp. Das war keine Kunst, Gräfin. Ich hab'
halt ziemlich rasch aufgefaßt. Das ist wahrscheinlich auch
das bürgerliche Blut in mir. Es ist mir noch zu aller¬
lei Zeit geblieben, was nicht in der Schule vorgeschrieben
war. Ich hab' reiten gelernt und...
Komtesse. Und?
Philipp. Klarinett blasen.
Komtesse (lacht). Warum haben Sie gezögert
das gleich zu sagen?
Philipp. Warum... na, weil alle Leut' lachen,
wenn xth sag', daß ich Klarinett blasen lern'. Gräfin
haben doch auch gelacht. Ist das nicht komisch? Hat
schon je einer gelacht, wenn Gräfin ihm erzählt haben,
daß Sie zum Zeitvertreib malen?
Komtesse. Das wissen Sie auch schon?
Philipp. O ja, Durchlaucht... der Papa hat
mir's erzählt. Und dann hängt doch sogar ein Blumen¬