B17: Brandes, Georg 17 (1) Brandes an Schnitzler, Seite 50

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Schloss Strzebowitz
(30.4.1900)
in Wien. Ich habe Sie sehr lieb und freue mich, dass wir Freunde
gelesen. Er ist so wahr und tief. Ein ganz klein wenig zu rohe.
Ich las jetzt in Bett einige Bücher: Drames de familie, die
Bürget mir schickte, trotzdem er so katholisch geworden ist; die zwei
in Erzählungen, die in unseren nordischen Blättern übel besprochen
G.C.F.P
werden, gefielen mir sehr, wenn auch nicht die moralisierende Schreib-
Picht.
weise, doch Stoff und Ausführung. Dann las ich einen deutschen Roman,
der mir geschickt wurde und der mir gut scheint, Wilhelm Hegeler,
Horer Horstmann, eine sehr tüchtige Leistung. Mit Interesse las ich
Inge
Balzacs Briefe A L'Etrangere d.h.ans eine zukünftige Frau in der ersten
den für mich übrig ha.
vollständigen Ausgabe.
Es war amüsant, den Ton in Lanckoronskis Rund um die Welt mit dem
berends als
in unseres Freundes Goldmanns zu vergleichen. Goldmann hat mehr Geist
und Herz, der Graf hat viel mehr gesehen und (erstaunlicht) er hat da-
rin ein gutes lyrisches Gedicht geschrieben.
Es ist trist, so oft und lange krank zu sein. Ich bin ganz aus-
ser stande, irgend eine ordentliche Arbeit vorzunehmen, meine tägliche
Arbeit besteht allein darin, die Ausgabe meiner sämtlichen Schriften
zu verbessern und zu korrigieren.
Ihr Freund
Georg Brandes.
Schloss Strzebowitz
Schlesien
* Oesterreich
10. Mai 1901
Liebster! Ich habe Ihren Brief und ich habe den Roman mit der grössten
Freude gelesen. Er ist so wahr und tief. Ein ganz klein wenig zu rohe
haben Sie doch vielleicht den Virtuosen gemacht. Man hat den Eindruck,
habe eine sinnliche Enttäuschung erfahren, die Dame hat ja freilich
nicht vor der Umarmung Toilette machen können. Wie es bei der
heisst tub be or not tub be, that is the question. Oder er hat viel-
leicht, wie's gut geht, so viele Frauen an den Hals, dass er nicht
mehr verträgt. Jedenfalls das Buch ist gut. Die Nebenhandlung, die
Geschichte der schönen Frau, sehr fein geführt.
Mittag essen,
Ich glaube, dass ich am 16. von hier über Wien nach Abbazia reise.
Wenn Sie in Wien dann sind und ein paar Stunden für mich übrig ha-
ben, möchte ich schon Mittags um 3,48 nach Wien kommen und bis 8 Uhr
Abends bleiben. Sonst reise ich durch.
Bitte, liebster Freund und Poet, um eine Zeile Antwort.
Georg Brandes.