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finden. Dies Gefühl, ich will es gestehn, verliess mich selten
während meiner Arbeit - und in diesem Gefühl verzieh ich mir mancher-
lei - vielleicht zu viel. Und - immer wieder in diesem selben Ge-
fühl - was ich so niedergedrückt und hoffnungslos, dass ich sagte:
Wie schön war dieser Roman,- eh ich ihn geschrieben habe! - Jetzt
aber, da er fertig ist, schätz ich ihn höher, als alles, was ich bis-
her gemacht - und ich danke Ihnen herzlich für all das gute, das Sie
mir darüber schreiben — und dank Ihnen noch mehr, dass Sie in meinen
Sachen etwas Verwandtes spüren. Was Ihre Freundschaft mir bedeutet,
brauch ich Ihnen wohl nicht mehr zu sagen. Ich hoffe, wir sehen uns
wieder, und nichtin gar zu ferner Zeit, kommen Sie denn gar nicht
mehr nach Wien?
Meine Frau bittet mich, in guter Marienlyster Erinnerung,
Sie bestens zu grüssen. Wir haben keinen guten Winter hinter uns;
meine Frau hatte einen schweren Scharlach. Zwei Monate war das Kind
deshalb ausser Hause; seit dem Frühjahr sind wir viel herumgefahren;
erst seit ein paar Tagen arbeit ich wieder was.
In treuer Verehrung Ihr
Arthur Schnitzler
1641
XVIII, Sternwartestr. 71 Wien, 19.I.911.
Verehrter Herr Brandes,
mit Ihrem Brief über den Medardus hab ich mich sehr ge-
freut. Der Erfolg hier dauert an; das Burgtheater hatte seit Jahren
nicht eine solche Reihe von ausverkauften Häusern; übrigens ist es
eine vortreffliche Aufführung, und es wäre mirmeine wirkliche Genug-
thuung, wenn Sie sie einmal sehn könnten. Natürlich ist unendlich viel
gestrichen; darunter Scenen von bedutender Wichtigkeit - und ich
selbst war der Streicher; von der alten Theaterfahrung ausgehend,
dass das Publikum gegen Längen empfindlicher ist als gegne Lücken. Ich
hatte das Stück geschrieben, ohne die Eventualität einer Aufführung
Überhaupt in Betracht zu ziehn, liess meine Phantasie und meine Feder
laufen, wie es ihnen beliebte, hatte aber natürlich immer die leben-
digen Bühnenbilder vor mir, ohne recht zu glauben, dass es mir ver-
gönnt sein würde, sie je in Wirklichkeit zu erblicken. Schon Schlenther
nahm das Stück an, konnte sich aber in bekannter Weise nicht entschlies-
sen, seine Absicht zur That zu machen; erst dem Baron Berger verdankt
das Stück sein Erwachen zum Bühnenleben. Seither ist schon manches an-
dere fertig geworden und Sie, verehrter Freund, der allen meinen Ar-
beiten mit so wohltuenden Interesse entgegen kommt, werden natürlich
auch in den neuen und neuesten Fällen die Consequenzen zu tragen haben.-
Denken Sie nicht dran, dach langer Zeit endlich wieder nach Wien zu
kommen? Wie gern möchte ich mit Ihnen reden, Sie in meinem Hause be-
grüssen— "Mein Haus" sag ich, denn im vergangenen Sommer hab ich von
Frau Bleibtreu, der Witwe des Schauspielers Römpler - (sie spielt die
Frau Klaehre im Medardus), eine kleine Villa in Cottage gekauft, die
ich mit Frau und Kindern— (den Buben, der jetzt 8 Jahre ist, kennen Sie
von Marienlyst her, das Mädchen ist kaum anderthalb Jahre alt) bewohne.
So darf ich mich mancher inneren wie äusseren Erfolge erfreuen, und
finden. Dies Gefühl, ich will es gestehn, verliess mich selten
während meiner Arbeit - und in diesem Gefühl verzieh ich mir mancher-
lei - vielleicht zu viel. Und - immer wieder in diesem selben Ge-
fühl - was ich so niedergedrückt und hoffnungslos, dass ich sagte:
Wie schön war dieser Roman,- eh ich ihn geschrieben habe! - Jetzt
aber, da er fertig ist, schätz ich ihn höher, als alles, was ich bis-
her gemacht - und ich danke Ihnen herzlich für all das gute, das Sie
mir darüber schreiben — und dank Ihnen noch mehr, dass Sie in meinen
Sachen etwas Verwandtes spüren. Was Ihre Freundschaft mir bedeutet,
brauch ich Ihnen wohl nicht mehr zu sagen. Ich hoffe, wir sehen uns
wieder, und nichtin gar zu ferner Zeit, kommen Sie denn gar nicht
mehr nach Wien?
Meine Frau bittet mich, in guter Marienlyster Erinnerung,
Sie bestens zu grüssen. Wir haben keinen guten Winter hinter uns;
meine Frau hatte einen schweren Scharlach. Zwei Monate war das Kind
deshalb ausser Hause; seit dem Frühjahr sind wir viel herumgefahren;
erst seit ein paar Tagen arbeit ich wieder was.
In treuer Verehrung Ihr
Arthur Schnitzler
1641
XVIII, Sternwartestr. 71 Wien, 19.I.911.
Verehrter Herr Brandes,
mit Ihrem Brief über den Medardus hab ich mich sehr ge-
freut. Der Erfolg hier dauert an; das Burgtheater hatte seit Jahren
nicht eine solche Reihe von ausverkauften Häusern; übrigens ist es
eine vortreffliche Aufführung, und es wäre mirmeine wirkliche Genug-
thuung, wenn Sie sie einmal sehn könnten. Natürlich ist unendlich viel
gestrichen; darunter Scenen von bedutender Wichtigkeit - und ich
selbst war der Streicher; von der alten Theaterfahrung ausgehend,
dass das Publikum gegen Längen empfindlicher ist als gegne Lücken. Ich
hatte das Stück geschrieben, ohne die Eventualität einer Aufführung
Überhaupt in Betracht zu ziehn, liess meine Phantasie und meine Feder
laufen, wie es ihnen beliebte, hatte aber natürlich immer die leben-
digen Bühnenbilder vor mir, ohne recht zu glauben, dass es mir ver-
gönnt sein würde, sie je in Wirklichkeit zu erblicken. Schon Schlenther
nahm das Stück an, konnte sich aber in bekannter Weise nicht entschlies-
sen, seine Absicht zur That zu machen; erst dem Baron Berger verdankt
das Stück sein Erwachen zum Bühnenleben. Seither ist schon manches an-
dere fertig geworden und Sie, verehrter Freund, der allen meinen Ar-
beiten mit so wohltuenden Interesse entgegen kommt, werden natürlich
auch in den neuen und neuesten Fällen die Consequenzen zu tragen haben.-
Denken Sie nicht dran, dach langer Zeit endlich wieder nach Wien zu
kommen? Wie gern möchte ich mit Ihnen reden, Sie in meinem Hause be-
grüssen— "Mein Haus" sag ich, denn im vergangenen Sommer hab ich von
Frau Bleibtreu, der Witwe des Schauspielers Römpler - (sie spielt die
Frau Klaehre im Medardus), eine kleine Villa in Cottage gekauft, die
ich mit Frau und Kindern— (den Buben, der jetzt 8 Jahre ist, kennen Sie
von Marienlyst her, das Mädchen ist kaum anderthalb Jahre alt) bewohne.
So darf ich mich mancher inneren wie äusseren Erfolge erfreuen, und