A107: Die Schwestern oder Casanova in Spa. Lustspiel in Versen (Eifersucht, Die Wiederkehr, Spion), Seite 42

Arthur Schnitzler
So strahlend sich am Schluß des Mädchens Treue
Als albern ihres Liebsten Mißtrau'n weist.
Doch ist dein Wesen solchen Spielen fremd
— Wie mein Geschmack. Flaminien überlaß es
Und ihresgleichen, mit Gefühlen Spott
Zu treiben, die ein Herz nicht fassen kann,
Dem Liebe ein Geschäft, ein Spaß vielleicht,
Im höchsten Falle flücht'ge Lust bedeutet.
Bei Gott, die Galle stieg mir, als ich sie
Und ihren saubern Santis, den Baron,
Freundnachbarlich in unserm Zimmer fand.
Wie durftest du! — Und nicht genug daran,
Daß über unsere Schwelle du sie ließest —
Vertraut mit solchem Paare, ja verschworen!
Denn nur von ihnen ward es ausgeheckt. —
Wahrhaftig, nie hätt' ich's mir träumen lassen,
Daß du, kaum erst vom Elternhaus entfernt,
Mit solchen Leuten dich so wohl verstehst.
Anina: Doch nicht so sehr als du, Andrea, der
Im Reisewagen schon sich mit Flaminia
Vortrefflich unterhielt — wie an der Tafel,
Bei der du Glas auf Glas mit Santis leertest,
Um erst heut früh vom Spiele heimzufinden.
Andrea (aufatmend): Das also —71 Einmal und nicht wieder! Doch
Da's unserer Reise Zufall so gefügt,
So nützt' ich gerne die Gelegenheit,
In solches Treiben tiefer einzublicken,
Als der gewohnten Tage Lauf gewährt.
Auch ging es leidlich aus. Sieh her. So viel
(öffnet den Sekretär)
Gewann ich. Gold genug, um noch ein Jahr
Und länger vornehm durch die Welt zu reisen.
Doch wollen wir, ich schwör's dir zu, uns künftig,
Ob uns nun Deichsel oder Speiche bricht,
Vor so bedenklicher Gesellschaft hüten.
So ich wie du. Und jeglicher Versuchung
Mit einer kühnen Wendung zu entgehen;
Die Stätte drohender Wirrnis und Gefahr,
Sie sei von dieser Stunde, an gemieden
Und mit der Eilpost fahren wir davon.
Mach dich bereit.
Anina:
Ich bin's. Doch zweifl' ich fast,
Ob unsere Wege miteinander gehn.
Die Schwestern
Andrea: Was soll's, Anina? Wenn ich deinen Scherz,
Den allzu bösen, dir so leicht verzieh,
Was kommt dich an, mir weiter noch zu zürnen,
Daß eine Nacht — die erste und die letzte —
Ich dein vergaß mit Trunk- und Spielgenossen.
Nicht mit Flaminia, die — du sahst es wohl
Vor dir aus der Gesellschaft sich entfernte.
Anina: Willst du so gern mich mißverstehn, Andrea,
Und magst an Groll, an Rache lieber glauben,
Wovon mein Herz nichts weiß, als hinzunehmen,
Womit so oft dein unfroh schwerer Sinn
Umdunkelt unser junges Glück, und was
— O, faß es endlich, was ich selbst nicht fasse —
Was Wirklichkeit geworden heute nacht.
Andrea: Sprich's aus.
Noch einmal —?
Anina:
Casanova?
Andrea:
Anina:
Andrea (zuerst starr, dann zieht er den Degen; auf sie zu).
Anina: Stoß zu! Wär' ich auf solches Ende nicht
Gefaßt gewesen, hätt' ich denn gesprochen?
Andrea: Er hat am Leben dich bedroht! Den Mund
Mit einem Knebel dir gestopft! — Er mengte
Bei Tisch ein Elixier dir in den Wein!
Du hast es nicht gemerkt. Dergleichen Künste
Sind ihm vertraut. — Kein Zaubrer — doch ein Schurke.
Wer weiß es nicht —? Zu fliehn riet ihm dein Brief
Er kann nicht weit sein. — O, mein Degen, glaubst du,
Der in Bologna sich mit edlern kreuzte —?!
Ihn schänd' ich nicht. (Er stectt den Degen ein.) Auf die Galeeren soll er
Als ein Verbrecher — der er ist
Vielleicht.
Anina:
Doch kommt es mir nicht zu, ihn anzuklagen.
(Große Pause.)
Andrea (rubta): Mitschuldig also — und du bist noch da?
Anina: Ob wir uns trennen müssen, steht bei dir.
Verschweigen will ich nichts. Doch willst du hören?
Andrea (nickt stumm, finkt auf einen Stuhl).
Anina: Ich war allein. Es rückte Stund' um Stunde,
Vergeblich harrt' ich, ohne Schlummer, dein.
Hinaus ins Dunkel lauschte hang mein Herz,
Bis angerührt vom Schweigen ringsumher
Es mählich selber stumm und müde ward.
2 Deutsche Rundschau. XI.VI, 1.