A107: Die Schwestern oder Casanova in Spa. Lustspiel in Versen (Eifersucht, Die Wiederkehr, Spion), Seite 52

Arthur Schnitzler
Und ohne Ihr Gepäck? — Ein Liebeszank!
Wir sahn es kommen. Hat er Sie vielleicht
(Gebärde des Schlagens.)
Nun, das kommt vor. — Wer läuft darum gleich fort?
Tät' jede Frau wie Sie, nach jedem Zwist
Die Reisekoffer stünden dutzendweise
In Gasthofzimmern halbgepackt herum.
Anina (will an ihr vorbei): Ich bitte Sie
Und also, fein beschuht,
Flaminia:
Gedenken Sie die Straße fortzuwandern?
Denn Wagen gibt's heut keine mehr in Spa.
Anina: Das gilt mir gleich.
Zudem naht ein Gewitter.
Flaminia:
Schon ballt sich schwarz am Himmel das Gewölk
So warnt der Himmel selbst vor Übereilung.
Nicht wahr, Herr Bassi? Helfen Sie mir doch,
Daß wir zu Tisch uns endlich setzen können.
Was soll der Eigensinn? Man hat gezankt
Man söhnt sich wieder aus. So ist's der Brauch.
Andrea: Nicht überall. Verstellen Sie nicht länger
Den Ausgang ihr. Sie hat es eilig, Ihnen
Zum zweitenmal im Tageslicht zu stehlen,
Was sie heut nacht zum ersten Ihnen stahl.
Nun heißt es dageblieben.
Flaminia: Wie — 7! Was ——? O nein!
Ein Schritt noch — und ich schlage Lärm! — Gestohlen?
Und was? Aus meinem Zimmer —? Meinen Schmuck
Trag' ich auf mir. So reden Sie, Herr Bassi,
Mitschuldig sind Sie sonst! Wie? Wären Sie's?
Und beide stumm —! Man wird euch reden machen!
He, Leute, he! (Will zur Tür hinausrufen.
Geduld! Nun denn, Anina,
Andrea:
Du wolltest, daß es kein Geheimnis bleibe,
So sei vor allem diese eingeweiht.
Sie geht es an! Drum hören Sie, Flaminia!
Der, dessen Sie heut nacht vergeblich harrten,
Hat in der Türe leider sich geirrt
Und fand Empfang so freundlich nebenan,
Wie Sie kaum freundlicher ihn zugedacht.
Flaminia (unscher): Was soll der Scherz —? Wer hätte wen erwartet?
Andrea: Daß er um Sie sich mühte, sah ein jeder
Flaminia: Kein Wort versteh' ich. Oder sollt' ick doch —?
Er —? Wer? And in der Tür geirrt — wieso?
Andrea: Mag sein, im Fenster. Doch er fand den Weg.
Die Schwestern
Flaminia: Zu wem? Und wer? So reden Sie vernünftig.
Wer fand den Weg zu ihr?
Der, den Sie meinen.
Andrea:
Doch da sie als Flaminia ihn beglückt,
Erachtet sie's als Pflicht, was zufallsweise
Wie ein leichtfert'ger Maskenscherz begann,
Entschlossen als Anina zu vollenden; —
Und eben ist sie auf dem Weg zu ihm.
Flaminia: Ist's möglich? Wie? Ward so was je erhört?
Auf keuschem Lager harr' ich sehnsuchtsvoll,
Und diese hier fängt mir den Liebsten ab —?!
Ins Leere durstig breitet sich mein Arm
Indessen schlingt der ihre sich um ihn?!
Die Nachtluft trink' ich, seine Küsse die
Und während ich mit rotgeweintem Aug'
Der grauen Dämm'rung wach entgegenstarre,
Ist diese da in süßem Morgentraum,
Der mir gebührt, verrätrisch eingeschlummert?
Hat solches Ausmaß von Verworfenheit
In einem Weiberherzen Raum? (zu Andrea gewandt) Und ich,
Gutmüt'ge Närrin, die im eignen Wagen,
Weil ihrer brach, nach Spa sie mitgeführt;
Wie einer Freundin, einer Schwester ihrer
Mich herzlich angenommen; — endlich selbst
Mit Casanova sie bekannt gemacht,
Den sie zum Dank sofort vom Mahle wes
In ihr wollüst’ges Bett zu locken weiß —
(zu Anina)
Ein Fräulein Sie? Aus gutem Bürgerhaus —?
Ja, wer von solchem unschuldsblassen Lärvchen
Sich narren ließe! Wer in diesem zarten,
Hochmüt'gen Antlitz nicht verruchter Laster
Geheime Spuren tief gegraben sähe! —
Wo kommst du her? Aus einer Mädchenkammer?!
Aus einem Freudenhaus! Du eines Jünglings
Ehrsame Braut —? Von einer Kupplerin
Hat er dich losgekauft, und seine Ehre
Gab über den bedungnen Preis er hin.
Pragt Santis, ob ich's ihm nicht gleich gesagt!
Ein Dirnchen, sagt' ich, und der hübsche Jüngling
(zu Andrea)
Sie mein' ich, ja, ein Narr, und wird's bereuen.
(zu Anina)
Und schmeichelst du dir wirklich, daß ein Mann,