Arthur Schnitzler
Stechdunkle Augen, und er grölt mich an:
„Trollst du nicht gleich dich fort, bist du des Todes.
Und greift mich an. Die Pferde stehn zum Glück,
So hab' ich beide Hände frei und bin
Bereit, mit scharfer Klinge mich zu wehren.
Schon schwirren sie, berühren sich und ritzen
— Auch er bekam was ab —, da speit der Wagen
Noch einen aus. Den kannt' ich.'s war Gudar.
Der ruft: Komm doch zu Sinnen, Casanova!
Was fällt dir ein?! Und aufgerißnen Blicks
Rückweichend vor Erstaunen, nicht vor Schreck,
Erkenn’ in meinem wildvermummten Gegner
Ich wirklich Casanova, unsern Freund.
Und meine Waffe senkend: Sind Sie toll —?
Ich bin es, Santis, nicht ein Straßenräuber,
Und Ihren Wagen hielt ich auf, weil ich
Heut früh mit hohem Angeld ihn gemietet
Zu einer Fahrt in lust'ger Kumpanei.
He, Kutscher, stimmt's? Und hieb dem Strolch zugleich
Mit flachem Degen übern Rücken eins.
Sie lud ich auch, vielmehr Sie schliefen noch,
Als ich in Ihren Gasthof kam des Morgens.
Sie sind sehr eilig, scheint's, wohin die Reise?
Und gar massiert! Auch Sie, Gudar, warum?
Sie schweigen beide. Casanova hat
Der lächerlichen Maske sich entledigt
Und starrt wie aufgescheucht aus wirren Träumen
Nun, wie's beliebt, sag' ich, Sie aufzuhalten,
Wenn Sie die Ferne lockt, hab' ich kein Recht.
Doch leider heißt's, zu Fuße weiterwandern.
Glück auf den Weg! And schwing' mich ins Gefährt,
Dem Kutscher einen Hieb: Nach Spa, du Schuft!
Doch wie er wenden will, schwingt Casanova
Zu mir sich in den Wagen und, ich weiß nicht,
War's Absicht oder nur des Wagens Ruck -
Fliegt an den Hals mir: Santis, teurer Freund!
Sie hat das Schicksal hergesandt. Schon war ich,
Ein unverbesserlicher Liebesnarr,
Nachstürmend einem ungetreuen Weib,
Auf schlimmem Weg in Schmach, vielleicht in Tod.
Das Zeichen kam zur Zeit. Sie sind mein Retter!
Nun laßt uns schmausen, trinken, spielen, lachen
Und lustig sein, trotz allen Weiberränken.
48
Die Schwestern
Gudar fährt mit! — er war schon eingestiegen
Und so selbdritt, gedrängt in rascher Fahrt,
bringt in die Stadt zurück uns die Karosse
Und wir sind wieder da.
Andrea:
Sie sehn wir wohl;
Nicht Herrn Gudar, auch Casanova nicht,
Der nun, vor weitren Schicksalszeichen sicher,
Ein unverbesserlicher Liebesnarr,
Vielleicht zum zweitenmal in Ihrem Wagen
Der heißgeliebten Angetreuen nachstürmt.
Santis: Sie zu vergessen schwur er heil'gen Eid!
Flaminia: Wo bleibt er denn?
Warum läßt er uns warten?
Anina:
Andrea: Die Gäste sammeln sich
Santis:
Er wird nicht fehlen.
Andrea: Sie setzen sich zu Tisch
Santis:
Wir werden's auch.
Andrea: Anhöflichkeit ist, was zumeist ich hasse.
Auf eigne Rechnung speis' ich und allein.
(Wendet sich der Türe rechts zu, Bewegung draußen im Garten.)
Santis: Was gibt’s?
Flaminia (zum Fenster): Er ist es
Santis:
Casanova?
Anina:
(Anina und Flaminia öffnen das Fenster.)
Im Hintergrund unter Bäumen ist der gedeckte Tisch sichtbar, an dem die Gäste zwanglos gruppiert sind.
Noch nicht alle haben Platz genommen; die früher Erwähnten, so insbesondere der Lord und die Witwe
aus Holland, heben sich hervor. Noch weiter im Hintergrunde, durch die Allee heranschreitend, wird
Casanova sichtbar im hellen Staatsgewand, reich geschmückt mit Ringen, Ketten, Dosen usw.
Santis (durchs offene Fenster hinaus): Willkommen, werte Gäste!
Stimmen der Eingeladenen: Dank, Baron.
Santis: Willkommen, Casanova!
Casanova!
Stimmen:
Lord: O Mister Casanova, very12ncanted!
(Er drückt ihm die Hand.)
Mutter aus Lyon (zu Casanova): Hieher!
Tochter: An meine Seite
Nein, zu mir
Witwe:
Santis: Vorerst noch, Casanova, auf ein Wort.
Casanova (ist näher gekommen):
Was wird gewünscht? (Anma und Kaminta gewährend): Den Damen meinen Gruß.
Unina und Flaminia, die zu seiten des Fensters stehen, die eine rechts, die andre links, erwid=
merklich die Verbeugung Casanovas.)
4 Deutsche Nundschau. XI.VI. 1.
Stechdunkle Augen, und er grölt mich an:
„Trollst du nicht gleich dich fort, bist du des Todes.
Und greift mich an. Die Pferde stehn zum Glück,
So hab' ich beide Hände frei und bin
Bereit, mit scharfer Klinge mich zu wehren.
Schon schwirren sie, berühren sich und ritzen
— Auch er bekam was ab —, da speit der Wagen
Noch einen aus. Den kannt' ich.'s war Gudar.
Der ruft: Komm doch zu Sinnen, Casanova!
Was fällt dir ein?! Und aufgerißnen Blicks
Rückweichend vor Erstaunen, nicht vor Schreck,
Erkenn’ in meinem wildvermummten Gegner
Ich wirklich Casanova, unsern Freund.
Und meine Waffe senkend: Sind Sie toll —?
Ich bin es, Santis, nicht ein Straßenräuber,
Und Ihren Wagen hielt ich auf, weil ich
Heut früh mit hohem Angeld ihn gemietet
Zu einer Fahrt in lust'ger Kumpanei.
He, Kutscher, stimmt's? Und hieb dem Strolch zugleich
Mit flachem Degen übern Rücken eins.
Sie lud ich auch, vielmehr Sie schliefen noch,
Als ich in Ihren Gasthof kam des Morgens.
Sie sind sehr eilig, scheint's, wohin die Reise?
Und gar massiert! Auch Sie, Gudar, warum?
Sie schweigen beide. Casanova hat
Der lächerlichen Maske sich entledigt
Und starrt wie aufgescheucht aus wirren Träumen
Nun, wie's beliebt, sag' ich, Sie aufzuhalten,
Wenn Sie die Ferne lockt, hab' ich kein Recht.
Doch leider heißt's, zu Fuße weiterwandern.
Glück auf den Weg! And schwing' mich ins Gefährt,
Dem Kutscher einen Hieb: Nach Spa, du Schuft!
Doch wie er wenden will, schwingt Casanova
Zu mir sich in den Wagen und, ich weiß nicht,
War's Absicht oder nur des Wagens Ruck -
Fliegt an den Hals mir: Santis, teurer Freund!
Sie hat das Schicksal hergesandt. Schon war ich,
Ein unverbesserlicher Liebesnarr,
Nachstürmend einem ungetreuen Weib,
Auf schlimmem Weg in Schmach, vielleicht in Tod.
Das Zeichen kam zur Zeit. Sie sind mein Retter!
Nun laßt uns schmausen, trinken, spielen, lachen
Und lustig sein, trotz allen Weiberränken.
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Die Schwestern
Gudar fährt mit! — er war schon eingestiegen
Und so selbdritt, gedrängt in rascher Fahrt,
bringt in die Stadt zurück uns die Karosse
Und wir sind wieder da.
Andrea:
Sie sehn wir wohl;
Nicht Herrn Gudar, auch Casanova nicht,
Der nun, vor weitren Schicksalszeichen sicher,
Ein unverbesserlicher Liebesnarr,
Vielleicht zum zweitenmal in Ihrem Wagen
Der heißgeliebten Angetreuen nachstürmt.
Santis: Sie zu vergessen schwur er heil'gen Eid!
Flaminia: Wo bleibt er denn?
Warum läßt er uns warten?
Anina:
Andrea: Die Gäste sammeln sich
Santis:
Er wird nicht fehlen.
Andrea: Sie setzen sich zu Tisch
Santis:
Wir werden's auch.
Andrea: Anhöflichkeit ist, was zumeist ich hasse.
Auf eigne Rechnung speis' ich und allein.
(Wendet sich der Türe rechts zu, Bewegung draußen im Garten.)
Santis: Was gibt’s?
Flaminia (zum Fenster): Er ist es
Santis:
Casanova?
Anina:
(Anina und Flaminia öffnen das Fenster.)
Im Hintergrund unter Bäumen ist der gedeckte Tisch sichtbar, an dem die Gäste zwanglos gruppiert sind.
Noch nicht alle haben Platz genommen; die früher Erwähnten, so insbesondere der Lord und die Witwe
aus Holland, heben sich hervor. Noch weiter im Hintergrunde, durch die Allee heranschreitend, wird
Casanova sichtbar im hellen Staatsgewand, reich geschmückt mit Ringen, Ketten, Dosen usw.
Santis (durchs offene Fenster hinaus): Willkommen, werte Gäste!
Stimmen der Eingeladenen: Dank, Baron.
Santis: Willkommen, Casanova!
Casanova!
Stimmen:
Lord: O Mister Casanova, very12ncanted!
(Er drückt ihm die Hand.)
Mutter aus Lyon (zu Casanova): Hieher!
Tochter: An meine Seite
Nein, zu mir
Witwe:
Santis: Vorerst noch, Casanova, auf ein Wort.
Casanova (ist näher gekommen):
Was wird gewünscht? (Anma und Kaminta gewährend): Den Damen meinen Gruß.
Unina und Flaminia, die zu seiten des Fensters stehen, die eine rechts, die andre links, erwid=
merklich die Verbeugung Casanovas.)
4 Deutsche Nundschau. XI.VI. 1.