A107: Die Schwestern oder Casanova in Spa. Lustspiel in Versen (Eifersucht, Die Wiederkehr, Spion), Seite 59

Artbur Schnitzler
Andrea steht, für Casanova unsichtbar, immer noch an der Türe rechts, dem Innern des Zimmers
abgewandt).
Santis: Gleich sollen Sie’s erfahren.
Wenn's beliebt —
Casanova:
Mein Durft und Appetit sind nicht gering.
Santis: Doch sollen Sie das Mahl sich erst verdienen.
(Zu Anina und Flaminia)
Nicht wahr? Gleich ist's geschehn. Nur eine Frage.
Casanova: So fragen Sie.
Sie müssen näher treten.
Santis:
Flaminia: Bemühn Sie sich herein.
Anina (um die Ecke deutend): Dort ist der Eingang.
Casanova: Wozu noch Zeit versäumen? Mit Verlaub.
(Er springt über die Brüstung ins Zimmer.)
Santis (lacht): Er ist's gewohnt.
Casanova (sich verbeugend): Hier bin ich. Gewahrt Andrea) O, Herr Bassi.
Wir sehn uns früher wieder, als wir dachten.
Santis (Casanovas Anzug bewundernd): Ei, welche Pracht!
Casanova: Ich denk', es gibt ein Fest?
Man kleidet sich, so gut man eben kann.
Santis: Die Kette! Neu?
Ich glaube.
Casanova (beiläufig):
Und die Dose?
Santis:
Smaragden
Casanova: Einer nur. Mit einem Fehler.
Santis: Man merkt ihn kaum.
Casanova (ihm die Dose reichend): Hier, nehmen Sie, Baron.
Santis: In keinem Fall
Mein Retter, nehmen Sie!
Casanova:
Santis: Ich will sie kaufen.
Nicht um fünfzig Goldstück
Casanova:
Wär' sie mir feil.
Santis: Sie dringen sie mir auf.
(Steckt sie ein; draußen Anruhe.)
Andrea: Doch Ihre Gäste werden ungeduldig.
Santis: Wahrhaftig. (Ruft): Man beginne aufzutragen.
He, eingeschenkt! Verzeiht, gleich kommen wir.
Casanova (seine Angeduld verbergend, höflich):
Die Frage nun. Ich warte. Sprechen Sie.
Santis: Die Frage, hm. Wie fass' ich sie nur klar?
Flaminia: Herr Bassi, fragen Sie.
Andrea, frage!
Anina:
Andrea: Nicht ich war's, dem der kühne Einfall kam,
Die Antwort Casanova aufzugeben.
Die Schwestern
Santis: Nun, so versuch' ich's. Merken Sie wohl auf.
(Beginnt einfach, redet sich aber rasch in selbstgefällige Begeisterung hinein.)
Zwei Schwestern schön und jung, jedoch die eine
Noch jünger als die andre; und die andere
Ein wenig älter, aber beide jung
Andrea: So wird es etwas lang.
Und beide schön.
Santis (unbeirrt) :
Von holdem Wuchs, von zarter, weißer Haut,
Teils blind, teils braun und ziemlich wohlgesittet,
Ja, ziemlich nur, wie gleich sich zeigen wird.
Andrea: Sie greifen vor.
Doch ich verrate nichts.
Santis:
Gesittet — bis zu der Novelle Anfang.
Casanova: Novelle — so? Wie nennt der Dichter sich?
Flaminia: Andrea Bassi.
Doch es fehlt der Schluß.
Anina:
Santis: Das eben ist's, den sollen Sie uns finden.
Casanova: Zwar weiß ich nicht — doch weiter immerhin!
Santis: Man unterbreche nicht. Zwei Schwestern also,
Aus gutem Haus mit Garten, über den
Die Nacht sich breitet
Das kommt später erst.
Andrea:
Santis: Nun bleibt's gesagt, und Casanova weiß es
Für später, wenn er's braucht. Der Vater starb.
Woran? Wir wissen's nicht, vielleicht an Gift.
Andrea: Das führt ja irre.
Doch die Mutter lebt,
Santis:
Die Schwestern jubeln drob.
Weshalb?
Andrea:
Weshalb? (mit Stolz)
Santis:
Weils ihnen an Verworfenheit gebricht.
Doch plötzlich eines Tags, wer hätt's geahnt,
Verlobt sich einem Edelmann die Jüngre.
O Bräutigam, o Seligkeit!
Andrea (verzweifelt): Baron!
Santis: Zum Teufel den Baron, nun bin ich Dichter.
Genau wie Sie, und es behagt mir sehr.
Wo blieb ich stehn?
Casanova (döflich): Die eine ist verlobt.
Santis: Ganz recht. Verlobt die ein', indes die andre
Sich sehnsuchtsvoll auf keuschem Lager wälzt.
Andrea: Wo soll das hin?
Nur weiter. Höchst poetisch
Casanova:
Erzählt uns der Baron und spannungsvoll.