Arthur Schnitzler
Er ruh' in Frieden.
Santis:
Andrea: So mangelt's an Gelegenheit den beiden —
Santis: Gelegenheit? — Man macht sie, wenn sie fehlt.
Andrea: Bei Tag ist sie bewacht
Doch in der Nacht —?
Santis:
Andrea: Teilt mit der Jüngern sie das Schlafgemach.
Santis: Mit der verlobten —?
Jüngern. Ja, ich sagt' es.
Andrea:
Santis: Wer ist der Bräutigam?
Ein Edelmann.
Andrea:
Santis: Wann ist die Hochzeit?
Beide Schwestern warten
Andrea:
Des feierlichen Tags mit gleichem Sehnen.
Sehnsücht'ger noch der Nacht; denn wenn die eine,
Die Jüngre, neuvermählt dem Gatten folgt,
So wird im schwesterlichen Schlafgemach
Die andre — endlich — ungehemmt und frei
Ans durst'ge Herz den Heißgeliebten pressen.
Doch — noch erwähnt' ich's nicht — von schlechten Sitten,
Gefürchtet und verhaßt war jener Jüngling —
Den Weibern freilich nicht — und also kam's,
Daß er zur Hochzeit nicht gebeten ward;
Ja daß, um jeglichen Verdacht zu wehren,
Schon Tage früh'r dem Ort er fern sich hielt.
Santis: Dem Ort —?
Andrea:
Wo sich begibt, was ich berichte.
Erst mitternachts, wie's abgeredet war,
Auf leisen Sohlen naht er sich und schleicht
Durch dunklen Park den wohlbekannten Weg
Zum Fenster, jenseits dem das Glück, er weiß es,
Das längstersehnte, das versprochne wartet.
Und also kühnen Schwungs in Duft und Dämmer
Des bräutlichen Gemachs taucht er den Fuß.
Doch was er nicht weiß und nicht wissen kann —
Kein Bote traf den allzu gut Verborgnen —,
War dies, daß die Vermählung aufgeschoben,
Weil ein Ereignis von besondrer Art
Von dem ein ander Mal — den Bräutigam
In letzter Stunde abhielt zu erscheinen.
Santis (glerig): Und unser Jüngling findet für die eine
Die Schwestern beid' im dämmrigen Gemach?
Andrea: Nein. Statt der einen findet er die andre —
Die Braut, die von des Wartens Pein ermattet,
Die Schwestern
In schweren Schlummer sank. Indes die eine,
Mißmutig und enttäuscht — (sie ahnt ja nicht,
Daß keine Botschaft aufgeschobner Hochzeit
Den Liebsten traf) — von Tröst und Schlaf gemiedert
Die Lagerstätt' verläßt und in des Gartens
Entlegenster Allee dem fernen Jüngling,
Der ach so nah, nutzlose Seufzer weiht,
Bis endlich tränenmüd sie sich zur Rückkehr
Ins schwesterliche Schläfgemach bequemt.
Doch wie sie, um die Schwester nicht zu wecken,
Ganz leise nur die Klinke niederdrückt,
Ist ihr, als schlürf und schwebe drin ein Schritt,
Und ähnungsvoll bewegt die Türe öffnend,
Gewahrt sie eben noch, wie durch das Fenster
Hinaus ins Dunkel rasch ein Mensch verschwindet.
Zwar sieht sie nur den Amriß der Gestalt,
Doch kann sie nimmer zweifeln, wer es war.
Und starr, in Scham, in schmerz, in Zorn steht sie
Im stummen Raum, aus dessen Schattentiefe
Treulos zerwühlt — ein gleißendes Geständnis
Der Kassen Linnenweiß sie höhnisch grüßt.
Und drin begraben (— wäre sie doch tot
Denkt die Betrogne —) ruht unschuldig-schuldig
Die Schwester, die ihr den Geliebten stahl; —
Des Zufalls Opfer, doch zugleich ihm dankbar,
Jungfräulich=bräutlich, eh' die Sonne sank,
Und eh' sie aufging — eines Fremden Dirne.
(Draußen im Park Bewegung, Lärm.)
Flaminia: Die Gäste schon?
Anina:
Die Musikanten sind's!
Andrea: Es drängt die Zeit. So schweig' ich denn von allem,
Was sich in Wort und in Gebärde zwischen
Den Schwestern weiter zutrug bis zum Morgen.
Nur dies bericht' ich: Beide liebentzündet
Erheben gleichen Anspruch auf den Jüngling
Die eine, die sein eigen war, doch ohne,
Daß ihm bewußt, wen er umfangen hielt.
So daß sie der erschlichnen Luft nicht froh
In neuem Durst noch freigebotner schmachtet —,
Die andre, die er zu umarmen wähnte
Und die in ungestillter Sehnsucht seufzt.
Und jede hält ihr Recht allein begründet,
Wie sie der andern Recht für nichtig hält
EPHAN GED.
18 AUG. 19
Er ruh' in Frieden.
Santis:
Andrea: So mangelt's an Gelegenheit den beiden —
Santis: Gelegenheit? — Man macht sie, wenn sie fehlt.
Andrea: Bei Tag ist sie bewacht
Doch in der Nacht —?
Santis:
Andrea: Teilt mit der Jüngern sie das Schlafgemach.
Santis: Mit der verlobten —?
Jüngern. Ja, ich sagt' es.
Andrea:
Santis: Wer ist der Bräutigam?
Ein Edelmann.
Andrea:
Santis: Wann ist die Hochzeit?
Beide Schwestern warten
Andrea:
Des feierlichen Tags mit gleichem Sehnen.
Sehnsücht'ger noch der Nacht; denn wenn die eine,
Die Jüngre, neuvermählt dem Gatten folgt,
So wird im schwesterlichen Schlafgemach
Die andre — endlich — ungehemmt und frei
Ans durst'ge Herz den Heißgeliebten pressen.
Doch — noch erwähnt' ich's nicht — von schlechten Sitten,
Gefürchtet und verhaßt war jener Jüngling —
Den Weibern freilich nicht — und also kam's,
Daß er zur Hochzeit nicht gebeten ward;
Ja daß, um jeglichen Verdacht zu wehren,
Schon Tage früh'r dem Ort er fern sich hielt.
Santis: Dem Ort —?
Andrea:
Wo sich begibt, was ich berichte.
Erst mitternachts, wie's abgeredet war,
Auf leisen Sohlen naht er sich und schleicht
Durch dunklen Park den wohlbekannten Weg
Zum Fenster, jenseits dem das Glück, er weiß es,
Das längstersehnte, das versprochne wartet.
Und also kühnen Schwungs in Duft und Dämmer
Des bräutlichen Gemachs taucht er den Fuß.
Doch was er nicht weiß und nicht wissen kann —
Kein Bote traf den allzu gut Verborgnen —,
War dies, daß die Vermählung aufgeschoben,
Weil ein Ereignis von besondrer Art
Von dem ein ander Mal — den Bräutigam
In letzter Stunde abhielt zu erscheinen.
Santis (glerig): Und unser Jüngling findet für die eine
Die Schwestern beid' im dämmrigen Gemach?
Andrea: Nein. Statt der einen findet er die andre —
Die Braut, die von des Wartens Pein ermattet,
Die Schwestern
In schweren Schlummer sank. Indes die eine,
Mißmutig und enttäuscht — (sie ahnt ja nicht,
Daß keine Botschaft aufgeschobner Hochzeit
Den Liebsten traf) — von Tröst und Schlaf gemiedert
Die Lagerstätt' verläßt und in des Gartens
Entlegenster Allee dem fernen Jüngling,
Der ach so nah, nutzlose Seufzer weiht,
Bis endlich tränenmüd sie sich zur Rückkehr
Ins schwesterliche Schläfgemach bequemt.
Doch wie sie, um die Schwester nicht zu wecken,
Ganz leise nur die Klinke niederdrückt,
Ist ihr, als schlürf und schwebe drin ein Schritt,
Und ähnungsvoll bewegt die Türe öffnend,
Gewahrt sie eben noch, wie durch das Fenster
Hinaus ins Dunkel rasch ein Mensch verschwindet.
Zwar sieht sie nur den Amriß der Gestalt,
Doch kann sie nimmer zweifeln, wer es war.
Und starr, in Scham, in schmerz, in Zorn steht sie
Im stummen Raum, aus dessen Schattentiefe
Treulos zerwühlt — ein gleißendes Geständnis
Der Kassen Linnenweiß sie höhnisch grüßt.
Und drin begraben (— wäre sie doch tot
Denkt die Betrogne —) ruht unschuldig-schuldig
Die Schwester, die ihr den Geliebten stahl; —
Des Zufalls Opfer, doch zugleich ihm dankbar,
Jungfräulich=bräutlich, eh' die Sonne sank,
Und eh' sie aufging — eines Fremden Dirne.
(Draußen im Park Bewegung, Lärm.)
Flaminia: Die Gäste schon?
Anina:
Die Musikanten sind's!
Andrea: Es drängt die Zeit. So schweig' ich denn von allem,
Was sich in Wort und in Gebärde zwischen
Den Schwestern weiter zutrug bis zum Morgen.
Nur dies bericht' ich: Beide liebentzündet
Erheben gleichen Anspruch auf den Jüngling
Die eine, die sein eigen war, doch ohne,
Daß ihm bewußt, wen er umfangen hielt.
So daß sie der erschlichnen Luft nicht froh
In neuem Durst noch freigebotner schmachtet —,
Die andre, die er zu umarmen wähnte
Und die in ungestillter Sehnsucht seufzt.
Und jede hält ihr Recht allein begründet,
Wie sie der andern Recht für nichtig hält
EPHAN GED.
18 AUG. 19