25410 Hans der Abgeordneten. — 502. Sitzung der XI. Session am 27. Mai 1896.
in Vertretungskörpern nur Lob über die Behörden man bis zu einem bestimmten Punkte die Dinge ge¬
deihen lässt, und dass man dann mit solchen Ma߬
vernehme.
Nachdem dies also nicht erreichbar ist, muss ich regeln kommt, wie sie hier angewendet wurden, dass
mich mit dem Umstande trösten, dass, wenn Angriffe man in die Menge hineinschießt. Todt sind, wie die
gegen die Behörden seitens der Arbeiter und deren Herren wissen oder nicht wiffen, ein Mann, sein
Freunde unternommen werden, dies auch seitens der Sohn, seine Frau liegt im Spitale, ein zweites Kind
Arbeitgeber geschieht, und da die Wahrheit in der von ihnen liegt im Spitale, und wie ich heute erst,
Mitte zu suchen ist, so glaube ich, dass wenigstens vor einer Stunde, gehört habe, ist auch ein vier¬
von Parteilichkeit und parteiischem Vorgehen nicht die jähriges Kind, welches die verwundete Frau getragen
Rede sein kann. Wenn alle mittelmäßig unzufrieden hat, in die Ferse geschossen worden.
So leichtsinnig darf man nicht umgehen, dass
sind, ist die Hoffnung nicht ausgeschlossen, dass alle
vielleicht auch mittelmäßig zufrieden sein werden. man einfach in einem solchen entscheidenden Augen¬
Was die Frage der behördlichen Vorkehrungen blicke sagt: Ja, man konnte nicht anders vorgehen
behufs Verhinderung des blutigen Ereignisses betrifft, sondern man hat die Gründe zu untersuchen, warum
so muss, so lebhaft das eingetretene Unglück menschlich es in Nordböhmen so weit gekommen ist und warum
zu bedauern ist, die Art und Weise der getroffenen sich vielleicht leider solche Sachen wiederholen werden.
Und da, meine Herren, erhebe ich direct Be¬
Verfügungen, wie ich bereits bemerkt habe, dem sub
jectiven Ermessen und Urtheile des betreffenden Amts= schwerde. In Nordböhmen ist es so weit gekommen
weil die politischen Behörden dort das Unternehmer¬
vorstandes überlassen bleiben.
Dass nach einem so blutigen Zusammenstoße in thum auf jede Weise favorisiren und die organisirte
demselben Bezirke einige Versammlungen, welche sich Arbeiterschaft auf jede Weise chicaniren. Um ein
mit dem Ereignisse befasst und neue Beunruhigung Detail gleich anzuführen: Vor einigen Tagen hat ein
in die ohnehin aufgeregten Arbeiterkreise getragen College des Hauses, Dr. Samánek, eine Inter¬
hätten, in diesen Tagen nicht gestattet wurden, erweist pellation eingebracht, wonach ein Arbeiter in Reichen¬
sich als ein einfaches Gebot der Vorsicht, um neuen berg, Lukaschek, früh morgens aus dem Bette gehoben
wurde,wahrscheinlich wegen eines politischen Delictes
Zwischenfällen vorzubeugen.
Ich werde übrigens in diesem, wie in jedem und mit Handschallen geschlossen abgeführt ward
solchen Falle nicht verabsäumen, dem Vorfalle, der (Abgeordneter Kaiser: Ohne Verhaftbefehl?) Ja,
ohnehin, wie ich schon erwähnt habe, Gegenstand zwei¬ Böhmen ist das classische Land der Handschellen und
facher Untersuchung, sowohl seitens des Strafgerichtes, Ketten. Das haben wir gewusst. Dass es aber jetzt
wie auch seitens des Gendarmeriecommandos ist, noch auch noch so weiter geht, wie vor vier bis sechs Jahren,
weiter nachzugehen, und werde nicht unterlassen, das war uns neu. Die Missachtung des Arbeiters in
seitens der politischen Behörden alles zu veranlassen, diesem Lande unseres Vaterlandes wird vielleicht
was nothwendig ist, damit die Wahrheit ans Licht nirgends übertroffen. Gar mirgends in unserem
komme, und damit Ruhe und Ordnung in dieser Reiche gibt es ein Unternehmerthum, welches so bor¬
Gegend auch weiterhin gewahrt werden. (Brævo! nirt, so gewaltthätig und so dünkelhaft in seinem
Stolze gegenüber dieser untergeordneten –Race von
Bravo!)
Menschen ist, wie in Nordböhmen. Wir haben in
Präsident: Zur Begründung der Dringlichkeit Wien, in Niederösterreich, in den Alpenländern ein
ertheile ich dem Herrn Antragsteller Pernerstorfer Unternehmerthum, es kommen überall genug Dinge
das Wort, da beide Anträge im Wesen denselben vor, welche sehr zu tadeln sind, aber nirgends sehen
Inhalt haben. Die Debatte wird dann unter einem wir dieses Protzenthum im Unternehmerthum, wie in
Nordböhmen. Diese Leute finden es einfach lächerlich,
über beide Anträge erfolgen.
Der Herr Abgeordnete Pernerstorfer hat dass man die Arbeiter als gleichberechtigte Staats¬
bürger behandeln soll. Mir hat jemand aus Nord¬
das Wort.
böhmen gesagt: Die ganze Geschichte in Dörfel ist
Abgeordneter Peruerstorfer: Meine Herren! gekommen, weil man den Arbeitern den Kamm zu
Ich werde mich zuerst vollständig auf den Standpunkt sehr hat wachsen lassen. Diese starke Ausdrucksweise
stellen, dass der Herr Ministerpräsident mit seinen von Seite eines Mannes, der mit dem Fabrikanten
Ausführungen in Bezug auf das unglückselige Factum thum in Nordböhmen viele Beziehungen hat, ist ein
Recht gehabt hat. Ich werde mich, einen Augenblick neuer Beleg dafür, von welchem Gedanken die Leute
wenigstens, auf den Standpunkt stellen, daß die Gen= beseelt sind. Den Kamm hat man den Leuten zu sehr
darmerie nicht anders handeln konnte als sie ge¬wachsen lassen!
Man muss nur hinaufgehen und sehen, welche
handelt hat, und von diesem Standpunkte aus werde
physische und moralische Macht das Unternehmerthum
ich meine Reeriminationen erheben.
So gehen die Dinge nicht, meine Herren, daß in Nordböhmen hat. Freilich ist es begreiflich, dass
man irgend eine Bewegung sich entwickeln lässt, daß den Leuten an einigen todten Menschen nichts liegt.
25411
Haus der Abgeordneten. — 502. Sitzung der XI. Session am 27. Mai 1896.
Sind sie doch reich geworden durch den Schweiß und nicht in die Arbeit kommst, wird Dein Bruder — der
das Blut von Tausenden und Tausendeu von Men¬Werkführer in der Fabrik war — entlassen. (Hört!)
Wenn Arbeiter andere arbeiter durch Zureden
schen. Was liegt ihnen an dem Erschießen von
einigen! Im Gegentheil, sie denken sich bei der Ge¬ bewegen wollten, fie sollten nicht in die Arbeit gehen,
so sind sie verhaftet worden, und wir werden es
legenheit vielleicht, das dämpft für eine Zeit lang.
erleben, dass die Leute wegen ungesetzlicher Ein¬
Präsident (unterbrechend): Herr Abgeordneter schüchterung verurtheilt werden, aber bezüglich des
schleudern da gegen einen ganzen Stand persönliche Beamten wird es zu keiner Verhandlung kommen, der
Angriffe, welche ich in dieser Form der Ausdrücke ab= wird gar nicht angeklagt werden
Das ist eben das ungleiche Maß. Wenn irgend
solut nicht zulasse. Es sind dies Beschuldigungen, die
in gar keiner Weise erwiesen sind, wohl aber verhetzend einer von den Fabrikanten am 1. Mai für sein per
gegen ganze Stände wirken. (Lärmender Wider- sönliches Wohl zittert, da ist die Behörde gleich bei
der Hand und schickt ihm Gendarmen
spruch.)
Sie haben aber auch gehört, dass der A
Abgeordneter Pernerstorfer (fortfuhrend): Hauptmann die Versammlungen der Strikenden wegen
So viel wird mir doch gestattet sein, zu sagen, daß der Beunruhigung verboten hat. In Reichenberg
diese reichen Unternehmer in Nordböhmen reich sich eine große breite Straße; man geht durch Röchlitz,
geworden sind durch die Arbeit ihrer Arbeiter. Die Eichicht und kommt nach Dörfel. Die Straße ist eine
Reime dazu machen Sie sich selbst. Gehen Sie hin¬ Hauptstraße und das Land ist dicht bevölkert.
auf, meine Herren, hinauf in das Land, und schauen Abend ist die Straße von Menschen voll. Es gehen
Sie sich die Bevölkerung dort an. Ich bin am Sams=I eine Menge Menschen nach Hause, aus der Stadt, ans
tag, wo ich oben war, eine Stunde in der Redaction der Kirche, in Gesellschaften, in Wirtshäuser, auf
des „Freigeistes“ gewesen und habe eine Reihe von Besuch, und nun kommt auf einmal der Bezirkshaupt¬
Leuten gesehen. Wenn irgend wann, so musste man mann, bevor noch etwas geschehen ist, und verbietet
sich da sagen: Der ganzen Menschheit Jammer fasst jede Versammlung und Ansammlung auf der Straße
Einen an, wenn er diese Bevölkerung sieht, wie die Das musste doch die Leute erregen.
Er thut noch mehr. Sie haben aus der Ver¬
Leute elend und oft nicht menschlichen Gestalten gleich
dahinwanken. Ein junger Bursche kommt herein, und lesung der Protokolle durch den Herrn Abgeordneten
ich rede ihn mit „Du“ an, weil ich mir dachte, der Dr. Kaizl gehört, dass er Versammlungen und An¬
Bursche ist erst zehn Jahre alt, und es stellt sich her- sammlungen für die ganze Dauer des Stdukes ver
aus, er ist 16 Jahre alt, auch ein Arbeiter. Noch bietet. Der Stocke kann ein Jahr dauern; während
eines. Es ist sehr sonderbar, wenn alle Unternehmer dieser Zeit sind die Leute ihrer staatsbürgerlichen
so wären. Es gibt unter ihnen natürlich auch bravere Rechte beraubt, sie wurden vom Wege abgedrängt
Leute, aber diese anständigeren Leute werden von den und konnten nicht in ihre Häuser gehen.
Damit Sie sich annähernd einen Begriff machen
großen Unternehmern so perrorisirt, wie man von den
Arbeitern behauptet, dass dieselben von den Arbeiter¬ können von dem socialpolitischen Verständnisse dieser
führern terrorisirt werden. Wenn der 1. Mai heran¬ Unternehmerclassen in Nordböhmen, über die der
naht, kommen die großen Unternehmer und dictiren gute Witz gemacht worden ist, dass ihr Patriotismus
und schreiben Briefe an alle Unternehmer und zwingen keine Grenzen kennt (Heiterkeit), so lesen Sie jenes
sie, jene Bedingungen zu unterschreiben, welche sie Circular, welches die Vereinigung zur Wahrung indu¬
festgestellt haben, und in Placaten und Kundmachungen strieller und gewerblicher Interessen für Reichenberg
zu sagen: Wer den 1. Mai feiert, wird ausgesperrt und Umgebung am 11. April d. I., sowie auch im
auf sechs Tage. Und will sich einer ausschließen, so vorigen Jahre versendete. (Abgeordneter Dr. Krona-
bringt ihm das geschäftliche Nachtheile. Da haben wetter: Die dürfen zusammenhalten!) Das ist nicht
Sie eine Art von Terrorismus, den man dort erlaubt verboten. Hier sagen sie (liest):
„Gegen diese muthwillig in die Reihen der
hat und gegen den gar niemand etwas einzuwenden
hat. Und Etatsächlich ist es vorgekommen, wie der Arbeiterschaft getragene Agitation nehmen die ge¬
Herr Abgeordnete Professor Kaizl die ganze Ent¬ fertigten industriellen Körperschaften die gleiche Stel
stehungsgeschichte schon erzählt hat, daß in der Fabrik lang, wie in den Vorjahren ein; sie erblicken in der
von Lederer und Wolf (Abgeordneter Schneider: Aufreizung der Arbeiter zum eigenmächtigen Feiern
Das sind Juden, das soll gesagt werden!) — sagen am 1. Mai eine schwere Gefahr für die Gestaltung
Sie das Ihren deutschnationalen Freunden in Reichen= | des Verhältnisses zwischen Arbeitgebern und Arbeit
berg (Sehr gut!), welche die Gelegenheit gar nicht nehmern und halten die Duldung dieses Contract¬
benützen, das jüdische Moment des Lederer und Wolf bruches, zu welchem ein großer Theil der Arbeiter
hervorzukehren — ein Beamter der Fabrik — die schaft selbst terroristisch verleitet und gezwungen wird
Namen der Betreffenden können genannt werden — als nicht minder bedenklich und am allerwenigsten ge¬
jemand gesagt hat: Wenn Du mit Deinem Weibe eignet, den socialen Frieden zu fördern.
in Vertretungskörpern nur Lob über die Behörden man bis zu einem bestimmten Punkte die Dinge ge¬
deihen lässt, und dass man dann mit solchen Ma߬
vernehme.
Nachdem dies also nicht erreichbar ist, muss ich regeln kommt, wie sie hier angewendet wurden, dass
mich mit dem Umstande trösten, dass, wenn Angriffe man in die Menge hineinschießt. Todt sind, wie die
gegen die Behörden seitens der Arbeiter und deren Herren wissen oder nicht wiffen, ein Mann, sein
Freunde unternommen werden, dies auch seitens der Sohn, seine Frau liegt im Spitale, ein zweites Kind
Arbeitgeber geschieht, und da die Wahrheit in der von ihnen liegt im Spitale, und wie ich heute erst,
Mitte zu suchen ist, so glaube ich, dass wenigstens vor einer Stunde, gehört habe, ist auch ein vier¬
von Parteilichkeit und parteiischem Vorgehen nicht die jähriges Kind, welches die verwundete Frau getragen
Rede sein kann. Wenn alle mittelmäßig unzufrieden hat, in die Ferse geschossen worden.
So leichtsinnig darf man nicht umgehen, dass
sind, ist die Hoffnung nicht ausgeschlossen, dass alle
vielleicht auch mittelmäßig zufrieden sein werden. man einfach in einem solchen entscheidenden Augen¬
Was die Frage der behördlichen Vorkehrungen blicke sagt: Ja, man konnte nicht anders vorgehen
behufs Verhinderung des blutigen Ereignisses betrifft, sondern man hat die Gründe zu untersuchen, warum
so muss, so lebhaft das eingetretene Unglück menschlich es in Nordböhmen so weit gekommen ist und warum
zu bedauern ist, die Art und Weise der getroffenen sich vielleicht leider solche Sachen wiederholen werden.
Und da, meine Herren, erhebe ich direct Be¬
Verfügungen, wie ich bereits bemerkt habe, dem sub
jectiven Ermessen und Urtheile des betreffenden Amts= schwerde. In Nordböhmen ist es so weit gekommen
weil die politischen Behörden dort das Unternehmer¬
vorstandes überlassen bleiben.
Dass nach einem so blutigen Zusammenstoße in thum auf jede Weise favorisiren und die organisirte
demselben Bezirke einige Versammlungen, welche sich Arbeiterschaft auf jede Weise chicaniren. Um ein
mit dem Ereignisse befasst und neue Beunruhigung Detail gleich anzuführen: Vor einigen Tagen hat ein
in die ohnehin aufgeregten Arbeiterkreise getragen College des Hauses, Dr. Samánek, eine Inter¬
hätten, in diesen Tagen nicht gestattet wurden, erweist pellation eingebracht, wonach ein Arbeiter in Reichen¬
sich als ein einfaches Gebot der Vorsicht, um neuen berg, Lukaschek, früh morgens aus dem Bette gehoben
wurde,wahrscheinlich wegen eines politischen Delictes
Zwischenfällen vorzubeugen.
Ich werde übrigens in diesem, wie in jedem und mit Handschallen geschlossen abgeführt ward
solchen Falle nicht verabsäumen, dem Vorfalle, der (Abgeordneter Kaiser: Ohne Verhaftbefehl?) Ja,
ohnehin, wie ich schon erwähnt habe, Gegenstand zwei¬ Böhmen ist das classische Land der Handschellen und
facher Untersuchung, sowohl seitens des Strafgerichtes, Ketten. Das haben wir gewusst. Dass es aber jetzt
wie auch seitens des Gendarmeriecommandos ist, noch auch noch so weiter geht, wie vor vier bis sechs Jahren,
weiter nachzugehen, und werde nicht unterlassen, das war uns neu. Die Missachtung des Arbeiters in
seitens der politischen Behörden alles zu veranlassen, diesem Lande unseres Vaterlandes wird vielleicht
was nothwendig ist, damit die Wahrheit ans Licht nirgends übertroffen. Gar mirgends in unserem
komme, und damit Ruhe und Ordnung in dieser Reiche gibt es ein Unternehmerthum, welches so bor¬
Gegend auch weiterhin gewahrt werden. (Brævo! nirt, so gewaltthätig und so dünkelhaft in seinem
Stolze gegenüber dieser untergeordneten –Race von
Bravo!)
Menschen ist, wie in Nordböhmen. Wir haben in
Präsident: Zur Begründung der Dringlichkeit Wien, in Niederösterreich, in den Alpenländern ein
ertheile ich dem Herrn Antragsteller Pernerstorfer Unternehmerthum, es kommen überall genug Dinge
das Wort, da beide Anträge im Wesen denselben vor, welche sehr zu tadeln sind, aber nirgends sehen
Inhalt haben. Die Debatte wird dann unter einem wir dieses Protzenthum im Unternehmerthum, wie in
Nordböhmen. Diese Leute finden es einfach lächerlich,
über beide Anträge erfolgen.
Der Herr Abgeordnete Pernerstorfer hat dass man die Arbeiter als gleichberechtigte Staats¬
bürger behandeln soll. Mir hat jemand aus Nord¬
das Wort.
böhmen gesagt: Die ganze Geschichte in Dörfel ist
Abgeordneter Peruerstorfer: Meine Herren! gekommen, weil man den Arbeitern den Kamm zu
Ich werde mich zuerst vollständig auf den Standpunkt sehr hat wachsen lassen. Diese starke Ausdrucksweise
stellen, dass der Herr Ministerpräsident mit seinen von Seite eines Mannes, der mit dem Fabrikanten
Ausführungen in Bezug auf das unglückselige Factum thum in Nordböhmen viele Beziehungen hat, ist ein
Recht gehabt hat. Ich werde mich, einen Augenblick neuer Beleg dafür, von welchem Gedanken die Leute
wenigstens, auf den Standpunkt stellen, daß die Gen= beseelt sind. Den Kamm hat man den Leuten zu sehr
darmerie nicht anders handeln konnte als sie ge¬wachsen lassen!
Man muss nur hinaufgehen und sehen, welche
handelt hat, und von diesem Standpunkte aus werde
physische und moralische Macht das Unternehmerthum
ich meine Reeriminationen erheben.
So gehen die Dinge nicht, meine Herren, daß in Nordböhmen hat. Freilich ist es begreiflich, dass
man irgend eine Bewegung sich entwickeln lässt, daß den Leuten an einigen todten Menschen nichts liegt.
25411
Haus der Abgeordneten. — 502. Sitzung der XI. Session am 27. Mai 1896.
Sind sie doch reich geworden durch den Schweiß und nicht in die Arbeit kommst, wird Dein Bruder — der
das Blut von Tausenden und Tausendeu von Men¬Werkführer in der Fabrik war — entlassen. (Hört!)
Wenn Arbeiter andere arbeiter durch Zureden
schen. Was liegt ihnen an dem Erschießen von
einigen! Im Gegentheil, sie denken sich bei der Ge¬ bewegen wollten, fie sollten nicht in die Arbeit gehen,
so sind sie verhaftet worden, und wir werden es
legenheit vielleicht, das dämpft für eine Zeit lang.
erleben, dass die Leute wegen ungesetzlicher Ein¬
Präsident (unterbrechend): Herr Abgeordneter schüchterung verurtheilt werden, aber bezüglich des
schleudern da gegen einen ganzen Stand persönliche Beamten wird es zu keiner Verhandlung kommen, der
Angriffe, welche ich in dieser Form der Ausdrücke ab= wird gar nicht angeklagt werden
Das ist eben das ungleiche Maß. Wenn irgend
solut nicht zulasse. Es sind dies Beschuldigungen, die
in gar keiner Weise erwiesen sind, wohl aber verhetzend einer von den Fabrikanten am 1. Mai für sein per
gegen ganze Stände wirken. (Lärmender Wider- sönliches Wohl zittert, da ist die Behörde gleich bei
der Hand und schickt ihm Gendarmen
spruch.)
Sie haben aber auch gehört, dass der A
Abgeordneter Pernerstorfer (fortfuhrend): Hauptmann die Versammlungen der Strikenden wegen
So viel wird mir doch gestattet sein, zu sagen, daß der Beunruhigung verboten hat. In Reichenberg
diese reichen Unternehmer in Nordböhmen reich sich eine große breite Straße; man geht durch Röchlitz,
geworden sind durch die Arbeit ihrer Arbeiter. Die Eichicht und kommt nach Dörfel. Die Straße ist eine
Reime dazu machen Sie sich selbst. Gehen Sie hin¬ Hauptstraße und das Land ist dicht bevölkert.
auf, meine Herren, hinauf in das Land, und schauen Abend ist die Straße von Menschen voll. Es gehen
Sie sich die Bevölkerung dort an. Ich bin am Sams=I eine Menge Menschen nach Hause, aus der Stadt, ans
tag, wo ich oben war, eine Stunde in der Redaction der Kirche, in Gesellschaften, in Wirtshäuser, auf
des „Freigeistes“ gewesen und habe eine Reihe von Besuch, und nun kommt auf einmal der Bezirkshaupt¬
Leuten gesehen. Wenn irgend wann, so musste man mann, bevor noch etwas geschehen ist, und verbietet
sich da sagen: Der ganzen Menschheit Jammer fasst jede Versammlung und Ansammlung auf der Straße
Einen an, wenn er diese Bevölkerung sieht, wie die Das musste doch die Leute erregen.
Er thut noch mehr. Sie haben aus der Ver¬
Leute elend und oft nicht menschlichen Gestalten gleich
dahinwanken. Ein junger Bursche kommt herein, und lesung der Protokolle durch den Herrn Abgeordneten
ich rede ihn mit „Du“ an, weil ich mir dachte, der Dr. Kaizl gehört, dass er Versammlungen und An¬
Bursche ist erst zehn Jahre alt, und es stellt sich her- sammlungen für die ganze Dauer des Stdukes ver
aus, er ist 16 Jahre alt, auch ein Arbeiter. Noch bietet. Der Stocke kann ein Jahr dauern; während
eines. Es ist sehr sonderbar, wenn alle Unternehmer dieser Zeit sind die Leute ihrer staatsbürgerlichen
so wären. Es gibt unter ihnen natürlich auch bravere Rechte beraubt, sie wurden vom Wege abgedrängt
Leute, aber diese anständigeren Leute werden von den und konnten nicht in ihre Häuser gehen.
Damit Sie sich annähernd einen Begriff machen
großen Unternehmern so perrorisirt, wie man von den
Arbeitern behauptet, dass dieselben von den Arbeiter¬ können von dem socialpolitischen Verständnisse dieser
führern terrorisirt werden. Wenn der 1. Mai heran¬ Unternehmerclassen in Nordböhmen, über die der
naht, kommen die großen Unternehmer und dictiren gute Witz gemacht worden ist, dass ihr Patriotismus
und schreiben Briefe an alle Unternehmer und zwingen keine Grenzen kennt (Heiterkeit), so lesen Sie jenes
sie, jene Bedingungen zu unterschreiben, welche sie Circular, welches die Vereinigung zur Wahrung indu¬
festgestellt haben, und in Placaten und Kundmachungen strieller und gewerblicher Interessen für Reichenberg
zu sagen: Wer den 1. Mai feiert, wird ausgesperrt und Umgebung am 11. April d. I., sowie auch im
auf sechs Tage. Und will sich einer ausschließen, so vorigen Jahre versendete. (Abgeordneter Dr. Krona-
bringt ihm das geschäftliche Nachtheile. Da haben wetter: Die dürfen zusammenhalten!) Das ist nicht
Sie eine Art von Terrorismus, den man dort erlaubt verboten. Hier sagen sie (liest):
„Gegen diese muthwillig in die Reihen der
hat und gegen den gar niemand etwas einzuwenden
hat. Und Etatsächlich ist es vorgekommen, wie der Arbeiterschaft getragene Agitation nehmen die ge¬
Herr Abgeordnete Professor Kaizl die ganze Ent¬ fertigten industriellen Körperschaften die gleiche Stel
stehungsgeschichte schon erzählt hat, daß in der Fabrik lang, wie in den Vorjahren ein; sie erblicken in der
von Lederer und Wolf (Abgeordneter Schneider: Aufreizung der Arbeiter zum eigenmächtigen Feiern
Das sind Juden, das soll gesagt werden!) — sagen am 1. Mai eine schwere Gefahr für die Gestaltung
Sie das Ihren deutschnationalen Freunden in Reichen= | des Verhältnisses zwischen Arbeitgebern und Arbeit
berg (Sehr gut!), welche die Gelegenheit gar nicht nehmern und halten die Duldung dieses Contract¬
benützen, das jüdische Moment des Lederer und Wolf bruches, zu welchem ein großer Theil der Arbeiter
hervorzukehren — ein Beamter der Fabrik — die schaft selbst terroristisch verleitet und gezwungen wird
Namen der Betreffenden können genannt werden — als nicht minder bedenklich und am allerwenigsten ge¬
jemand gesagt hat: Wenn Du mit Deinem Weibe eignet, den socialen Frieden zu fördern.