A145: Reichtum. Erzählung, Seite 7

sah die Skizze aufmerksam an.. „So..“ Er wurde ernst.. ein Gefühl von Vaterstol
erwachte in ihm.. „Du, das ist schön, sehr schön.. So was.. Franz..“ er hielt inne. „
„Was meinst Du, Vater?"
„So was hab ich nie getroffen.. auch in besseren Zeiten nicht!“
Und beide, Vater und Sohn, ließen ihre Blicke auf der Skizze weilen.
Nach einer Weile hob der Vater das Bild vom Tisch auf und, es dem Sohne reichend,
sagte er: „Du, das aber trag hin.. jedenfalls. Trag's hin in die Akademie.“
Ein paar Jahre darauf hing ein kleines Bild des jungen Weldein in der Ausstellung.
Man begann von seinem eigenartigen und bedeutenden Talent zu sprechen. Eines befremdete
jedoch an ihm: es schien, als könnte er nur Spieler und Trinker malen. Es war wie
ein Verhängnis. Er versuchte wohl seine Kunst an anderen Themen; doch keines wollte
ihm so recht gelingen. Wie verzweifelt saß er manchmal vor seiner Staffelei, wenn er
sein Bild der Liebe, der Seligkeit hinzaubern wollte... lächerliche Fratzen starrten ihm
entgegen, nicht Engelsangesichter. Er mußte sich endlich fügen, ein unsagbarer Zwang
waltete über ihm. „Bin ich wahnsinnig“, fragte er sich manchmal, „oder kommt es
daher, weil ich selbst jenem Laster verfallen scheine?".. Und er versuchte seiner selbft Herr
zu werden, er wollte dem Wein, den Karten entrinnen. Es war nicht möglich... ja,
sobald er einige Tage sich aus dem Kreise der Freunde zurückgezogen, wo das Spiel und
der Trunk winkte, war er wie gebrochen und todesmatt. Es fehlte ihm jedweder Trieb zum
Schaffen. Und dann eilte er wieder an den Spieltisch, zu der Flasche... Und wenn
er dann am helllichten Morgen, wie damals, da er seinen Vater auf dem Boden liegend
gefunden, nach Hause kam, da war er wieder der große Künstler, der die wahre Lust und das
wahre Können empfindet. Er mußte sich drein ergeben. Sein Vater war ein alter, kranker
Mann geworden. Er blieb in seiner alten Wohnung; während der Sohn sich in derselben
Vorstadt ein kleines, lichtes Zimmer im vierten Stock, nahe dem Himmel und dem Licht,
gemietet hatte. Zuweilen besuchte ihn der alte Weldein, und müde vom Treppensteigen
setzte er sich zum Fenster hin, blieb still da sitzen, während Franz malte oder auf dem
Sopha lag und rauchte. Manchmal sprachen sie und klagten.... Der Alte verdiente nur
wenig, und bei dem Jungen ging es mit dem Ruhme und dem Reichtum auch nicht rasch
genug vorwärts
Einigemale sagte der Vater: „Daß Du nur solche Dinge malen kannst, daran bin
ich Schuld. Mein ganzes Blut ist vergiftet, ja, vergifket.“ Der Sohn erwiderte nichts und
malte weiter.
Und in der Stille des Gemaches, wenn Weldein so stundenlang dasaß, überwältigte
ihn der Gedanke seines Alters schmerzlich und tief. Da vor sich sah er einen, dem auch nichts
Besseres beschieden war... Und das, womit beide hätten glücklich werden können, wo war
es? Wie ein Traum zog ihm manchmal jene Nacht durch den Sinn.
Und dann unterbrach der Junge sein Sinnen und erzählte, was er malte... Jetzt..
eine Spielergesellschaft in einem verrufenen Hause... ein paar Weiher, die zwischen den
Spieltischen stehen, die Champagnergläser in der Hand. Das war bald vollendet. Dann ein
kleines Bild.. Am Kamin.. Er und sie.. Sie spielen Bézigue; über die Karten weg
lächeln sie sich an... Ein anderes, das halbvollendet in der Ecke stand.. aus dem
Mittelalter.. Landsknechte, die Würfel spielen.. Es wollte nicht geraten, es war nicht
modern genug.. Der Alte hörte zu, und dabei begann die Nacht hereinzudämmern.
Und auch der junge Maler stellte sich zum Fenster, das er weit öffnete, um die Abendluft
hereinströmen zu lassen.
Es war ein Sommerabend, schwül und traurig. Verhallend drang der Lärm der
Straße herauf; gleichmäßig rollte das dumme Leben weiter. Stets dasselbe eintönige Geräusch.
Was immer sie da unten treiben, immer dasselbe schwerfällige Summen dringt herauf
Und die letzten Sonnenstrahlen glitten sachte die Dachzinnen hinauf, um da oben allmählich zu
verglänzen, Schatten breiteten sich aus, zerflatterte Wolken erschienen am Himmel, lässig hin¬
geworfen; weiße Streifen zeichneten sich ab... Lange währte die Dämmerung. Der alte
Weldein blickte zum Himmel, wo wieder einer seiner öden Tage zur Neige ging.
Oester als früher kam ihm jetzt der Gedanke: Wird es bald vorbei sein? Und er
fühlte manche Zeichen des Alters, das ihm vor der Zeit genaht war.
Sie hatten nun eine Weile in den Abend hinausgestarrt, der Vater unterbrach das
Schweigen.
„Hast Du eine neue Idee?“
„Eine neue?“
„Ja, für ein großes Bild, mein ich.“
„In den Umrissen — ja.
„So? Und was soll's denn werden?“
„Ich will den Klub malen."
„Den Klub?“
„Ja, den Spielsaal des adeligen Klub.“
Der alte Weldein stand plötzlich auf. „Das wolltest Du?..“
„Hältst Du es für zu schwer?..
„O nein! Aber woher nimmst Du die Gestalten?"
„Nun, ganz einfach aus dem Klub —
„Du warst doch niemals dort?"
„Oh ja, schon zweimal."
„Dort? Im Spielsaal?.. Wie war dies möglich?
„Ein Mitglied führte mich ein. Es ist derselbe Herr, der mein letztes Bild gekauft hat..“
„Die schwarze Kugel?“
„Ja.. Er kam neulich in der Ausstellung selbst auf mich zu und sagte, er interessire
sich für mein Talent.. dann war er hier oben und betrachtete sich meine Skizzen. Bei
dieser Gelegenheit bat ich ihn um die Gefälligkeit, mir Eintritt in den Klub zu ver¬
schaffen, um dort für mein neues großes Gemälde Beobachtungen sammeln zu können.“
— So.. Wie wurde er denn auf Dich aufmerksam?“
„Nun offenbar durch mein Bild in der Ausstellung.
„Wie heißt der Mann?“
„Graf Spaun."..
Weldein zuckte zusammen und ließ sich wieder auf den Sessel fallen. Da es volle
Nacht geworden, entging dem Sohne die Bewegung im Antlitz des Vaters.
„Spaun... sagst Du“..
„Ja, ein Mann nah den Fünfzigen, sehr kunstverständig und nicht ohne Phantasie."
„Phantasie jedenfalls.. hat er nach mir gefragt?...
„Nach Dir, Vater?“ widerholte der Sohn lächelnd.
„Nun, ich meine, nach Deiner Familie.“
„Ja, so beiläufig. Ob die Eltern noch leben, ob ich aus reichem Hause sei..“
„Und Du hast geantwortet?“
„Wie merkwürdig Du mich frägst! Ich habe die Wahrheit gesagt."
„Er war wohl sehr erstaunt, der Graf.“
„Erstaunt?— Warum?“