A234: Kunst, Seite 3

Votre très obéissant à
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(September 1904)
Unter allen Künsten wird die Dichtkunst mit der geringsten
Achtung behandelt.
Vornehmster Grund: Weil sie scheinbar nicht auf gesetzmässig
Mathematisches zurückgeführt werden kann.
Daran scheint das Material schuld zu sein, mit dem zu arbeiten
sie gezwungen ist.
Das Material der Dichtkunst ist ausschliesslich das Wort -
scheinbar dasselbe also, das als Verständigungsmittel jedermann zur
Verfügung steht.
Aber das Wort innerhalb der Dichtkunst ist nicht mit dem Wort
der Verständigung zu vergleichen, sondern nur mit dem Material einer
anderen Kunst - nämlich mit den Tönen.
Es ist bekannt, dass wir nur dem Zang der Vereinfachung
nachgeben, wenn wir, von C, Cis etz. als den in jedem Fall identischen
C und Cis reden. Dem Musiktheoretiker ist bekannt, dass das C, zu dem
wir über das Fis hingelangen, ein anderes ist als z.B.dasjenige Cis,
zu dem wir über G oder dasjenige, zu dem wirler H G gelangen, ja, um
den mathematisch richtigen Schwingungswert eines Tones anzugeben, müsste
man immer eine Gleichung setzen, die nicht dieses Cis schlechtweg, son-
dern den Weg zu diesem Cis von Anbeginn der Melodie an bezeichnet.
Und ebenso, wie es unendlich viele Cis, resp. Cu.s.w. gibt,
durch die unendlich vielen Beziehungen, in welche es zu dem vor seiner
eigenen Apperception gehörten Einzeltönen und Tonbeziehungen getreten
ist, und somit unsere Bezeichnung Cis, resp. C u.s.w. nur etwas Unge-
fähres, "annähernd Richtiges" ausdrückt,- ebenso hat jedes Wort inner-
halb des Dichtwerkes seinen spezifischen Schwingungswert, je nach der
Bezeichnungs,in die es zu den früheren Worten und den fröheren wertbe-