A20: In eigener Sache : Kritik und Antikritik, Seite 251

Arbeiterzeitung, Wien, 31. März. 1925.
Unter dem Litel: Sauherdenton einer klerikalen
Kritik. Ueber Anatol in der Salzburger Chronik
von Erhardt.
So gern wir unseren Bühnenmitgliedern noch zwei
Monkte Spielzeit gegönnt hätten - aber dieses
freche Geschmuse eines sezuellen Hochstaplers
passt in die ernste Kriegszeit wie das Grunzen
eines Ebers in den Konzertsaal. Es ist unglaub
Dirnenstück gespielt werden darf; es ist unver-
antwortlich, dass deutsche Mütler der Stadt und
Umgebung ihre löchter zu solchen Verherrlichun-
gen der gemeinsten Sinnlichkeit führen; es ist
geradezu ein Skandal, dass sich in allen zustän-
digen Stellen auch nicht ein deutscher Mann fin-
det,der solchen nicht einmal graziösen,sondern
orientaliech gemeinen Unzuchtsszenen ein kräf-
tiges Veto entgegensetzt. Von dem Intendanten
des Theaters solch eine deutsche Mannestat zu
erwarten wird man ganz besonders nach den Erfah-
rungen der heurigen Spielzeit wohl unterlassen,
obwohlhier sein Wort am Platze gewesen wäre:
"Das Stück ist zu roh und zu gemein, und passt in
die Kriegszeit nicht hinein.“ Die Spielzeit hat
also einen Schluss erhalten,der Widerwillen und
Ekel bei gesund Fühlenden und vernünftig denken-
den Menschen/erwecken muss. Welche deutsche Mut-
ter möchte wohl eine Schnitzlerische Tlona zur
Tohhter oder den Lumpen Anatol zum Sohhe haben?
Sie stehe aufl Aber ich wette: Es meldet sich kei-
ne. Gelacht haben manche über die Schnitzlerei,
aber in ihrer Familie möchten sie niemenden von
dem Gesindel haben,das sich da zweieinalb Stunden
auf unserer Bühne breit machen dürfte.