27/10 Samstag Mg.― Nun hab’ ich mich so leidlich hineingewöhnt in die Medizin. D. h. in den ersten vierzehn Tagen des Semesters hab ich die Vorlesungen regelmäßig besucht, allerdings nicht viel theoretisch studirt. Damit will ich dieser Tage beginnen. Es ist doch ein gewaltiger Stoff und manches, was mich mächtig interessirt. Aber sonderbar, was mich manchmal ein Buch weglegen lässt, ist nicht etwa Faulheit, sondern eine gewisse höchst unangenehme, sich vielleicht aus der Lecture heraus entwickelnde hypochondrische Stimmung; was sich freilich bei tieferer Beschäftigung wird abgewöhnen lassen.―
Toni hab, ich die ganze Zeit über fast gar nicht gesehen. Das letzte Mal entwickelte sich ― es war heut vor acht Tagen am Abend ― ein nicht recht erquickliches Gespräch ― sie sprach von Ziellosigkeit des Verhältnisses u. s. w.― Die alte Leyer! ― Die alte Geschichte von unechter Liebe ― von gewöhnlichen Frauenzimmern. Ein Glück nur, dass mich beides nie und nimmer überrascht. Ein Glück auch, dass mich so was herzlich wenig kränkt ― ein Glück mit einem Wort, dass es mir auch nicht im Traume einfiel, wirklich verliebt zu sein. Sie schied mit dem Versprechen, mir noch einmal zu schreiben. Bis jetzt traf kein Brief von ihr ein; dagegen erfuhr ich ein paar Kleinigkeiten, die mir so recht bewiesen, dass ich mich in ihrem Charakter keinen Augenblick lang getäuscht habe. Ich werde sie jedenfalls noch einmal aufsuchen, um, wozu ich eine gewisse Lust, nicht vielleicht eine aus Verdrießlichkeit hervorgegangene, sondern sozusagen eine theoretische Lust habe, um ihr also in den gewähltesten Worten auseinanderzusetzen: Meine liebe gute Toni ― … du bist nicht besser als neunundneunzig unter hundert, aber auch nicht schlechter ― du bist mit einem Wort die Normalcanaille ― et voilà tout!
― Eines andern Mädchens, Gisela F., sei flüchtig hier gedacht, mit der ich eben kaum auf dem Correspondenzfuss stehe. Sie ist reizend.― ―
― Fany M. ist endlich in Kassel aufgetreten; ich las eine Kritik, welche sich über ihre erste Rolle (Rose Friquet) äußerst befriedigt ausspricht.―
― Unsre Tischgesellschaft im Riedhof besteht nunmehr aus Louis M., Petschek, Theodor Fr., ab und zu Emanuel H. und mir.
November