Dienstag, 15. Oktober 1889

Am 15. Oktober 1889 Nachts.

Vom 17.-20. Sept. keine Nachricht von Mz.― 20. Vorm. holt sie mich vom Kaffeehaus ab. ― Unterdessen hab ich eine Wohnung für uns zwei aufgenommen.―

Am 22. Sonntag früh treff ich sie, Abend haben wir Rendezvous.― Sie wird zu Hause fürchterlich meinetwegen gequält.― Man hat recht zu Hause; wir müssen von einander. Schreckliche Scene ― Ich weine auf der Straße wie ein dummer Bub.― Bin halbtoll. Endlich ― Gut, ich gehe, aber seh ich dich je mit einem andern, so schlag ich dich todt ― Und renne davon ― ja, renne thatsächlich ― Sie rennt mir nach, über die Straße ― Plötzlich alles wieder vorbei; sie streichelt mich, küsst mich. Am nächsten Tage wahnsinnige reuige Briefe, daß sie mich so gequält. Am Abend drauf ist sie in meiner Wohnung; zwei trauliche Zimmer in einem Vorstadthause, mit alten Familienbildern, einer Uhr, die jede Viertelstunde schlägt. Am Tag drauf Mittagsspaziergang mit ihr, am 29. hol ich sie vom Theater ab.― Ein paar Tage drauf ist sie Vormittag bei mir in der Wohnung. Jean. ist krank. Am Tag vorher erlebt ich mit Jean. eine wahnsinnige Liebesscene im Wagen.― Jean. so krank, dass sie das Fechten definitiv aufgeben muss.― Am 3. Okt. Abd. in der Wohnung mit Mz. ― Nie benehm ich mich ihr gegenüber so, als wenn sie je mein gewesen wäre; muss sie stets aufs neue erobern ― Nun sagt sie selbst ― „Ja war ich denn ― noch nicht dein ―?“ Nun ein paar schreckliche Tage, an denen Mizi immer schreibt, ich sie aber nicht sehe. Der böse Zufall führt mich auch wieder mit ― Theodor zusammen, der mich nach ihr frägt. Ich weiss natürlich nichts. Sie hat ihm geschrieben „Verehrter Herr Doktor“ ― um Geld!― Ich bin wüthend, erkläre mir aber das ganze, umso eher, als sich zur Eifersucht kein Grund ergibt. Halt’s nicht aus, erspähe sie am Dinstag Abd. (8.) beim Conservatorium; verfolge sie und verbringe dann zwei Stunden mit ihr, in denen ich sie unmenschlich quäle, ohne ihr direct was zu sagen, sie aber ahnen lassend, dass ich ja alles weiss. Zwei Tage drauf verbring ich den süßesten Abend mit ihr in meiner Wohnung auf der Wieden. Bin überselig. So, dass ich Jean. am nächsten Abend sage, ich möchte alle Menschen glücklich sehen, und auch mit ihr wieder einen Liebesabend älteren Stils verbringe! Sonderbar genug!―

Dagegen gestern wieder eine jener schrecklichen Scenen mit ihr ― Sie immer: Schenk mir doch mehr Abende, jetzt, wo du überhaupt bald von mir gehen willst! Denke doch wie ich lebe! Immer allein, nur auf dich wartend! Man muss den Verstand verlieren ― Und ich: Ich hab dirs ja immer gesagt; anderes ― Theater, Freunde zieht mich ab.― Nimmst du mich so nicht ― so lass mich gehn, ich gebe dich ja frei ― Hierauf Weinerei; ich werde weich, zugleich aber nervös ― Es sind fürchterliche Scenen ―

Jetzt eben komm ich von Mizi, die ich vom Theater abgeholt, sie ist ganz Hingabe und Liebe jetzt! Ich liebe sie mit aller Macht einer Jugendliebe ― schreib ihr oft, berausche mich an ihr. Vorgestern holt ich sie von der Bahn ab, bevor ich in den Concordiaclub ging, wo ihre Collegin Edda N. sofort das Gespräch auf sie brachte und mich anwiderte.

Mein Bruder hat nach fünftägigem Fieber eine klare Lungenentzündung bekommen, die hoffentlich und allem Anschein nach leicht verlaufen dürfte.―

War neulich in St. Veit bei Spitzer-Rosenbergs; mußte meine Episode vorlesen. U. a. anwesend die Reinhold und Arnau.

Schreibe ein einaktiges Lustspiel in Versen: Alkandis Lied.―

Weiters einen Theil des Textes zu einem laryngosk. Atlas.

Bin der Medizin fremd nach wie vor.

Einige Spielabende (Löw, Mandl, Engel). Pech wie gewöhnlich.

Goldmann, liebenswürdig und begabt. Komme immer mehr ins literarische.

Hel. H. soll verlobt sein.

[Oktober]

15. Mz. nach dem Theater.

1889-10-15