Donnerstag, 26. Februar 1891

26. Feber 1891.― Donnerstag Abends.

O. in Wien.― Morgen Abend mit ihr Rv. gerade, während Mz. Benef. hat. Freue mich darüber, weil ich durch das Mädel unendlich leide.― Sie muss auch im Ballet mitwirken. Als Bébé Puppenfee. Interessant, ihre Briefe, sie kränkt sich [oft] sowie sie weiss, es kränkt mich.― Eigentlich hat sie doch sicher die schamlose Eitelkeit aller Weiber. Habe mich schrecklich abgequält. Heute erst, wie sie mir schrieb „Heute aus Puppenfee phot. lassen zur Reclame. Zu was man sich hergeben muss, entsetzlich!“ ― Ein literar. trefflicher Brief, den ich ihr schrieb, hat mich theilweise beruhigt.― Wie überhaupt, wenn ein Brief von ihr mich lebhaft verstimmt, meine Antwort, nur durch die stilistische Güte, mich wieder ein wenig herstellt.―

Poldini, ein junger Musiker war bei mir, will einen Operettentext.― Werde dazu nicht der rechte sein.

Mährchen, im 3. Akt. Ueber den 2. Differenzen. Goldmann will merkwürdig brutal-dramatische Sachen hinein, die mich ekeln. Schik war so sehr zufrieden, Kapper gar.― Es sind Schwächen, arge, im 2. Akt, die hinaus müssen.

Sonderbar, mit dem Mährchen. Es behandelt mit geringen Abweichungen im thatsächlichen, psychologisch mein Verhältnis zu Miz. Endet schlecht.― Wie wirds in Wirklichkeit enden?― Wie werd ich weiter das alles tragen? Ende März kommt sie wieder; im August weg, Engagement Brünn 10 Monate!― Da kann ich freilich häufiger hin, aber es war schon schrecklich, was ich in diesem Winter litt, wenn ich mit ihr war, und diese schreckliche Mutter nicht von der Seite wich!― Diese gestohlenen Genüsse zwischen Thür und Angel ― und woran ich da immer denken muss!― Mein Stück hilft mir, solang ich schreibe. In Wirklichkeit steh ich heute genau so unter dem gräßlichen Einfluss des image physique wie je.― Bourget hat Unrecht, daß die Eifersucht (auf die Vergangenheit) auf diesem Wege das désir entflammt. Mir wird ekel, wenn ich dran denke.― Es ist sonderbar, daß ich das nicht losbringe, dass es sich nicht einmal mindert.―

Ich war bis jetzt 7mal in S. ― Dieses Hinfahren Nachts im Postzug. Dann dort in der Kälte, nervös, übernächtig zu ihr. Und, immer eigentlich mit einer Empfindung der Bangigkeit. Dann dort wohl, sehr wohl, das einfache Dortsein. Süss besonders Nachts, wenn die Alte schläft, wir zusammen am Divan sitzen, und schon im Anschaun vor Seligkeit vergehen.

Dann Nachts immer mit dem halbein Uhr Schnellzug zurück, am dunkeln Morgen in Wien, und nach Umkleiden auf die Klinik.

Das tägliche gleichmäßig frühe (½8) Aufstehen enervirt mich schrecklich. Besonders der Ausblick. Immer, immer so!―

Vormittag ab und zu Krankenvisiten. Aegriren mich, entschieden, ich tauge nicht dazu, ein für alle Mal.

Das Morgengefühl in Beziehung auf Mz. ― Alles erscheint unwahrscheinlich, verlogen, grau.

Froh, wenn ich nicht zu Haus sein muss.― Bin es nur Mittags, traurig, vertrage aber meine Eltern jetzt absolut nicht. Auch was tragisches liegt drin. Wie sie alt werden, und die Vereinsamung kommt. Obwohl das jetzt nur erst Augen wie meine, die düster sehen und denen das Schwinden immer vorschwebt, merken.

Dann fühlt sich mein Vater in der Werthschätzung seiner Kinder sinken; das ergreift mich, es ist eine schmerzliche und dabei banale widerwärtige Sensation. Schuld auf beiden Seiten.― Das tritt nur zuweilen scharf zu Tage; aber es ist ein evidenter Prozess.

Ein Traum, wie Mz. ein Kind bekommt, ich nicht zu ihr gelassen werde, ich sehe das zappelige, magre, frühgeborne Kind.―

Traum, wie Rose Fr. zwischen den Fenstern liegt (wie ein Fensterpolster) und ich begreife, daß sich die Frauen nach Emanzipation sehnen.―

Ich bin in Gesellschaft heuer unleidlich. Ich halt’s auch nicht aus. Alles wird (von mir) auf Mz. bezogen. In dem Sinn ärgert mich schon ein Mädl, die ihren Nachbarn anguckt, die decolletirt ist etc.―

Das junge Oesterreich. Im Griensteidl. Dörmann, Salten, Herold aus Prag, Korff, Kulka etc.

Goldmann zu leicht empfindlich, man darf ihm eigentlich doch auch nichts sagen; gleich urtheilt man nach der Schablone.―

Fritz ist jetzt zu sehr Ehemann und Arzt, der immer fragt: Werd ich einmal 3000 fl. verdienen? Aber dabei doch voll Verständnis und sympathisch.

Schik ist mir wohlthuend. Nicht nur, weil er meine Sachen lobt, was er überzeugt, aber kalt, thut. Und sein Reden, über was immer, hilft über viel hinweg.

Eigentlich bin ich einsam, und habe eine Art von angenehmer Empfindung darüber.

Hild. M., die einmal mit Goldm. bei mir war; er hat eine Art Verh. mit ihr.

Rich. T. hat in wenig Wochen beide Eltern durch den Tod verloren. Hat weiter sein enormes Weiberglück, und ist dabei sehr häufig nicht einmal nach meinen Begriffen anständig.

Oft sind alle meine Sinne gegen die Menschheit als Masse rebellisch. Der Geruch auf Bällen.―

Das einzige eigentlich, worauf ich tagtäglich gespannt, in Erregung, mit Herzklopfen gespannt bin, der Brief von Mz.. den ich täglich um eilf-ein Uhr Vorm. finde.

Die Proben bei Sternlichts. Dummes Stück von Isidor Fuchs; es spielen Bondy, Paul Horn, Rosa Hochsinger, Frau Weiss-Wellenstein, er, ich.― Ist mir alles zu gleichgiltig.―

Gehe zu spät schlafen, nebstbei.

Eigentlich könnt ich, wenn ich durchaus wollte, nach Salzburg zu Mz. Benef. fahren ― aber ich will den Jubel nicht hören, der um sie brausen wird. Es wäre mir zuwider.

Februar, Chronik

1891-02-26