Freitag, 27. Dezember 1918

27/12 Traum: Ein kahler Saal (wie in einem öffentlichen Gebäude) daneben ein größerer ― ich sehe nur Theile; im kleinen an der Wand in einem Fauteuil stumm und oelgötzenhaft Richard (neben ihm auch andre?―) ― er soll Kaiser von Oesterreich werden;― es werden für alle europ. Staaten Kaiser gewählt; und über all die wieder ein Kaiser, wofür wieder Richard in Frage. Ich wundre mich bei mir, daß ich gar nicht verletzt bin ― und sage mir: es ist wohl wegen meiner Ohrenleiden daß ich nicht Kaiser werden kann. Übrigens behaupte ich (oder wer andrer), ein Engländer würde Oberkaiser; und in Leipzig residiren, mit zwei schönen Hofdamen. Ich wehre mich dagegen, daß wir schon wieder für einen Hofstaat zu sorgen haben.

Las früh Manns Unterthan zu Ende. Außerordentlich ― doch mehr caricaturistisch im Detail als satirisch im großen. Dazu allzuviel Haß und Einseitigkeit. Keime zu dem Buch in Unrath ― Gretchen, auch Kleine Stadt.― Gelegentliche Geschmacklosigkeit. Der „Diederich“ eine große Gestalt in ihrer Jämmerlichkeit ― aber werden sie im demokratischen Deutschland fehlen? Was mir ferner an dem Buch fehlt: daß kein analoges in Frankreich geschrieben wurde ― zu gleicher Zeit;― wo die Politik um Poincaré doch eine mindestens so scheußliche Sache war wie die um Wilhelm;― in der immerhin eine Idee zu spüren war ― vielleicht von Verfolgungswahn genährt ― wenn es Wahn war!―

Vm. Prof. Reich, der mich für eine Vorlesung haben wollte (vorläufig nein) und über Bernhardi quatschte, mit der „ethischen“ Einwendung, der Arzt sei verpflichtet, dem Kranken die Wahrheit zu sagen.―

Schott, von Jaákobs Traum begeistert ― will vom Burgth. weg, wenn er die Rolle nicht bekommt, wollte direct zu Richard, was wir widerriethen. Kolap; dictirt.―

Noch allerlei kritisches über Bernhardi. Im Mittag Mell hochachtungsvoll frech. Je näher an Hugo ― um so feindselig hämischer die Stimmung gegen mich. Von Erfolgen wie von Mißerfolgen ― was bleibt? Ekel. Und Ekel ist ein fressendes Geschwür ― allerlei wird angenagt, nur weils in der Nähe ― nämlich in der gleichen Seele ist.― Aber man sei nicht allzu ungerecht. Es gibt viel echte Freude an dem Stück ― und manche Freude, die mich freut.

Am Weiher.― Altes zu Bernhardi gelesen (eigne Skizzen).

Mit Heini Bach Prel. und Fuge; Mozart Ouv. Schauspieldirector.

1918-12-27