23/8 Wir redeten vor der Abreise noch allerlei häusliches und finanzielles.― Sie beschwört mich zu arbeiten ― mich nicht gegen sie zu „verhärten“ ― zu fühlen, daß und wie sie mich liebe.― Ich stelle, wie scherzend die Frage. „Also ― soll ich die Zeit benutzen, mir eine Geliebte zu suchen?“ ― Ihre Antwort läßt keine Zweifel übrig. „Dieser Abschied“ sagt ich,― „duftet von keinem neuen Morgen.“ ― „Von einem andern vielleicht.“―
― Abend nach Telef.; Spazierg. H. K.― Irgendwie erhöhter und in der Atmosphäre der Gegenwart corrumpirter Typus des s. M.― Eine Verbindung von Erna und Schlager Mizi.― Tüchtig, lebendig, unbesorgt aber vorsichtig, zielbewußt und leichtfertig. Bildung, Interesse, Oberflächlichkeit. Viel Aufrichtigkeit und eingestandne, leicht durchschaute, gewissermaßen conventionelle abkürzende Lügerei.―
― Der Jugendgeliebte (Freund), in Sibirien gefangen,― sie bringt mir Briefe und Gedichte von ihm mit.― Der „Freund“ Fabriksdirector, bei dem sie nun, während Abwesenheit der Mutter (am Attersee) ― wohnt jetzt reist er eben, ist bei seiner Familie, die der Freundin des Sohns mit betonter Liebenswürdigkeit entgegenkommt. Wenn sie ihm einen „Seitensprung“ erzählt ― glaubt er ihr nicht. „Du bist nicht so.“ ― Nun sucht sie für ihn neue Wohnung. Wenn sie keine findet, wird er ihr Vorwürfe machen. Neulich sagt sie ihm: „Mein Freund, deine Stellung wackelt bedenklich.“ ― Ein Director der Bank, in der sie als Beamtin ― natürlich eine der besten ― arbeitet,― verheiratet,― will sie zur Geliebten, gefällt ihr nicht übel.― Ein andrer hoher Functionär der Anstalt, macht ihr einen Heiratsantrag; will mit ihr fort von Wien. Sie sagt ihm, daß sie ein Verhältnis habe … Er würde auch darüber hinwegkommen.― Diese Äußerung macht ihn bei ihr ganz unmöglich.―
Ihre Beziehung zur Musik (Mahler),― Natur, Ausflüge, Skitouren. Ihre Freundinnen (Bank); ihre bevorzugte Stellung.
― In ihren Briefen mehr Sentimentalität als in ihrem Wesen.― Sie weiß, daß sie immer Glück haben wird. (Würde das jemals eine Jüdin glauben ― und wenn sie’s glaubte, auszusprechen wagen?―) ― Der Blick von der Windmühlhöhe in die belichteten Häuser und fernen Straßenzeilen.―
Las daheim die sibirischen Briefe und Gedichte. Ganz fein.―
Aus Leid sich in Lüge retten ― es ginge ja an. Nur dürfte man die Lüge dann nicht wieder grade so tragisch nehmen wie das Leid.―