Donnerstag, 29. März 1923

29/3 Vm. dictirt Fr. d. R. vorläufig zu Ende.― Briefe;― Tgb. 92, 93.

Nm. kam Albert, seine Frau; dann Olga. Gemeinsamer Thee. (Seltsame Tischrunde ― ich, meine „gewesene Frau“,― ihrer verstorbnen Schwester Gatte, mit seiner neuen Frau …) ― Albert ging ins Theater spielen (Totentanz); ich mit den Frauen bleib zurück, betheilige mich am Gespräch, das mir heute (Ohr) besonders mühselig (die Zeit, materielles, u. s. w.). Ich gehe auf mein Zimmer; O. kommt nach einer halben Stunde „Warum hast du mir das angethan“ (d. h. nicht dafür gesorgt, daß Lissie mit Albert das Haus verließ ― warum sie eingeladen ― was natürlich eigentlich ganz in ihrem Sinne war) ― Sie sieht hierauf den Azaleenstrauch, den mir H. K. geschickt: „Von wem.“ Ich nenne die Provenienz;― sie verläßt erbittert das Zimmer. ― Nach einiger Zeit wieder kommend (Heini unten bei Lissie) wünscht sie, ich möge sofort an meine Geschwister telefoniren; ob wir jeder nicht 10 Silberteller geerbt ― einer fehle bei uns;― was sie zu Ausfällen auf Wuckis mangelnde Obsorge etc. veranlaßt. Dann „Warum war dir das so peinlich, als ich die ungünstige Aussage der Graphologin (mit der sie heute bei Alma speiste) B. die ungünstige Aussage über die Schrift der Frau Barjanski machte …“[!] ― Ich: Neue fixe Idee?― ― Immer schlimmer das Gespräch. Ich will näheres über den Besuch bei Pollaczek abmachen, die mit uns über Lili sprechen will … „Ach … wozu“ u. s. w.― Ich sage: ganz deiner Ansicht;― aber warum war es gestern so unendlich wichtig?― ― Ich begleite später Frau Lissie zur Tram;― Nachtmahl daheim ― wir 4;― Wucki, schon verletzt (wegen des Tellers) bedient;― Stimmung furchtbar; O. weist Lili wegen Aufstehens (mild) zurecht, Lili weint;― wird getröstet.― Ich, der Thränen nicht mehr mächtig; in mein Zimmer. Lasse sie später rufen; sie sitzt mit ihrem hautainen Trotzgesicht da ― ich kann vor Zorn nicht reden ― endlich sage ich ihr ins Gesicht: ihre factiöse Haltung ― sie „will“ (z. Th.) unbewußt alles im Hause schlecht,― Lilis Erziehung vernachlässigt finden;― sie wieder erklärt mich verfolgungswahnsinnig etc.― (Sie war auch verstimmt wegen der verhältnismäßig geringen Beträge, die man ihr für Maulwurfstola und Ring anbot.) ― ― Dann reden wir gemeinsam elterlich zu Lili.― Ich begleite endlich O. zur Tram; auf dem Weg sagt sie, es sei unwürdig daß ich mit H. K. spazieren gehe ― übrigens wie ich mich für die Blumen revanchire … Ich: du hast dich, als meine Frau um das Gerede der Leute nicht gekümmert ― kümmere dich jetzt nicht um das über mich … Überdies bitte mir doch endlich die Leute zu nennen; worauf sie schweigt. Dann wieder Vorwürfe daß ich sie eine Weile mit L. allein gelassen, wegen des Tellers, u. s. f.― Sie fährt davon, ungut, und einsichtslos.― Hatte den ganzen Nachmittag Herzschmerzen. ― Fühlte wieder: wir könnten nie nie nie mehr zusammenleben. Ihre Fehler haben sich nicht gemindert, sondern gesteigert.

1923-03-29