II, Theaterstücke 14, Der Schleier der Beatrice. Schauspiel in fünf Akten (Shawl), Seite 275

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Bealinoglie einsan auf und ab, wos er wohl nicht das Geschtit den bischen mie seinen Perees denche
„dieen sein gelenet, Lichter“, Nan imi n
thäte — wie einer seiner Kamwetherren scharfsinnig an die Stelle dichterischer Wahrheit eine spielerische,
beinahe — August Wilhelm Schlegel.
bemerkt — wenn seine Sehnsucht nach Beatriee so frostige Dialektik. Man hört so oft von poetischer
Im Uebrigen behandelt Schnitzler die Sprach
groß wäre. Der Herzog hat sich vor seinen ehelichen Gerechtigkeit reden: Schnitzlers Stück beruht geradezu
nicht gewöhnlicher Sorgfalt und klugem Verstät
auf poetischer Ungerechtigkeit. Filippo Loschi verstößt
für ihre Wirkungen. Nach der scandirten Prosa
Rechten seiner stadtväterlichen Pflichten erinnert, hält
Kriegsrath, entdeckt ein Complot seines Statthalters, Beatrice, weil sie „die Dirne ihres Traums“ geworden.
„Paracelsus“ läßt der „Schleier“ eine anseh
vereitelt einen Anschlag des Borgia und hat, da ihn! Die Frage bleibe aus dem Spiele, ob der Renaissance¬
Steigerung des Formvermögens erkennen. Von K
ein Höfling vor der Herzogin warnt, die selbstgewisse Typus wirklich so überempfindsame Züge verträgt,
mißbräuchen und sprachlichen Instrumentations=Eff
Antwort: Ihr hegt mehr Treu' als Klugheit. Bald ob da nicht am Ende der Literatur=Neurastheniker
wie sie von ein paar Gymnasiasten der Literatu
wird er inne, daß sein Höfling mehr klug ist als von heute sich Costüme und Geberde jener Kraftzeit
die Mode gebracht wurden, bleibt Schnitzler durch
anmaßt. Genannter Filippo Loschi selbst ist aber sonst
Talent und seine künstlerische Aufrichtigkeit bew
seine Herzogin treu. Er sucht und untersucht, wittert
recht derber Innenconstitution und gar nicht so delicat.
Ihm ist der Vers nicht die „süße Gewohnheit
eine neue Unthat Cäsars, nimmt Eltern und Schwester
Er verläßt nach eigenem Geständniß seine Braut, weil
gebundenen Rede“ sondern der sachnothwendige
der Vermißten ins Verhör, jagt seine garden party
sie ein Ansinnen zurückweist, welches an Realität
druck des dramatischen Thatbestandes. Man muß
auseinander, legt jenem verrätherischen Statthalter den
über die Möglichkeit eines Traumes und ein Abenteuer
bedauern, daß die Gestaltung der Form nicht
Kopf vor die Füße — das alles schafft ihm Beatrice
der Seele erheblich hinausgeht. „Im Zorn versagter
jener der Stoffes gleichen Schritt hält. Sch
nicht. Und sie muß er haben; alles Andere, Bologua,
Lust“ bricht er einem edlen Weibe die Treue, und
leidet an Arhythmie des dichterischen Pulses;
die drohende Schlacht, Cäsar Borgia ist ihm gleich¬
von dem Geschöpfe, das ihm vor der Stadt, bei Spiel
ser setzt völlig aus, wo man seine stärksten Leistu
giltig worden in seiner unsäglichen Verwirrung.
und Tanz in den Weg läuft, fordert er Treue bis in
erwartet. So in der Orgie des vierten
Sein ganzes Leben preßt sich zusammen in die eine
den Traum. Beatrice hält sie ihm bis in den Tod.
zuges. Die Glut, in der die Scene gedacht ist,
Frage: Wo ist Beatrice?
Sie will mit ihrem Dichter sterben, weil ihre ganze
mit ein paar dünnen Tupfen von der Makart=P
Endlich! da ist sie. Sie sucht zuerst sich durch¬
Seele nach ihm ringt. Mit dem Schleier, der zur
bestritten, und die Regievorschrift: Alles wirkt
und herauszulügen. Da fieht der Herzog, daß der
Erde gleitet, ist alle Noth und aller Irrthum
Schattenbilder, scheint schließlich auf die Dich
Schleier fehlt. Neue Ausflüchte. Die Lebensfrage: wo
der Erde von ihr genommen. Sie will nur noch ein¬
selbst gemünzt.
ist Beatrice? wird verdrängt durch die andere: wo
mal vereint mit dem Geliebten, Mund an Mund
In Schnitzlers Geistesart steht dem Mangel
ist der Schleier? Der Herzog will ihn mit ihr holen,
und Herz an Herzen, den jungen Morgen schauen,
Ursprünglichkeit ein außerordentlich entwickelter
wo sie ihn verlor. Und da sie sich dieses Ganges
und im ersten Aufglühen des Tages „soll's gethan
für die psychologische Enpirie entgegen oder vie
schaudernd weigert, erklärt Lionardo sie des herzog¬
sein“. Und was bietet Filippo für die Innigkeit dieses
zur Seite. Alles, was Beobachtung voraussetzt, bor
lichen Rangs verlustig und überliefert sie dem Ge¬
Frühlingsopfers? Eine Kostprobe des Todes. Das ist nicht
des Sicheinfühlen in seelische Zustände und ihre
richt und Urtheil seines Hofes. Der Spruch lautet:
bloß unsittlich — die Anklage träfe nur den Helden
gewichtstörungen, gelingt ihm vortrefflich. So n
Tod durch's Schwert. Zum zweitenmal in dieser Nacht,
- das ist auch unwahr, und dieser Vorwurf trifft den
es zu erklären sein, daß und warum Schnitzler
die der Herzog selbst grauenvoll nennt, durchlebt
Dichter. An Schnitzlers Beispiel läßt sich zeigen, daß die
literarischer Typus Respect einflößt ohne Begeiste
Beatrice das Entsetzen der Sterbestunde. Sie klammert
wahre, die künstlerische Wahrheit nicht mit dem Me߬
Er ist ein Mittelbarer. Innerhalb dieser Grenze
sich ans Leben: sie will den Schleier bringen, wenn
apparate des Raisonnements zu erfassen ist und mit
Begabung bietet er eine Fülle von Anregung. G
der Herzog mit ihr geht und schwört, dann nach
der Gescheitheit des Alltags nichts zu schaffin haben
seine Beatrice als Charakterstudie eine erstch
nichts zu fragen. So kommen sie in Filippo's Haus.
will. Schnitzler ist ein constructives Talent; seine
Leistung. Sie verblüfft immer aufs neue durh
Beatrice nimmt den Schleier auf und will gehen. Aber
Probleme sind die eines mathematischen Kopfes, aber
Reichthum des Beobachtungs=Materials, durch das
der Herzog hat nur geschworen, keine Frage zu thun, nicht
gerade in ihrer scheinbaren Exactheit, ihrer posirten
voll bewegte Detail und durch eine Kenntniß
auch, den Ort gleich wieder zu verlassen. Er will hier
Selbstverständlichkeit durchaus unkünstlerisch. Da ist
Frauennatur, wie sie in gleicher Feinheit und
den Tag erwarten. In Beatrice wächst die Angst.
Alles zurechtgedacht, arrangirt, das Leben nicht durch
heute nur noch bei Marcel Prévost zu finden
Da Bitten den Gemahl nicht überreden, versucht
ein Temperament geschaut, sondern durch ein Ver¬
Beatrice Nardi stammt — und das ist kein schl
sie es mit schmeichelnder Verführung: daheim er¬
standesprisma zerlegt. Filteranlage statt Sturzgewässers.
Pedigree — von Rahel ab, der schönen Jüdink
warten ihn ihre Küsse. Aber der Herzog hat anders
Schnitzler componirt dramatische Schachaufgaben, aber
Toledo. Gleich ihr ist sie eine Thörin, die sich zeh
beschlossen: seine „wunderbare Hochzeit“ soll hier
Schachbretter sind es nicht, die die Welt bedeuten.
in jedem Athemzuge widerspricht, gleich ihr ei
enden, wo Beatrice den Schleier ließ. Er hebt den
Daß dieser Calcul nicht eben immer Wahrscheinlichkeits¬
wöhnt, verwildert Mädchen, gleich ihr ein Trau#
Vorhang des Alkoven und erblickt Filippo's regungs¬
Rechnung ist, erweist sich an einem Angelpunkte der
einer Nacht. Auch von ihr gilt das Wort, daß
losen Körper. An ihm dem Schänder seiner Ehre,
Handlung. Soll das Stück überhaupt Fortgang und
Fehler dieser weiten Erde in sich vereint, und
den er schlafend oder berauscht wähnt, rast er seine
Lösung finden, so muß Beatrice von ihrem Gemahl
jenes andere, das König Alphons der todten Gel
Wuth aus in fürchterlicher Beschimpfung, bis er
zu ihrem Geliebten gehen. Es ist nicht anzunehmen,
nicht einer geliebten Todten — nachruft:
erkennt, daß ein Todter vor ihm liegt. Er wendet
daß Ersterer sein Zeit und seine Rechte so lässig
„Sie war die Wahrheit, ob verzerrt,
sich zu Beatrice: „Du hast's gewußt?“ Sie hat's
nützt, um Ausflüge seiner Gattin möglich zu machen,
All, was sie that, ging aus aus ihrem Selbst,
gewußt.
die es bisher nur dem Namen nach ist. Man denke,
Urplötzlich, unverhofft und ohne Beispiel.“
„Warum noch diese letzte Schmach, den Toten
was der Herzog von Bologna sich's kosten ließ, in
So deutet auch Filippo das Wesen Beat##
Mich schmäh'n zu lassen?“
den Besitz des Weibes zu gelangen, das ihn ent¬
daß mit jedem Pulsschlag durch ihre Adern
Beatrice.
„Ja, dies war die letzte.“
zückt wie kein Weib zuvor. Er ahnt, daß diese
Wahrheit rinnt. Rahel wird einmal ein
Nacht die letzte ist, die Vorgia ihm läßt, und viel¬
spielend, thörichtweises Kind“ genannt. Und der
Dem Herzog sind zwei seiner Vertrauten gefolgt;
leicht hat eben diese Ahnung ihn vermocht, eine
Lionardo sagt zu Beatrice und von ihr:
mit ihnen kommt die Familie Nardi. Francesco und
Sinnenlaune um so hohen Preis zu befriedigen.
„So nannten wir dein Thun
Rofina toben wider die Schwester, freilich aus ver¬
Daß er gerade den Augenblick, der ihm Erfüllung
Betrug und Freyel — und du warst ein Kind.
schiedenen Gründen. Mutter Nardi will, daß Beatrice
seines Einnachts=Begehrens verheißt, den Staats¬
Am Ende sind Rahel und Beatrice doch
den Herzog um Gnade für ihr Leben auflehe. Aber
geschäften widmet, einen Verräther zum Tode ver¬
Triebe gleichen Erdreichs: die Eine so weni
jetzt hat Beatrice genug vom Leben. Sie ist müde,
dammt, da ihn selbst das Leben mit seinen
Toledo als die Andere von Bologna. Wenn Bea
so müde wie nie auf Erden jemand war, so müde,
mächtigsten Lauten ruft, ist eine — sagen wir :
daß nichts mehr in ihr ist als Sehnsucht, wie Filippo
Schleier fällt, erscheint das wohlbekannte süße
Gefälligkeit; vielleicht weniger für Filippo Loschi als
Decoration und Costüm thut nichts zur Sache.
daliegen und fertig sein. Sie bittet den Herzog um
für Arthur Schnitzler. Dieser braucht Beatricens
den Tod: „Ein Stich und Allen ward nach Willen.“
das Bologna Schnitzlers streicht ein leiser,
Besuch. Wie er ihn herbeiführt, ist typisch für seine
Und da ihr der Herzog diese Gnade weigert, stürzt
Heuch vom Wienerwald.
dramatische Technik, deren Schwächen der Schleier
Francesco hervor und ersticht sie als Soldat und
Das Stück zwingt zum Nachdenken, nicht
der Beatrice mehr verräth als verhüllt. Dazu kommt
brav. Der Fürst hält dem todten Dichter und seiner
seiner selbst als um des Schicksals seiner G
ein oft erstaunlicher Mangel an dramaturgischem Augen¬
Geliebten eine würdige Leichenrede. Beide sollen im
willen. Dieses österreichische Renaissance=Drama
maß. Mit dem Herzog ist Graf Andrea Fantuzzi
Erbbegräbniß der Bentivogli ihre Ruhestatt finden.
die ernste Frage: ob für Oesterreich eine Ren
heimgekehrt. Er findet Verwüstung in seinem Hause:
„Er liebte sie, er starb, weil er sie liebte,
des Dramas zu hoffen ist. Wilhelm Scher
die Mutter hat ihm der Tod geraubt, die Schwester
So ist sie hochgeehrt vor allen Frau'n!“
einmal unserem Grillparzer den geschichtlichen
das Leben. Die Untreue ihres Bräutigams Filippo
angewiesen in der fortgesetzten geraden Lin
Von den Thürmen künden die Glocken, daß der
hat ihren Geist verwirrt. Befund: Aphasie, „fürchter¬
von Gottsched über Lessing zu Schillers „Wall
Kampf um Bologna beginnt. Der Morgen ist da,
liche Stummheit". Sprach= und theilnahmslos läßt sie
führt. Auf österreichischem Boden hat diese
und Borgia ist da. Vorhang.
Dinge und Menschen an sich vorüberziehen; unter
Das ist die Fabel in ihren wesentlichen Zügen.
Füllung und Rundung, Neben= und Zwischenvorgänge Anderem auch eine Standrede, die ihr Andrea hält, wicklungszug des „classischen"“ Dramas mit Gri