II, Theaterstücke 14, Der Schleier der Beatrice. Schauspiel in fünf Akten (Shawl), Seite 389

. 1904.
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14. Der Schleien der Beatrice
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sie gleich nur in einer kleinen Nebenrolle auftreten, ihr undenkbar ist, das nicht erfüllt ist vom Walten eines
eigenes Gesicht hat. Die fünf Acte sind kunstvoll aufge¬
starken Gefühles. Auch ein anderes Liebesdrama läßt sich
baut; auch fehlt es nicht an bühnenwirksamen Scenen
zum Vergleiche heranziehen. Es heißt „Liebelei" und
oder vielmehr an solchen, die nach allen Regeln der
nimmt aus der Stärke des Gefühles seine dramatische
Bühnenwirksamkeit gestaltet sind. Trotzdem haben bei der
Kraft. Aber im „Schleier der Beatrice“ findet sich nicht
Aufführung auch diese Scenen keinen rechten Eindruck
die Liebe aus der „Liebelei“, sondern diejenige aus dem
hervorgebracht. Die Scenen können nicht wirken, da es
„Anatol“. Anatol ist. jener junge Wiener Lebemann,
dem Schauspiel selbst an Wirkung fehlt. Es krankt an
den Schnitzler
meisterlich geschildert hat. In
einem inneren Uebel. Der ganze Apparat eines großen
der vornehmen Nonchalance, mit der Anatol seinen
Dramas ist aufgeboten; und doch ist dieses Drama nicht
Liebesstimmungen sich überläßt, in dem Geiste, mit
groß — aus dem einzigen und entscheidenden Grunde
dem er, als ironischer Selbstbeobachter, die feinen
nicht groß, weil ihm die Größe fehlt.
und feinsten Nüancen seiner Stimmungen aufzeigt, liegt.
Groß sind in dem Schauspiel immer nur die Re¬
leion.
der Reiz dieser Figur. Charakteristisch für Anatol ist die
sultate; und es entsteht ein unglückseliges Mißverhältniß
Wichtigkeit, die er seinen Stimmungen beimißt. Die
dadurch, daß diese großen Resultate aus kleinen, aus zu
er Theater.
Stimmungen werden ihm zu Schicksalen. Das ist ein
kleinen Motiven hervorgehen. Aus den Vorgängen des
ce“ von Arthur Schnitzler.)
amüsantes Paradoxon, über das Anatol gelegentlich sich
Dramas ergeben sich die schwersten Katastrophen der Tra¬
selber lustig zu machen scheint, ein Paradoxon deßhalb,
„Der Schleier der Beatrice“
gödie. Dolch, Schwert und Gift sind fortwährend in Thätig¬
weil eben die Stimmungen keine Schicksale sind oder viel¬
aufgeführt worden ist, hat
keit. Das Blut fließt in Strömen. Fast kein Act ohne
mehr als solche nur demjenigen dünken, dessen Dasein den
Em hohen Ziele gestrebt. Wenn
Leiche. Es wird ebensoviel und noch mehr gemordet, wie
größen Schicksalen entrückt ist. Anatol führt das Luxus¬
licht hat, so stellt jedenfalls schon
in Shakespeare's „Othello“. Der Vergleich liegt nahe;
leben eines verwöhnten Menschen. In einem solchen Leben
rischen Ernst ein schönes Zeug¬
denn „Othello“ ist ein Liebesdrama ganz wie „Der
mangeln die großen Schicksale vor Allem, weil die großen
t seinem Schauspiel, das theils
Schleier der Beatrice". Im „Othello“ ist die Liebe eine zer¬
Gefühle mangeln. Ein Dasein, das alle Wünsche leicht
geschrieben ist und in der
störende Macht von furchtbarer Gewalt; sie braust wie ein
erfüllt, erkältet die Herzen; es scheint, daß die Menschen
großes Drama in der Art der
Sturm einher und vernichtet die Menschen. Im „Schleier der
viel ersehnen müssen, um groß zu empfinden, und daß die
Seine Kräfte haben zur Be¬
Beatrice“ werden auch Menschen vernichtet; sie brechen
Kraft, zu fühlen, sich verringert, je weniger zu wünschen
icht genügt. Aber in der Form
zusammen mit den stärksten drawatischen Geräuschen. Aber
und zu erringen bleibt. So ist auch Anatol's Liebe kein¬
gals ein würdiger Schüler der
man fragt sich, warum sie eigentlich zusammenbrechen?
großes Gefühl. Er ist zu verwöhnt, um stark zu empfinden.
rt. Daß Schnitzler diese Form
Denn niemals braust ein Sturm in dem Drama; es
Und weil Anatol von keinem großen Gefühl beherrscht
deutet auf eine künstlerische
säuselt höchstens ein wenig. Und man sagt sich, daß die
wird,
beherrschen ihn die Stimmungen. So findet
nan bei den deutschen Autoren
Leute auf der Bühne sich eigentlich in einem Irrthum be¬
man,
wenn man der Anatol=Liebe auf den Grund
; es ist ein weiter, mühevoller,
finden. Sie überschätzen sich und die Wichtigkeit ihrer
geht, einen Gegensatz heraus zwischen dem Gefühl,
atol“ bis zum „Schleier der
Erlebnisse. Sie sind nicht tragisch genug, als daß sie ein
dem großen Gefühl, und den Stimmungen, indem nämlich
cht namentlich in seinen Versen
Recht hätten sich so zu erdolchen und zu vergiften.
die Stimmungen, welche das Wesen dieser Liebe aus¬
von wienerischer Weichheit —
Dieses Drama ist ein Liebesdrama mit allzu schwacher
machen, zumeist aus kleinen Gefühlen hervorgehen — aus
Mancherlei Feines, mancherlei
Liebe. Nirgends ist das Ueberwältigende, das Schicksals¬
Gefühlen, die Charme und Originalität besitzen, weil sie
etisches wird gesagt. Auch ein
volle der Liebe zu spüren. Man denke, wie gesagt, an
so zierlich und so capriciös sind, die jedoch zierlich und
er Arbeit ist geleistet. Das
„Othello“, man denke an „Romeo und Julia“, Gewiß
capriciös eben nur deßhalb sind, weil sie nicht mit
Schauspiels ist ungewöhnlich
darf man von Schnitzler nicht verlangen, daß er wie
mächtigem Drange aus der Tiefe der Seele strömen und
Autor leitet mit sicherer
Shakespeare schreibt; es soll nur aus jenen beiden un= weil sie mehr mit den Nerven als mit dem Herzen zu
Figuren, deren jede, mag sterblichen Dichtungen erkannt werden, daß ein Liebesdramassthun haben. Das Drama aber, die Tragödie vor Allem,