II, Theaterstücke 14, Der Schleier der Beatrice. Schauspiel in fünf Akten (Shawl), Seite 465

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14: Der Schleier der Beatrice
seiben Darsteller, nur daß sie bald Mitglieder dieser, Der Hauptmangel oder wenigstens der, der
bald Mitglieder jener Bühne sind. Wer nicht von Theaterpublikum zuerst empfindet, ist das F#
„Feuilleton.
der Megalomania berolinensls angesteckt ist,
eines einheitlichen Mittel= und Kristallisat
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wünscht unserem Theaterleben dringend eine Auf= punktes, um den sich der Stoff ordnete und au
frischung durch die Provinz!.
sich unsere Aufmerksamkeit sammelte. Das D
Der Schleier der Beatrice.
Irene Triesch also ward ihrer Aufgabe in vollen¬
hat drei Mittelpunkte, Das heißt: es hat keinen
Von Arthur Schnitzler.
deter Weise gerecht. Sie schafft von innen heraus,
scheint der Dichter Filippo Loschi ausersehen
* Berlin, 7. März. Heute Abend wurde Arthur
D. h. ihre Phantasie ist so stark, sie mitten in's
Stück zu tragen; dann sehen wir in Beatriee
Schnitzler's Renaissance=Drama „Der Schleier der
Herz der darzustellenden Gestalt zu versetzen. Sie Heldin, und schließlich spricht der erst in der zu
Beatrice“, um dessentwillen der Dichter sich vor zwei
list, was sie darstellt, sie lebt ihre Gestalten, und Hälfte auftretende Herzog von Bologna,
Jahren mit dem Burgtheater entzweit hat, zum daher sind diese stets Ganzheiten, Schöpfungen aus
voglio, das letzte und entscheidende Wort, un
ersten Male im Deutschen Theater ani¬ Einem Guß, an denen kein Ton einen falschen
spricht es an der Bahre Filippo's und Beate
geführt. Es war beinahe die Uraufführung des Klang hat...
Drei Typen will Schnitzler in diesen Renais
Dramas, das bisher nur in Breslau auf die Bühne
Der äußere Verlauf der Schnitzter Première war Menschen darstellen, die aber nicht Renaissance¬
gelangt:. Der Erfolg war für die weiter genau so unsinnig wie der aller Premièren des
dernganz moderne Tyven sind. In Filippo
Bühnenlaufbahn des Stückes nicht ermuthigend. Deutschen Theaters, das ein Partei=Theater ist wie
zeähnet er den Dichter, der sein Leben mit w
Freilich fehlen dem „Deutschen Theater“ fast gänz kein zweites in Berlin und wohl in ganz Deutsch= Augen träumt, unfähig, die Wirklichkeit zu
lich die Kräfte, um ein Renaissance=Drama aufzu land. Gleich nach dem ersten Akte, ehe sich noch eine wie sie ist, und hiflos, wo es sich um Thaten!
führen. Die Dorstelter dieser Bühne sind weder ge Hand zum Beifall gerührt hatte, begann das Zischen. Entschlüsse handelt. Mit Einem Worte: ein
wohnt, Verse zu sprechen, noch sich im Kostüm zu be. So etwas ist unbedingt widersinnig. Ein Urtheil, mungsmensch. Und solchen Menschen zwingt
wegen, und im „Deutschen Theater“, so meinte kürz wie es in diesem Zischen sich ausdrückte, kann man Nothwendigkeit klarer Entschlüsse in schwerer
lich einer unserer witzigsten Dichter, fängt das nach dem ersten Akte eines fünfaktigen Dramas un oft Handlungen ab, die von dem Moralgesetz
Kostüm“ schon beim schwarzen Gehrock an. Außer¬
#nöglich haben. Es ist eben auch kein ästhetisches Schurkereien gelten, und die Erkenntniß ihres
dein ist die Bühne des „Deutschen Theaters“ klein
Urtheil, sondern eine Parteimeinung. Und wenn delns verekelt ihnen das Leben. Sie sterben,
und nicht im Stande, den unentbehrlichen Reich¬
dann im weiteren Verlaufe des Abends nach jedem ihr Geist, nicht gefügt für die harten Stöße
thum der Szenerie zu bieten.
Akte Beifall und Zischen heftig mit einander Wirklichkeit, geht aus den Fugen. Filippo ##
Kurz, für eine guasi Ur=Aufführung dieses Dra= kämpften, so war der Charakter dieses Kampfes von den die Leidenschaft zu der jungen Beatrice 9
mar wäre das „Denische Theater“ die ungeeignetste vornherein durch die Aufnahme des ersten Aktes ge= zum Treubruch an seiner Verlobten, der G
Stütte, besäße dieses nicht in Irene Triesch eins geben. Das Zischen ist ebenso wenig wie der stür= Teresina Fantuzzi, gebracht hat und der
Künstlerin, die für die Rolle der Beatrice wie ge= mische Beifall der zutreffende Ausdruck für die wenigen Tagen des Rausches erkennt, daß in
schaffen erscheint. Drene Triesch ist gegenwärtig die Empfindung, die uns das Drama einflößt. Zweifel-schönen Beatrice keine Seele schlummert —
genialste Schauspielerin, die ich kenne, — ich will los fließt in dem Werke das Herzblut Schnitzler's, Loschi treibt diese Erkenntniß in den Tod. Bec
nicht sagen, die die deutsche Bühne besitzt, denn wir und einen Mann, der uns in sein Innerstes blicken ist das Weib als Triebwesen, jenseits von Gut
in Perlin haben ja von Dem, was außerhalb läßt, zischt man nicht aus. Man kann seine Miß= Böse stehend, ein Kind voll Egoismus, Grausan
unserer Mauern an Talent vorhanden ist, so gut wie billigung über Das, was man da erschaut, wohl auch Zärtlichkeit, Furcht und Lebensdrang, ein Wesen
keine Ahnung und sehen seit Jahren immer die auf andere Weise ausdrücken,
dessen Beurtheilung wir den Schlüssel nicht fin